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ÖPNV
Frei und Homeoffice statt Zugausfall

Warten auf eine S-Bahn: So wie hier an den ersten Streiktagen in Ludwigsburg, kann es ab Donnerstag wieder vielerorts aussehen. Archivfoto: Holm Wolschendorf
Warten auf eine S-Bahn: So wie hier an den ersten Streiktagen in Ludwigsburg, kann es ab Donnerstag wieder vielerorts aussehen. Foto: Holm Wolschendorf
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350_0900_34628_kr_bas2.jpg Fotos: H. Wolschendorf/A. Drossel
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Der Streik der Lokführergewerkschaft GDL trifft auch den Nahverkehr im Kreis – Wer kann, verzichtet auf die Fahrten

Kreis Ludwigsburg. Mittwochmorgen, 10.16 Uhr, am Ludwigsburger Bahnhof: Die Türen der S-Bahn in Richtung Stuttgart schließen, der Zug fährt pünktlich los – ohne Can Tütün, der es nur noch bis zum Druck auf den Türknopf geschafft hatte. Und nun lange warten muss.

Denn die Zahl der Verbindungen ist seit Betriebsbeginn deutlich reduziert, der kurzfristige, zweitägige Streik der Lokführergewerkschaft GDL für höhere Gehälter und bessere Arbeitsbedingungen ist auch im Nahverkehr zu spüren, mit weniger S-Bahnen und Komplettausfällen etwa auf der Schusterbahn zwischen Kornwestheim und Untertürkheim. „Richtig erschrocken“ sei er, als er kurz vor dem Losfahren mitbekommen habe, dass nicht nur zahlreiche Fernzüge betroffen sind, erzählt Frank Rotbauer, der am selben Bahnsteig wartet, allerdings auf die S5 nach Bietigheim. Sie hätte eigentlich um 10.14 Uhr fahren sollen, fiel aber aus – was auch erst kurz zuvor durchgesagt wurde.

Rotbauer trifft der Streik am Mittwoch zwar nicht allzu sehr, weil er nicht arbeiten muss („Ansonsten hätte ich nun ein Problem“), und für den Folgetag entschieden hat, deshalb ebenfalls freizunehmen. Verständnis hat er dennoch wenig. „Ich find’s ein bisschen traurig“, sagt er. Jedes Jahr werde mehr Geld für die Fahrkarten verlangt, und dann sei der Verkehr oft auch noch so unzuverlässig.

Wobei das die Verantwortlichen ausgerechnet an den Streiktagen verhindern wollten: Die S-Bahn-Stuttgart, eine Tochter der DB, hatte kurz nach der Ankündigung der GDL am Dienstag einen Ersatzfahrplan aufgelegt, der zumindest für die Hauptlinien (S1, S2, S23 und die durch den Kreis Ludwigsburg führenden S4, S5, S6 und S60) einen Stundentakt – während dieser Ferien gilt sonst ein Halbstundentakt – vorsah. Das habe auch funktioniert, so ein Sprecher, wenngleich die S1 zwischen Böblingen und Herrenberg am frühen Morgen gekappt werden musste, und man den Busersatzverkehr nicht so rasch habe organisieren können wie erhofft. Erst ab 9 Uhr sei eine Verbindung möglich gewesen, ab 11 Uhr dann auch wieder per S-Bahn. Zusätzliche Ersatzbusse gab es auch wegen der sanierungsbedingten Sperrung der Stammstrecke zwischen Stuttgart-Vaihingen und dem Hauptbahnhof, um die Fahrgäste aus möglicherweise volleren S-Bahnen aufnehmen zu können.

„Über den Tag gesehen war unser Notfallfahrplan aber für die Fahrgäste verlässlich“, sagte der Sprecher. Und hofft das auch für heute, wenn bis Betriebsschluss weiter gestreikt werden soll. Denn wie viele Mitarbeiter sich daran beteiligen und wie viele Triebfahrzeugführer sich zum Dienst melden, ist bis Einsatzbeginn nicht bekannt – die Schichtzeiten eines Einzelnen sind auch innerhalb einer Woche sehr unterschiedlich, erklärt er.

Can Tütün, der zwar generell Verständnis dafür hat, wenn sich Arbeitnehmer gegen mutmaßliche Missstände wehrten, jedoch nur solange nicht die Gesellschaft geschädigt werde, dürfte das aber egal sein. Er hat nach dem ersten Streiktag („schon ein bisschen lästig“) beschlossen, den Rest der Woche im Homeoffice zu verbringen. Am Mittwoch muss er aber den Zug nehmen, hat dafür nun das Gleis gewechselt, denn für 10.32 Uhr ist ein Regionalexpress angekündigt. Auch ein Ehepaar samt Kind hatte sich eine solche Verbindung ausgesucht für die Fahrt zum Flughafen – denn die meisten RE- und RB-Linien werden von privaten Unternehmen gefahren, die nicht bestreikt werden.

Allerdings scheinen sie am Mittwoch mit Verspätungen zu kämpfen. Ungeduld macht sich breit auf dem Bahnsteig, wenngleich viele angesichts der Fahrtalternativen noch entspannt wirken. „Die sagen einfach nichts durch!“, schimpft eine Frau aber, während zwei andere auf sie zukommen, näher heran an die Treppe, um bei Bedarf schnell zum S-Bahn-Gleis laufen zu können. Doch dann sichtet eine den herannahenden schwarz-gelben Zug. „Irgendwas muss ja fahren!“, ruft sie. „Aber es ist dennoch eine Katastrophe.“