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Typisierung in Roßwag
Sie will noch in New York laufen

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Für Simone Köppel wird morgen in Roßwag ein Stammzellenspender gesucht. Foto: U. Bögel
Jetzt will sie das Gedankenkarussell einmal durchbrechen. Zusammen mit ihrem Lebenspartner geht sie für eine Woche nach Mallorca. Urlaub. Weg sein. Abstand gewinnen – auch davon, dass das Leben ein Ende haben kann. Simone Köppel hat chronische myeloische Leukämie. Am morgigen Sonntag wird in der Sport- und Kulturhalle in Roßwag ein genetischer Zwilling für eine Stammzellspende gesucht.

Vaihingen. Simone Köppel ist eine Kämpferin. „Ich habe das Glück, dass ich Leute um mich habe, die alles geben. Und so muss ich auch alles geben“, sagt die 44-Jährige aus Roßwag. Sie hofft, den Blutkrebs besiegen zu können. „Ich habe noch einiges vor im Leben“, sagt sie. Zum Beispiel beim New York-Marathon mitzulaufen – „und das noch vor meinem 50. Geburtstag“.

Nicht umsonst hat die Schirmherrschaft der Registrierungsaktion in Roßwag Peter Klein zusammen mit dem Vaihinger Oberbürgermeister Gerd Maisch übernommen. Klein, Stiftungsvorstand der Alison und Peter Klein Stiftung, ist in New York schon viele Male mitgerannt.

Manchmal schluckt Simone Köppel, wenn sie die Geschichte ihrer Erkrankung erzählt. Man kennt sich, man hat viele Jahre zusammengearbeitet. Jetzt spricht Köppel von der Genmutation, der Laune der Natur. „Es ist wie ein Sechser im Lotto, nur in die falsche Richtung.“

Angefangen hat alles im vergangenen Jahr, die Kopf- und Nackenschmerzen beim Rennradfahren im April. Oder der Beinahe-Zusammenbruch nach dem Waiblinger Triathlon. „Ich konnte sportlich nicht mehr meine Leistungen abrufen“, sagt Simone Köppel rückblickend. Sie liebt den Sport, ist mit Feuereifer dabei. Egal, ob Halbmarathon, Marathon oder Triathlon. 2016 ist sie den Halbmarathon in Stuttgart gelaufen – ihre Zeit 1:45 Stunden. Im September vergangenen Jahres der Halbmarathon in Karlsruhe. Für die 21,125 Kilometer lange Strecke braucht Köppel 1:58. Es stimmt irgendwas nicht.

Am Handgelenk bildet sich ein großer blauer Fleck. Die Schwellung geht aber wieder weg. Im November, bei einem Urlaub in Hamburg, ist der Appetit völlig im Keller. „Ein Apfel am Tag hat mir gereicht“, sagt sie. Noch vor dem Jahreswechsel wird wegen einer Verhärtung auf der linken Seite ein Ultraschall gemacht. Den Silvesterlauf in Bietigheim rennt Simone Köppel noch mit – „mehr schlecht als recht“.

Wenige Tage später kommt die Diagnose. Die Milz ist auf 19 Zentimeter angewachsen, normal sind elf bis zwölf Zentimeter. Simones Köppels Blutbild zeigt einen Wert von fast 30 000 Leukozyten, normal sind 4500 bis 10 000 der weißen Blutkörperchen. Die Knochenmarkpunktion bringt die chronische myeloische Leukämie ans Tageslicht. 2015 waren die Blutwerte noch in Ordnung. Innerhalb von zwei Jahren hat sich der Krebs unentdeckt entwickelt. Zuerst die chronische Phase, dann die beschleunigte Phase und dann der Blastenschub, in dem Simone Köppel derzeit ist.

Mit Medikamenten wird die Leukämie aktuell in Schach gehalten. Die Blutwerte sind besser geworden, die Milz hat sich zurückentwickelt. Simone Köppel kann zur Arbeit, macht ein wenig Sport, joggt wieder an der Enz, hat auch wieder Hunger. Doch in ihrem Stadium sind die Tabletten kein Garant. Die Experten des Robert-Bosch-Krankenhauses drängen auf die Stammzellspende – letztlich die einzige Überlebenschance.

Denn die 44-Jährige kann nur überleben, wenn es – irgendwo auf der Welt – einen Menschen mit nahezu den gleichen Gewebemerkmalen gibt, der zur Stammzellspende bereit ist. „Deshalb ist es wichtig, dass sich möglichst viele Menschen als potenzielle Stammzellenspender registrieren lassen. Nur dann können sie als Lebensretter gefunden werden“, weiß Sigrid Röhm. Sie ist Simones Köppels Schwester und Mitglied der Initiativgruppe, die gemeinsam mit der gemeinnützigen Organisation DKMS die Registrierungsaktion in Roßwag organisiert. Unter dem Motto „Gemeinsam für Simone und andere“ appellieren die Initiatoren an die Menschen in der Region, sich morgen in die Datei der DKMS aufnehmen zu lassen.

Die Registrierung, die von 11 bis 15 Uhr in der Roßwager Halle stattfindet, geht einfach und schnell: Nach dem Ausfüllen einer Einverständniserklärung wird beim Spender ein Wangenschleimhautabstrich mittels Wattestäbchen durchgeführt, damit seine Gewebemerkmale im Labor bestimmt werden können. Einer der beiden Söhne vom Simone Köppel hat organisiert, dass die komplette Fußballmannschaft der Spielgemeinschaft Roßwag/Mühlhausen zur Typisierungsaktion kommt.

In den vergangenen Wochen hat sich Simone Köppel immer wieder mit einem Illinger Freund getroffen – man geht auch zusammen ins Sportstudio. Für den Freund wurde 2010 ein Stammzellenspender gesucht – und gefunden. „Nach vielen Chemo- und Strahlentherapien geht es ihm jetzt wieder gut“, sagt Köppel und hofft für sich auf einen ähnlichen Weg.

Am vergangenen Wochenende ging es ihr nicht gut. „Du siehst überall dein Bild und fragst dich, warum habe ich das bekommen.“ Es ist eine Ungewissheit, die an der Psyche nagt. „Ich habe in den letzten Monaten versucht, die Angst vorm Sterben abzuschütteln. Man muss das einfach akzeptieren“, sagt sie.

Die Chance, den richtigen Spender zu finden, liegt bei 85 bis 90 Prozent. Wenn es zu einer Spende kommt, dann wird innerhalb einer Woche das komplette Immunsystem von Simone runtergefahren. Nach einem Tag Pause werden schließlich die Stammzellen transplantiert, die dann die gesunden Blutkörperchen produzieren sollen. „Mein großes Plus ist, dass ich körperlich so fit bin“, sagt Simone und lächelt – wenn auch ein bisschen gequält.

Es ist ein schwerer Kampf, den es auszufechten gilt.