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Ausstellung
Im Spannungsfeld junger Kunst

Vielschichtig: Gianni Dieterles präsentiert sein Werk „Unsichtbare Laster“ (links), daneben „geirKKrieg“ von Clara Hasert.Fotos: Holm Wolschendorf
Vielschichtig: Gianni Dieterles präsentiert sein Werk „Unsichtbare Laster“ (links), daneben „geirKKrieg“ von Clara Hasert. Foto: Holm Wolschendorf
Vielschichtig: Gianni Dieterles präsentiert sein Werk „Unsichtbare Laster“ (links), daneben „geirKKrieg“ von Clara Hasert.Fotos: Holm Wolschendorf
Vielschichtig: Gianni Dieterles präsentiert sein Werk „Unsichtbare Laster“ (links), daneben „geirKKrieg“ von Clara Hasert. Foto: Holm Wolschendorf
Unter dem Titel „Das Besondere im Allgemeinen“ zeigen 26 Studierende der PH Ludwigsburg Malerei in der Karlskaserne

Ludwigsburg. Traditionell beginnt das Jahr im Ausstellungsraum des Kunstzentrums Karlskaserne mit einer Schau, in der Kunststudierende der PH Ludwigsburg die Endergebnisse ihrer Seminararbeit aus dem Wintersemester präsentieren. Auch das Jubiläumsjahr – 2020 feiert das Kunstzentrum sein 25-jähriges Bestehen – macht von dieser goldenen Regel keine Ausnahme: Bereits zum 22. Mal zeigen angehende Kunsterzieherinnen und Kunsterzieher aus dem Fortgeschrittenenkurs unter Leitung von Thomas Bickelhaupt, was sie bei ihrem Dozenten gelernt haben.

Nicht zufällig geschehe dies in der Karlskaserne, sei diese doch ein „Ort der Künste wie des künstlerischen Lernens“, betont Heike Grüß, Fachbereichsleiterin Bildende Kunst an der Kunstschule Labyrinth, bei der gut besuchten Vernissage. Mit seinem „rauen Charme“ fordere der Ausstellungsraum in den ehemaligen Stallungen der Kaserne junge Künstler stets auf Neue heraus. Zu Beginn seines Seminars gibt Bickelhaupt jeweils ein übergreifendes Thema aus, das konkret genug formuliert sein muss, um Studierende „auf eine Spur zu setzen“, aber auch eine gewisse Offenheit für verschiedene Ansätze aufweisen sollte, erläutert Bickelhaupt sein didaktisches Konzept: „Das Entscheidende ist, dass es die Studierenden berührt.“ Die eigentliche Aufgabe bestehe darin, eine tragfähige Bildidee zu generieren und diese innerhalb eines halben Jahres mit Acrylfarben gestalterisch auf den Punkt zu bringen.

Vielen der 26 Teilnehmer der diesjährigen Ausstellung, die unter dem Motto „Das Besondere im Allgemeinen“ steht, ist das bemerkenswert gut gelungen, was sowohl für das Potenzial der jungen Künstlerinnen und Künstler wie auch für die Qualität des Unterrichts ihres Dozenten steht, der neben maltechnischer Anleitung auch kunsthistorische Impulse umfasst. Größter Respekt gebührt Gianni Dieterles an der Stirnseite des Ausstellungsraums platzierter Arbeit „Unsichtbare Laster“, die auf den ersten Blick wie ein frühneuzeitliches Altarbild anmutet. Zahlreiche stilistische Referenzen sind darin aufgerufen – zwischen skurriler Fantastik über die frühbarocke Malerei Caravaggios bis hin zum Surrealismus. Und doch behandelt Dieterles in ihrer Frontalität enorm eigenständige Bilderfindung, die er in ausgesprochen gekonnter altmeisterlicher Technik realisiert hat, ein zutiefst persönliches Thema – das Abkauen von Fingernägeln zum Zweck des Spannungsabbaus nämlich.

Auch die Interpretation des Triptychon-Formats wirkt gleichermaßen informiert wie unabhängig: Während auf dem Querformat des Tafelbilds, das die Komposition wie der Sockel einer Altarretabel nach unten abschließt, Pflaster und in Tropfen zerlaufende Finger in widersprüchlichen Größenverhältnissen zu sehen sind, zeigt das zentrale Selbstporträt den in Hoffnung auf Erlösung gen Himmel blickenden Künstler, die malträtierten Hände zum Gebet gefaltet. Die drei umgebenden Leinwände sind von Rotkehlchen bevölkert – gemäß der Traumdeutung ein Symbol des Loslassens alter Laster und schlechter Gewohnheiten, so Dieterle.

Auch wenn Figuratives dominiert und abstrakte Positionen so gut wie gar nicht vertreten sind, überrascht doch die Vielfalt der Bildsprachen und Malweisen, wobei Bickelhaupt versucht hat, die Mannigfaltigkeit anhand thematischer Aspekte wie Beziehungen, Befindlichkeiten und Welterfahrung in Kojen zu strukturieren. Höchst beeindruckend die mutige Haltung von Noa Stawicki, die mit expressivem Duktus ein Aktbild an der Grenze zur pornografischen Darstellung wagt. „Lust“ thematisiere die Balance zwischen Sozialisation und Triebhaftigkeit, erklärt die Künstlerin. Daneben zitiert sie mit Courbets „Der Ursprung der Welt“ en passant eines der kontroversesten Werke der Kunstgeschichte. Verlaufsbilder im Katalog machen den Malprozess sichtbar: Weiße Flecken auf dunkler Haut zeugen in „Unregelmäßig“ davon, dass Ani Israelyan Teile der Malschichten wieder entfernt hat. Wo Julia Lutz mit „Aus der Tiefe“ in exotische Unterwasserwelten vorstößt, begnügt sich Berenike Macks „Stillleben“ mit der Draufsicht eines Küchentischs. Existenzielle Fragen wirft Marie Zipperles „Woher? Wer? Wohin?“ auf. Hervorragend beherrschte Acrylmalerei sind alle drei. Auch die im Raum verteilte Serie „Augen“ von Flin Noller fasziniert nachhaltig.

Nachdem in den vergangenen Jahren biografisch Motiviertes im Vordergrund stand, nehme nun das Bedürfnis nach politischer Positionierung wieder zu, hat Bickelhaupt beobachtet. So zeigt Fabienne Reznicek das „rendez-vous“ einer Qualle mit einer Plastiktüte. „geirKKrieg“ lässt sich von allen vier Seiten aus betrachten – „wie man es dreht und wendet, es ist Krieg“, sagt Clara Hasert. Das sei auch die Botschaft der schwarzen Schriftzeichen in verfremdeter Typografie: „Es ist nur die Frage, ob man es wahrnehmen will oder nicht.“ Somit gibt es in der Karlskaserne viel spannende junge Kunst zu sehen – eine Gelegenheit, die sich Kunstinteressierte nicht entgehen lassen sollten.

Info: Geöffnet ist die Ausstellung noch bis Sonntag, werktags von 18 bis 20 Uhr, samstags von 15 bis 20 Uhr und sonntags 11 bis 16 Uhr.