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Schockanrufe: Telefonbetrüger zocken zunehmend Senioren im Landkreis Ludwigsburg ab

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350_0900_40380_Seniorin_und_Telefon_59841539.jpg Foto: dpa
Enkeltrick, falscher Polizeibeamter, Schockanrufe: Immer häufiger werden insbesondere ältere Leute Opfer von Telefonbetrügern. Während deren Fantasie, andere um ihr Geld zu bringen, offenbar keine Grenzen kennt, sind die Ermittler oft machtlos. Das Polizeipräsidium Ludwigsburg setzt daher verstärkt auf Aufklärung und Prävention.

Kreis Ludwigsburg. Es war im Oktober, als eine Unbekannte auf der Festnetznummer einer Seniorin in Ludwigsburg-Oßweil anrief und behauptete, sie sei die Tochter der betagten Frau. Sie erzählte ihr, dass sie einen tödlichen Verkehrsunfall verursacht habe, bei der Polizei sitze und eine Kaution benötige. Um ihre angeblich missliche Lage dramatischer und glaubwürdiger zu machen, reichte die Unbekannte das Telefon an einen Komplizen weiter, der vorgaukelte, er sei ein Polizist. In einem mehrstündigen Telefonat überredete er die Seniorin, mehrere Tausend Euro in bar sowie Schmuck einer angeblichen Mitarbeiterin auszuhändigen. Die Übergabe von Goldschmuck, Bargeld und diversen Goldmünzen in einer Plastiktüte erfolgte noch am selben Tag an der Haustür des Opfers.

„Die Täter haben immer wieder Erfolg und ergaunern sich mitunter große Bargeldbeträge“, heißt es im aktuellen Sicherheitsbericht 2021 des Polizeipräsidiums Ludwigsburg, das neben dem Landkreis Ludwigsburg auch für den Landkreis Böblingen zuständig ist. Bei den Anrufstraftaten unterscheidet die Polizei zwischen drei verschiedenen Maschen: dem Enkeltrick, dem falschen Polizeibeamten und den Schockanrufen. Zudem wird zwischen Straftaten, die im Inland und aus dem Ausland heraus verübt werden, differenziert. Die statistische Erfassung von Straftaten, bei denen das Handeln der Täter in Deutschland nicht hinreichend nachweisbar ist, erfolgt automatisch in der polizeilichen Kriminalstatistik Ausland.

Beim Enkeltrick verzeichnete die Polizei vergangenes Jahr für den gesamten Präsidiumsbereich 370 Fälle – 304 davon wurden aus anderen Ländern heraus organisiert. In insgesamt acht Fällen erleichterten die Täter ihre Opfer um insgesamt 141200 Euro. 362-mal blieben die Täter erfolglos.

Falsche Polizeibeamte als lukrative Masche

Geben sich die Verbrecher als falsche Polizeibeamte aus, erweist sich das offensichtlich als besonders lukrativ. In 17 Fällen erbeuteten die Betrüger laut Inlandsstatistik im Kreis Ludwigsburg fast 400000 Euro. Aus dem Ausland heraus richteten die Täter im Kreis einen Schaden von 22000 Euro an.

Werden die Opfer Ziel eines Schockanrufs, werden sie mit einer brutalen Geschichte in nackte Panik versetzt. Oft geht es dabei darum, dass die vermeintlich anrufende Tochter aufgelöst schluchzend davon stammelt, sie habe Schuld am Tod eines Menschen und brauche deshalb für eine Kaution viel Geld. Die Masche ist im Landkreis noch jung und ist vergangenes Jahr von einem (2020) auf 19 Fälle angestiegen. Bei vier von 48 Fällen im gesamten Präsidiumsbereich waren die Täter erfolgreich und erleichterten ihre Opfer um rund 26000 Euro.

Rechtzeitig Polizei einschalten

Die Aufklärungsquote bei den sogenannten Anrufstraftaten ist in den verschiedenen Bereichen unterschiedlich und reicht laut Polizei-Pressesprecher Peter Widenhorn von 6,1 Prozent beim Enkeltrick über sieben Prozent bei den falschen Polizeibeamten bis zu 14,6 Prozent bei den Schockanrufen. Ermittlungsansätze und Aussichten auf Erfolg würden sich immer dann ergeben, wenn die Polizei rechtzeitig von einem Betrugsversuch erfährt. Bestenfalls wird sie noch während des oftmals über viele Stunden andauernden Tatablaufs informiert und kann dann entsprechende Maßnahmen ergreifen. „So kann es zumindest gelingen, angekündigte Geldabholer dingfest zu machen, über die dann gegebenenfalls weitere Ermittlungen möglich werden“, sagt Widenhorn.

Bei den Anrufstraftaten habe es die Polizei mit einigen Problemen zu tun. So werde sie häufig erst dann informiert, wenn Geld und Wertgegenstände bereits an einen Unbekannten übergeben oder Geldbeträge transferiert wurden. Nicht selten seien Opfer von der Vorgehensweise der Täter derart überzeugt und beeindruckt, dass sie eine Zusammenarbeit mit der echten Polizei ablehnen. In solchen Fällen würden auch misstrauisch gewordene Bankmitarbeiter mit erfundenen Begründungen für das Abheben größerer Bargeldbeträge konfrontiert. Erfolgen die Anrufe aus dem Ausland, sind die Möglichkeiten zur Ermittlung der Täter laut Widenhorn „sehr eingeschränkt“.

Polizei setzt auf Prävention

Telefonbetrüger überziehen laut dem Sicherheitsbericht 2021 oft Kommunen oder ganze Regionen mit einer Vielzahl von Anrufen. Immer wieder würden die Täter ihre Vorgehensweise verändern und bereits bekannte Maschen mit neuen kombinieren. Erkennt die Polizei solche Anrufwellen, reagiere sie sofort mit Warnmeldungen in Onlinemedien und über die Radiosender, in denen die aktuelle Masche erklärt und Verhaltenshinweise gegeben werden. Der überwiegende Teil der Angerufenen erkennt die Betrugsmaschen, legt auf und wendet sich an die Polizei. Dennoch haben die Täter immer wieder Erfolg und ergaunern sich mitunter große Bargeldbeträge.

Damit es so weit erst gar nicht kommt, hat die Polizei vielfältige Präventionsmaßnahmen im Angebot, die auch Wirkung zeigen. Dabei lagen die Schwerpunkte 2021 wie auch im Vorjahr bei den Themen Trickbetrug und Trickdiebstahl. Trotz der Coronakrise organisierte das Polizeipräsidium Ludwigsburg in dem Bereich vergangenes Jahr 41 Präventionsveranstaltungen und erreichte damit 744 Personen. Zum Vergleich: Vor der Pandemie (2019) kamen 2917 Personen zu den 101 Veranstaltungen.

Deshalb versucht die Polizei, die ältere Bevölkerung mit anderen Ansätzen zu warnen. So wurden bereits im Frühjahr und Herbst 2021 insgesamt 750000 mit Präventionsbotschaften bedruckte Bäckertüten über Backbetriebe in den Landkreisen Ludwigsburg und Böblingen an die Kundschaft ausgegeben.

Die Reihe der interaktiven Theaterveranstaltungen mit den Stücken „Hallo Oma, ich brauch’ Geld“ und „Der ungebetene Gast“musste pandemiebedingt ausgesetzt werden. Die Zeit wurde jedoch genutzt, das Theaterstück „Hallo Oma, ich brauch’ Geld!“ zusammen mit dem Theaterpädagogen Allan Mathiasch inhaltlich zu aktualisieren. Im Oktober fand die Premiere des Stückes mit dem Zusatz „Tatort Telefon“ statt.

Um Beschäftigte von Kreditinstituten zu befähigen, adäquat bei entsprechenden Verdachtsfällen zu reagieren und damit den Schutz der Kundschaft vor dem Verlust des Vermögens zu gewährleisten, wurden sie in 15 Infoveranstaltungen für das Phänomen der Anrufstraftaten sensibilisiert.