1. Startseite
  2. Lokales
  3. Landkreis Ludwigsburg
Logo

Soziales
Mehr Geld auch für Ukraine-Flüchtlinge im Kreis Ludwigsburg

Flüchtlinge aus der Ukraine, die nach Deutschland gekommen sind: Jetzt übernehmen die Jobcenter die Betreuung und stellen sich auf Hartz-IV-Anträge der Betroffenen ein. Foto: Sven Hoppe/dpa
Flüchtlinge aus der Ukraine, die nach Deutschland gekommen sind: Jetzt übernehmen die Jobcenter die Betreuung und stellen sich auf Hartz-IV-Anträge der Betroffenen ein. Foto: Sven Hoppe/dpa
Ukrainische Kriegsflüchtlinge können seit diesem Mittwoch Hartz-IV-Leistungen beantragen – wenn ihnen die Bürokratie nicht noch einen Strich durch die Rechnung macht. Was bedeutet das für den Landkreis Ludwigsburg?

Kreis Ludwigsburg. Die Integrationsbeauftragten in den Kreiskommunen sind in Erklärungsnot. Weil Menschen aus der Ukraine mehr und schneller Rechte bekommen als einige, die schon vor Jahren aus anderen Staaten in den Landkreis Ludwigsburg geflüchtet sind. Zuletzt warnte zum Beispiel die Schwieberdinger Flüchtlingshelferin Iris Holzwart-Schäfer: „Es droht uns eine Konkurrenzsituation beziehungsweise eine Zwei-Klassen-Gesellschaft.“

Was die Expertin damit meint, lässt sich seit diesem Mittwoch im Jobcenter des Landkreises Ludwigsburg beobachten, wenn Geflüchtete aus der Ukraine aus dem Asylbewerberleistungsgesetz ins Hartz-IV-System aufsteigen. Für alleinstehende Erwachsene bedeutet das 82 Euro mehr in der Geldbörse. Denn das Asylbewerberleistungsgesetz sieht derzeit für gewöhnliche Flüchtlinge lediglich 367 Euro vor, bei Hartz IV sind es 449 Euro. Die Übernahme der Wohnkosten kommt jeweils hinzu – mit dem Unterschied, dass für Asylbewerber aus Afrika oder Afghanistan keine freie Wahl der Wohnung vorgesehen ist. Dazu kommt ein besserer Zugang zu medizinischer Versorgung und Integrationsleistungen.

Rund 1200 ukrainische Familien können auf eine Auszahlung hoffen

Das Landratsamt in Ludwigsburg geht davon aus, dass zum 1. Juni rund 1200 ukrainische Familien Hartz IV ausgezahlt bekommen – und sich die Zahl der Bedarfsgemeinschaften im Kreis um etwa 20 Prozent erhöhen wird. Zum Stichtag Januar 2022 zählte das Jobcenter knapp 8500 Bedarfsgemeinschaften, die Anspruch auf Grundsicherung hatten. Die Tendenz für die nächsten Monate: weiter steigend.

Noch im Mai sah es eine Zeit lang so aus, als würden die Behörden den Wechsel der Ukrainer vom Asylbewerberleistungsgesetz zu Hartz IV verstolpern – wegen Papiermangel. „Die Bundesdruckerei kann derzeit nicht genügend fälschungssichere Dokumentenvorlagen ausliefern, auf denen die Ausländerbehörden ihre Fiktionsbescheinigungen ausstellen“, sagte der Präsident des Landkreistages, Reinhard Sager. Die Bescheinigungen dienen ukrainischen Geflüchteten als Beleg, dass sie sich rechtmäßig in Deutschland aufhalten und einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gestellt haben.

Das Jobcenter hilft auch bei der Suche nach Arbeit

Zu den Kommunen in Schwierigkeiten gehörte offenbar auch die Stadt Stuttgart, die nicht nur über Lieferprobleme, sondern auch Personalengpässe klagte – aber nicht der Kreis Ludwigsburg. „Die Schwierigkeiten der Bundesdruckerei sind uns bekannt“, sagt eine Sprecherin des Landrats Dietmar Allgaier unserer Zeitung. „Uns betreffen sie nicht. Wir haben ausreichend Vordrucke, um in den entsprechenden Fällen Fiktionsbescheinigungen ausstellen zu können.“

Die Behörde gibt an, dass aktuell rund 4000 ukrainische Geflüchtete im Landkreis registriert sind – und dass knapp 150 Vertriebene im Zuständigkeitsbereich der Ausländerbehörde des Landratsamtes eine Fiktionsbescheinigung haben. Allerdings gibt es zwischen Gerlingen und Bönnigheim sieben solcher Verwaltungsstellen. „In unserem Zuständigkeitsbereich wurde den meisten Geflüchteten aus der Ukraine direkt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt, also ohne vorausgehende Fiktion“, sagt die Allgaier-Sprecherin weiter.

Das Jobcenter des Landkreises ist künftig nicht nur für die Auszahlung der Hilfsleistungen zuständig, es soll die Geflüchteten auch bei der Suche nach Arbeit unterstützen. Ein erster Eindruck aus den vergangenen Tagen zeigt offenbar, dass eine Gruppe Ukrainer, die laut Landratsamt nicht näher quantifizierbar ist, bereits Arbeit in Deutschland aufgenommen hat. Darüber hinaus scheint es Geflüchtete zu geben, die schon wieder zurück in ihre Heimat gegangen sind oder planen, dies zeitnah zu tun.

Info: Das Jobcenter des Kreises an der Hindenburgstraße in Ludwigsburg richtet nach eigenen Angaben eine zentrale Anlaufstelle für Betroffene ein. Näheres dazu gibt es online unter jobcenter.landkreis-ludwigsburg.de unter der Rubrik „Informationen für geflüchtete Menschen aus der Ukraine“.

Hintergrund

Wie Ukrainer besser gestellt werden

Die Massenzustrom-Richtlinie der EU:

Sie wird nach dem Angriff auf die Ukraine in Kraft gesetzt – und sorgt dafür, dass ukrainische Kriegsflüchtlinge bessergestellt werden als andere Geflüchtete. Die EU-Richtlinie regelt, dass allen ukrainischen Staatsbürgern sofort EU-weit ein Aufenthaltstitel, Zugang zu Arbeit, Wohnraum, Medizin und zu Schulen zugesprochen wird.

Der Hartz-IV-Anspruch:

Die Ampel-Koalition entscheidet, dass ukrainische Flüchtlinge zum 1. Juni 2022 die gleichen Leistungen wie Hartz-IV-Empfänger oder bereits anerkannte Schutzberechtigte bekommen. Flüchtlinge aus anderen Kriegsgebieten müssen weiterhin einen Asylantrag stellen.

Der Kreis der Berechtigten:

Seit Kriegsbeginn am 24. Februar sind im Ausländerzentralregister rund 780000 Flüchtlinge aus der Ukraine in Deutschland registriert worden. Sie können nun die höheren Leistungen beziehen – sofern sie diesen neuen Anspruch geltend machen. Nach Angaben des Innenministeriums ist ein Teil der registrierten Flüchtlinge bereits wieder zurückgekehrt oder in andere Länder weitergereist.