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Tonnentausch
Kompromiss im Glasbehälter-Tausch: Trotz vieler Schwachstellen keine öffentliche Debatte im Ludwigsburger Kreistag

Der Tonnentausch kann beginnen. Befriedigend ist der Kompromiss mit den Dualen System für den Kreis aber nicht. Foto: Holm Wolschendorf
Der Tonnentausch kann beginnen. Befriedigend ist der Kompromiss mit den Dualen System für den Kreis aber nicht. Foto: Holm Wolschendorf
Die Gründung einer Bürgergenossenschaft Wohnen und die Aufnahme ukrainischer Flüchtlinge stehen heute auf der Tagesordnung des Kreistags. Wichtige Themen ohne Frage! Doch das Problem, das den Kreispolitikern seit drei Monaten eine Art Dauermigräne bereitet, fehlt: die Abfallpolitik. Dabei wäre der Kompromiss zum Tausch Altglasbox gegen blaue Tonne allemal eine kritische Debatte wert.

Kreis Ludwigsburg. Als der Landkreis vor einem Jahr die Abstimmungsvereinbarung über die Zukunft der Einsammlung und Verwertung von Verpackungsabfällen mit den Dualen Systemen (DS) schloss, war der auch öffentlich einsehbare Vertrag Landrat Dietmar Allgaier noch eine Debatte im Fachausschuss für Umwelt und Technik im März und im Plenum des Kreistags im April 2021 wert. Als die DS und die von ihnen beauftragten Entsorger Kurz und Prezero die erstaunte Öffentlichkeit dann im Januar dieses Jahres wissen ließen, dass sie nicht gedächten, dem Wortlaut des Vertrags – der einen Tausch der Altglasbehälter „auf Wunsch der Nutzer“ vorsieht – Folge zu leisten, gab Allgaier sich kämpferisch: Der Landrat kündigte nicht nur eine Klage gegen die DS an, er wollte einen bürgerfreundlichen und zügigen Behältertausch mit Zustimmung des Kreistags notfalls auch im Wege einer Ersatzvornahme durchsetzen.

Von der harten Kante zur Kompromisssuche

Davon jedoch war schnell nichts mehr zu hören: Trotz der öffentlich bekundeten harten Kante gegen die DS befanden sich Allgaier und die Kreisräte schon im Februar auf Kompromisssuche mit den Dualen Systemen, und das aus gutem Grund: Nur so schien ihnen der gewünschte bürgernahe Behältertausch ohne langwierige juristische Auseinandersetzungen möglich. Inzwischen ist der Kompromiss gefunden und der AVL-Aufsichtsrat hat ihn anstandslos durchgewinkt, obwohl er der kreiseigenen Abfallverwertungs-GmbH ein Drittel der Kosten für eine Aufgabe aufbürdet, die nach ihrer einhelligen Rechtsauffassung eigentlich allein Sache der DS sein müsste.

Aber weder dem Landrat noch dem Kreistag ist das Dilemma offenkundig eine weitere öffentliche Debatte wert. Der Kompromiss sei schließlich nur eine „vergleichsweise kleine Ergänzung“ der weiterhin gültigen Ursprungsvereinbarung, heißt es zur Begründung aus dem Kreishaus. Der Vergleich sei „lediglich eine Präzisierung“ dieses Vertrags, die klarstelle, wie die strittige Formulierung zum Behältertausch „ausgelegt und ein Kompromiss, wann, wie, wo und unter welchen Bedingungen ein Behältertausch umgesetzt wird“. Überdies sei diesmal nicht der Landkreis, sondern das zwar kreiseigene, aber privatwirtschaftlich geführte Unternehmen AVL Vertragspartner der DS. Deshalb genüge es, dass nur der AVL-Aufsichtsrat – also das kleinstmögliche Gremium – den Kompromiss abgesegnet habe, lautet die formale Begründung, die das politische Argument für überflüssig erklären soll. Auch der Wortlaut des Vergleichs bleibt diesmal unter Verschluss, außer offiziellen Pressemitteilungen kennt die Öffentlichkeit allenfalls eine äußerst wortkarge Sitzungsvorlage für den AVL-Aufsichtsrat.

Die Details haben es in sich

Dabei haben es die Details der „vergleichsweise kleinen Ergänzung“ durchaus in sich, wie wiederholte LKZ-Anfragen bestätigt haben. Denn sie zeigen vor allem eins: Die Vermeidung eines langwierigen Rechtsstreits mit den Dualen Systemen war der AVL und dem Landrat offenkundig einiges mehr wert als eine überschlägige Drittelung der Kosten. Das öffentlich kommunizierte, angebliche Kostendrittel, das die AVL nun auf den Deponien in Horrheim und Schwieberdingen gewerblich erwirtschaften muss, erweist sich bei näherem Hinsehen nämlich als politische Nebelkerze.

Tatsächlich gedrittelt werden die Kosten erst ab der 12001. Tonne. Davor werden die Kosten zwar auch in Dritteln, aber gestaffelt fällig: Wie bereits berichtet, zahlen die beiden Entsorger Kurz und Prezero die ersten 4000 Tonnen, die zweiten 4000 Tonnen bezahlt die AVL und erst die dritten 4000 Tonnen übernehmen die DS als eigentlicher Vertragspartner des Landkreises selbst. Für die AVL bedeutet das: Bestellen nur 4000 Bürger die Tonne, bezahlt sie gar nichts, bei 6000 und über 12 000 Bestellungen tatsächlich ein Drittel. In der Marge von 6000 bis 12000 Bestellungen bezahlt die kreiseigene GmbH aber immer mehr als ein Drittel der Kosten, im schlimmstem Fall – bei 8000 Bestellungen – sogar die Hälfte.

Die DS und ihre Entsorger haben den Ursprungsvertrag nicht nur hinsichtlich des Passus über den eigentlich allein ausschlaggebenden „Wunsch der Nutzer“ nicht erfüllt, sie haben auch rund 7000 blaue Tonnen weniger an die Haushalte ausgeliefert als in der „Systemfestlegung Glas“ veranschlagt. Statt diese 7000 Tonnen nun als noch offene Bringschuld der Gegenseite vorauszusetzen, bevor für die AVL ein Kompromiss überhaupt erst greifen könnte, ist von den fehlenden Tonnen offenkundig keinerlei Rede.

Vor dem Kompromiss haben die DS sowie Kurz und Prezero Tauschwünsche aus zwei Gründen akzeptiert: wegen körperlicher Einschränkungen und wegen eines höheren Bedarfs. Soweit diese Anträge aber noch nicht abgearbeitet sind, wurden sie mit dem Start des neuen Online-Antrags auf Behältertausch am Montag aber allesamt „auf null gesetzt“. Das ist nicht nur für die Bürger ärgerlich, die ihren Tauschantrag nun gegebenenfalls ein zweites Mal stellen müssen. Der „hundertprozentige Reset“ bei den Anträgen zum 1. April kommt auch die AVL teuer. Denn die Kosten werden nicht etwa getrennt nach den Antragsgründen, sondern insgesamt abgerechnet, wie das Landratsamt auf Nachfrage einräumt.

Das aber heißt: Die AVL bezahlt nicht nur „ihren“ Anteil an den Tonnen, die nun aus „sonstigen“, „anderen“ oder „persönlichen“ Gründen beantragt werden, sondern auch jene, die aus körperlichen Gründen oder wegen Mehrbedarfs angefordert werden. Pointiert gesagt: Der Kreis übernimmt qua AVL nicht nur das offiziell kommunizierte Kostendrittel für jene Tauschwünsche, über die er mit den DS und den Entsorgern stritt. Er subventioniert die Gegenseite überdies auch bei jenen Tonnen, die sie eingestandenermaßen allein hätten bezahlen müssen.

Die Tauschanträge sind generell online auf der Internetseite verpackungsabfall-lb.de zu stellen, die von Kurz und Prezero betrieben wird. Haushalte, die keinen Internetzugang haben, können sich aber ersatzweise an das Service-Center der AVL wenden und es unter (07141) 1442895 anrufen. Die Sach- und Personalkosten für diesen analogen Service werden jedoch nicht etwa gedrittelt, sondern komplett von der AVL beglichen.

Anders als versprochen sollen Tauschwillige auf dem Online-Formular nun doch Gründe für ihren Antrag vortragen. Welche sie nennen, falle aber nicht ins Gewicht, versprechen Landrat und AVL. Leserzuschriften verraten, dass dies aber zumindest bei etlichen Bürgern zu Misstrauen führt, ob ihr Tauschantrag denn nun auch wirklich anstandslos und in absehbarer Zeit zur Lieferung einer Tonne führt. Landrat Allgaier und AVL-Chef Tilman Hepperle teilen diese Sorge nicht: Trotz des heftigen Streits um den Ursprungsvertrag sind im Vergleich keine Sanktionen wegen möglicher Verstöße bei der Umsetzung vorgesehen. Sollte sich jemand so aber von seinem Tauschwunsch abhalten lassen, schont das neben den Kassen der DS nun auch die der AVL. Zu mindestens einem Drittel.