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Rettungsdienste
Notärzte und Sanitäter arbeiten wegen Corona unter erschwerten Bedingungen

Der Rettungsdienst war am Samstagabend bei einem Unfall in Sachsenheim im Einsatz. Symbolfoto: Thaut Images-stock.adobe
Der Rettungsdienst war am Samstagabend bei einem Unfall in Sachsenheim im Einsatz. Symbol Foto: Thaut Images-stock.adobe
Notärzte und Sanitäter arbeiten unter erschwerten Bedingungen – „Problemlöser für suboptimale Strukturen“

Kreis Ludwigsburg. Volle Intensivstationen, Ärzte und Pflegepersonal am Limit – seit Wochen rückt die Coronapandemie diese Berufsgruppen, die Zustände in den Krankenhäusern in den Mittelpunkt. Dabei gibt es noch eine Gruppe im Gesundheitswesen, deren Aufgaben das Virus seit fast zwei Jahren deutlich erschwert: die Mitarbeiter der Rettungsdienste. Bemüht man einen militärischen Begriff, so stehen Rettungs- und Notfallsanitäter sowie Notärzte an vorderster Front. Sie sind oft die Ersten mit Patientenkontakt, und meistens wissen sie nicht genau, was sie erwartet. Dieser Satz galt zwar schon vor der Pandemie, doch inzwischen hängt das Damoklesschwert Corona zusätzlich über jedem Einsatz.

Riccardo Lardino weiß, wovon er spricht. Er ist Notfallsanitäter und gehört außerdem dem Verein „Inside Team“ an, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, das Rettungswesen und seine Schnittstellen in Baden-Württemberg zu fördern. Da inzwischen jeder Einsatz „potenziell kritisch“ ist, gehören FFP2-Masken für die Besatzungen von Rettungs- und Notarztwagen zur Standardausrüstung. Wird ein konkreter Verdachtsfall gemeldet, „gehen wir nur in Schutzanzügen in eine Wohnung oder ein Haus“, schildert Lardino die Abläufe. Das sei schon „ein erheblicher Mehraufwand“.

Desinfektion der Rettungswagen kostet Zeit

Das Anziehen der Schutzanzüge kostet auf der einen Seite Zeit, auf der anderen Seite „ist die Arbeit darin extrem schweißtreibend, weil die Anzüge so dicht sind, dass keine Wärmeabgabe nach außen möglich ist“, beschreibt Hermann Rometsch die aktuellen Bedingungen. Rometsch leitet beim DRK-Kreisverband Ludwigsburg den Rettungsdienst und weist auch auf ein „stark erhöhtes Infektionsrisiko“ seiner Mitarbeiter hin, das im Rettungswagen durch die hohe Konzentration von Aerosolen auf engem Raum entstehen kann. Auch die notwendigen Desinfektionsmaßnahmen zeigen Wirkung, wenn auch häufiger für die Patienten – in der Zeit, die für die Desinfektion aufgebracht werden muss, stehen Personal und Fahrzeuge nicht für Notfalleinsätze oder Krankentransporte zur Verfügung: „Die Folge sind längere Wartezeiten, vor allem beim Krankentransport“, weiß Rometsch aus leidvoller Erfahrung. Und schließlich bindet auch die Verlegung von Patienten in weiter entfernte Krankenhäuser Zeit. Verlegungen sind aber immer wieder nötig, um „die hiesige Kliniklandschaft zu entlasten“.

Allein diese direkten Auswirkungen der Pandemie sind belastend für die Mitarbeiter aller Rettungsdienste. Doch den Praktiker Lardino und den Koordinator Rometsch eint darüber hinaus die Auffassung, dass „Corona wie ein Brennglas die Schwachstellen im Rettungswesen aufdeckt“ – ähnlich wie in den Krankenhäusern, wo es zwar auch schon vor der Pandemie einen großen Personalmangel im Pflegebereich gab, aber jetzt macht er sich besonders schonungslos bemerkbar. Aus Sicht von Hermann Rometsch verschärft sich zum Beispiel die Entwicklung, wonach „der Rettungsdienst immer mehr zum Problemlöser für suboptimale Strukturen herangezogen wird“.

Sanitäter übernehmen Hausbesuche

Der DRK-Mann nennt ein Beispiel: Seit der hausärztliche Notdienst nur noch über die Nummer 116117 erreichbar ist und der Anrufer bei einem überregionalen Callcenter landet, habe die Zahl der sogenannten Abklärungsfahrten noch mehr zugenommen. Heißt konkret in der Coronasituation: „Die Bürger sind mittlerweile ja völlig verunsichert. Fühlen sie sich krank, rufen sie die 116117 an, hängen dort minutenlang in der Warteschleife, geben auf und wählen die 112. Melden der Leitstelle, dass sie Fieber haben. Damit lässt sich der Verdacht auf eine Coronainfektion nicht ausschließen und der ganze Apparat wird in Bewegung gesetzt. Im Ergebnis rückt ein Rettungswagen zum Hausbesuch ab.“ Eine Entwicklung, die Hermann Rometsch mit Zahlen unterfüttert: Von zehn Notfalleinsätzen des DRK seien zwei Notarzteinsätze, vier eine Sache für den Rettungsdienst „und der Rest sind Hausarztthemen oder ein Fall für den Krankenwagen“. Dazu eine Zahl zur Einordnung: Allein das Rote Kreuz leistet im Landkreis Ludwigsburg täglich 150 Einsätze, die sich etwa zur Hälfte auf Krankentransporte und Notfalleinsätze verteilen.

Dass die Hausärzte kaum noch Hausbesuche machen, „will ich ihnen nicht vorwerfen“, sagt Rometsch, hielte es aber für sinnvoller, wenn der hausärztliche Notdienst in den öffentlichen Rettungsdienst integriert und von den integrierten Leitstellen disponiert würde. „Doch dafür scheint der politische Wille zu fehlen“, bedauert Rometsch.

Notfallsanitäter Riccardo Lardino kennt solche Einsätze zur Genüge. Erst in der vergangenen Woche hat sich ein Ehepaar über die 112 gemeldet, beide über 80 und wegen einer Coronainfektion in häuslicher Quarantäne. Vor Ort stellte sich heraus, dass beide unterversorgt waren, weil sie wegen des durch die Covid-19-Erkrankung beeinträchtigten Geschmackssinns fast nichts mehr gegessen hatten. „Die beiden haben mir leidgetan, ich habe ihre Angst und ihre Hilflosigkeit gespürt und mich deshalb hingesetzt und ihnen erklärt, dass sie essen und trinken müssen. Aber so etwas liegt natürlich außerhalb unseres Notfallversorgungsauftrages.“