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Kirchenstreik-Bewegung „Maria 2.0“
Katholikinnen wollen Gleichstellung

Frauenprotest am Muttertag: Zerrissene Tücher bedecken den Altar in Marbachs katholischer Kirche. Fotos: Ramona Theiss
Frauenprotest am Muttertag: Zerrissene Tücher bedecken den Altar in Marbachs katholischer Kirche. Fotos: Ramona Theiss
Forderungen einer Gruppe aus Asperg.
Forderungen einer Gruppe aus Asperg.
Zerreißen als Symbol des Protests.
Zerreißen als Symbol des Protests.
Den katholischen Frauen reicht’s. An Muttertag begehrten sie auch in Marbach auf. Gleichberechtigung in der Kirche fordern sie, das Ende des Machtmissbrauchs durch die Amtskirche und die Klärung und strafrechtliche Verfolgung sexueller Übergriffe durch staatliche Stellen.

Marbach. „Es zerreißt mich, wie die Mächtigen in der Kirche ihre Macht missbrauchen und Menschen klein machen“, sagt eine Frau und zerreißt ein Bettlaken. „Es zerreißt mich, dass ich meine Berufung nicht leben darf!“ Ratsch! „Ich bin entsetzt, dass jahrzehntelang Kindesmissbrauch in der Kirche stattfand und immer noch gedeckt wird!“ Ratsch! Es ratscht in allen Bankreihen. Wut über die Ungleichbehandlung verschafft sich in der Aktion Luft. Es war gestern eine von rund 50 Demonstrationen in der Diözese Rottenburg-Stuttgart.

„Durch das Zerreißen der Tücher wollen wir demonstrieren, wie wir Frauen an der Situation in der katholischen Kirche innerlich zerreißen“, sagt die Stuttgarter Gemeindereferentin Christine Göttler-Kienzle. Sie gestaltet den Gottesdienst mit anderen Frauen und Pfarrer Stefan Spitznagel. Alle tragen normale Straßenkleidung.

Auch die zehn Ministranten, von denen n acht Mädchen sind. Die sammeln die Stoffstreifen ein und laden einen Berg Wäsche auf dem Altar. „Hier ist der Ort der Wandlung“, so Göttler-Kienzle. Man hoffe, dass auch die Kirchenoberen endlich die Zeichen der Zeit erkennen und sich die Katholische Kirche in ihren Grundstrukturen wandelt. Das bedeutet auch, dass Frauen Priester werden können und der Zölibat, die verpflichtende Ehelosigkeit von ordinierten Geistlichen, fällt.

Die Marbacher Kirche „Zur Heiligen Familie“ ist voll. Viele Männer unterstützen die Anliegen der Frauen. Plakate hält eine Gruppe aus Asperg in die Höhe. „Maria 2.0“ ist darauf zu lesen. „Missbrauch aufklären“, „Frauen in alle Ämter“. „Alles muss sich ändern“, sagt eine 80-Jährige bekennende Kirchenwandlerin. Frauen müssten mit Männern gleichgestellt werden. Es sei ein überfälliger Schritt, dass es auch Bischöfinnen und Kardinalinnen gebe. „Und irgendwann werden wir auch eine Päpstin haben. Auch wenn ich das wahrscheinlich nicht mehr erleben werde“, so die Ludwigsburgerin.

„Dieser Aufschrei ist dringend nötig“, meint eine vielfach ehrenamtlich Aktive aus der Backnanger Ecke. Ohne das Engagement der Frauen stünde die katholische Kirche ganz schön armselig da – und doch würden deren Qualifikationen und Talente nicht ausreichend gewürdigt. „Es tut mir weh, wenn ich mich ständig rechtfertigen muss, warum ich noch Kirchenmitglied bin.“ Sie wird sich am Streik beteiligen, den „Maria 2.0“ für eine Woche ausgerufen hat.

Auch eine Frau aus Rielingshausen will mit ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit für sieben Tage aussetzen, obwohl sie Freude an dieser Arbeit habe. „Die Forderungen sind zeitgemäß“, meint sie. Man könne nicht auf ewig am Gestrigen festhalten. Empört sind viele Freiwillige über Vorwürfe von oberster Stelle, dass sie mit ihrem Streik Hilfsbedürftige der notwendigen Unterstützung berauben würden. Eine Petition an den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz Reinhard Kardinal Marx liegt aus. Darin wird gebeten, im Sinne der Glaubwürdigkeit der katholischen Kirche, dass Frauen als Diakoninnen geweiht werden dürfen. Weder biblisch noch kirchenrechtlich stehe dem etwas entgegen.

Die Unterschriftenlisten sind schnell voll. Die Band der katholischen Kirche stimmt Bettina Wegners „Kinder“ an. „Sind so kleine Hände“, steht am Anfang. Und am Ende: „Menschen ohne Rückgrat haben wir viel zu viel!“ Die Botschaft ist eindeutig.