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Gospelkonzert
Es geht auch ohne „Oh Happy Day“

Tracy Jane Campbell brachte mit Soul-Timbre und Temperament die Konzertbesucher zum Singen und Tanzen.Foto: Ramona Theiss
Tracy Jane Campbell brachte mit Soul-Timbre und Temperament die Konzertbesucher zum Singen und Tanzen. Foto: Ramona Theiss
Die britische Gospel-Sängerin Tracey Jane Campbell hat bei ihrem Konzert rund 240 Besucher in der katholischen Kirche begeistert.

MARBACH. Die Kerzen am Weihnachtsbaum in der katholischen Kirche strahlen mit dem beseelten Lächeln von Tracey Jane Campbell um die Wette. Die britische Gospelmusikerin ist in Marbach keine Unbekannte: Bereits zum dritten Mal gastiert die in London lebende Sängerin mit einem „Gospelkonzert der Extraklasse“, so die Ankündigung, in der Schillerstadt; zudem herrscht derzeit Hochkonjunktur für diese musikalische, emotional mitreißende Verkündigung der frohen Botschaft (der Begriff Gospel leitet sich von „good spell“ her), wie sie zu Beginn des 20. Jahrhunderts in den USA im Zusammenfluss von Spiritual, Blues und Jazz entstanden ist.

Campbell, die sich ihre Expertise als Mitglied des London Community Gospel Choir in einem der renommiertesten europäischen Gospel-Ensembles erworben hat, ist bereits mit Weltstars wie Elton John, Mariah Carey, Michael Bolton, Barbara Streisand oder Westlife aufgetreten und war an der Originalaufnahme des Secret-Garden-Songs „You Raise Me Up“ beteiligt. Dass die vielbeschäftigte Altistin dennoch regelmäßig um die Weihnachtszeit in unserer Region zu hören ist, verdankt sich der langjährigen Bekanntschaft mit dem Keyboarder Andy Doncic aus Sachsenheim.

Mit dem Saxofon gestaltet er ein smoothes Instrumental, unterstützt von seiner Schwester Evi Sturm am E-Piano, bevor Campbell im Dunkel des Altarraums erscheint und mit ihrem sofort für sich einnehmenden Soul-Timbre a cappella die 1855 vom irischen Dichter und Prediger Joseph M. Scriven geschrieben Hymne „What a Friend We Have in Jesus“ anstimmt, die von Künstlerinnen wie Rosemary Clooney, Ella Fitzgerald und Aretha Franklin, aber auch von Bing Crosby aufgenommen wurde und einen festen Platz im Repertoire auch noch moderner Gospelkonzerte innehat.

Dass Campbells Interpretation eines solchen Konzerts sich indes keineswegs auf traditionelle Standards beschränkt, offenbart sich mit dem folgenden „Don’t Save It All for Christmas Day“, dessen Credits Celine Dion, die den Song 1998 für ihr erstes englischsprachiges Album aufgenommen hat, als Co-Autorin ausweisen.

Während Doncic nun seinen Stammplatz am Keyboard eingenommen hat, übernimmt Sturm nicht nur die Aufgabe einer Backgroundsängerin, sondern übersetzt auch Campbells Ansagen, mitunter im Wechselgesang auch die Liedtexte. Die tragende Rolle der Musik in den Gottesdiensten schwarzer Gemeinden der USA ist mit Untermalung nur unzureichend beschrieben: Vielmehr stellt das gemeinsame Singen und Tanzen ein zentrales Element im religiösen Ritus dar. Interaktion ist der Zusammenhalt stiftende Leim dieser Gemeinschaft – und auch in Marbach bedarf es nach kurzer Erläuterung („Bei den Liedern dürft ihr mitsingen, mitklatschen – macht, was ihr wollt!“) keiner längeren Aufforderung: Das Publikum geht von Beginn an begeistert mit. In „Amazing Grace“ legt Campbell mit Inbrunst und Hingabe ein beeindruckendes Zeugnis ihrer überaus bemerkenswerten Stimmgewalt ab.

Eindringlich auch die Ballade „Restored“ aus ihrer eigenen Feder. Dann heißt es aufstehen und mitmachen: zwei Schritte nach links, zwei Schritte nach rechts, dann den Banknachbarn anstrahlen, winken, mit dem Fuß aufstampfen, einmal um die eigene Achse drehen – in Windeseile hat Campbell das komplette Kirchenschiff in Bewegung versetzt.

Contemporary Gospel mit reichlich Groove und Drive bietet sie mit Evans Ogbois „He’s Able“ an. Noch mal mitsingen ist angesagt in „Kumbaya“, bevor sich Campbell und ihre beiden Mitstreiter mit einer von lautstarkem Applaus eingeforderten, zweisprachigen Zugabe, dem Choral „How Great Thou Art“ sowie „Praise to the Lord, the Almighty“ alias „Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren“ verabschieden.

Ganz nebenbei liefert Campells überzeugender Auftritt noch den Beweis, dass ein Gospelkonzert auch ohne das ansonsten in diesem Kontext hierzulande ja unvermeidliche „Oh Happy Day“ eine runde Sache sein kann.