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Weinlese
Vollgas mit der Angst im Nacken

Immer mehr Weinberge werden mit dem Vollernter abgeerntet – wie hier in Bönnigheim. Anschließend kommen die Trauben vom Zuber in die Traubenannahme. Fotos: Alfred Drossel
Immer mehr Weinberge werden mit dem Vollernter abgeerntet – wie hier in Bönnigheim. Anschließend kommen die Trauben vom Zuber in die Traubenannahme. Foto: Alfred Drossel
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Schlange stehen vor der Kellerei: Die Wengerter warten, um ihre Trauben abzugeben.
Schlange stehen vor der Kellerei: Die Wengerter warten, um ihre Trauben abzugeben.
Endspurt bei der Weinlese: Die Wengerter sind am Ziel eines schwierigen Jahres. Trotz Hagel, Frost und Pilzkrankheiten sind die meisten Weinbauern mit der Qualität der Trauben zufrieden.

Besigheim/Bönnigheim Mundelsheim. Die Mundelsheimer Wengerter beenden heute, die Bönnigheimer am Dienstag und die Besigheimer am kommenden Samstag die diesjährige Weinlese. Ein schwieriges Jahr im Weinberg geht zu Ende und dennoch herrscht Zufriedenheit. Es wurde mehr als im schwachen vorigen Jahr geerntet, die Qualitäten sind zufriedenstellend. Jetzt müssen die Kellermeister ran.

Das Statistische Bundesamt hatte vor der Lese prognostiziert, dass im Anbaugebiet Württemberg ein Zuwachs von 35,1 Prozent zu erwarten sei, nachdem im Vorjahr Trockenheit und Spätfröste zu geringen Ernten geführt hatten. Dies sei jedoch nicht in dieser Höhe eingetreten, wie Sebastian Häußer, Kellermeister der Felsengartenkellerei Besigheim, feststellt. Die Kellerei erwarte rund sieben Millionen Kilogramm Trauben. Das sei mehr als im Vorjahr. „Die Natur schenkt uns allerdings weniger, als wir verkaufen könnten“, sagt Häußer. Die Weingärtner StrombergZabergäu rechnen mit 8,5 Millionen Kilogramm Trauben, wie Vorstandsvorsitzender Jürgen Conz sagt. Starke Ausfälle bei Ensingen und im Zabergäu durch Frost hätten die Erwartungen gedämpft. Der erste Kellermeister der Lauffener Weingärtner, Michael Böhm, spricht von Hagelschäden bei Mundelsheim. Deshalb hätten dort nur rund zwei Millionen Kilo Trauben gelesen werden können. In Lauffen seien es sieben Millionen Kilogramm.

Die Wengerter hatten es dieses Jahr nicht leicht, die Trauben bis in den Herbst zu bringen – mal war das Wetter zu nass, dann feucht-warm. Außerdem sorgten Pilzkrankheiten, Hagel und Frost punktuell für Totalausfälle. „Wir hatten alle Herausforderungen, die man sich vorstellen kann“, betont Jürgen Conz. Dennoch ist er mit den Qualitäten zufrieden: Lemberger 80 Oechslegrad, Riesling knapp 90 und Grauburgunder ebenfalls um die 90 Oechslegrad. Michael Böhm skizziert das Motto der diesjährigen Lese: „Die Angst im Nacken, aber mit Vollgas bis zum Schluss.“ Die Spitze der Qualität werde zwar nicht erreicht, aber es würden schöne Weine erwartet.

Das Ergebnis der Ernte habe einen hohen Preis mit dem großen Einsatz der Wengerter, betont Sebastian Häußer. Und dies erfordere viel Überzeugungsarbeit. Die Kellerei habe einen hohen Standard formuliert, den es einzuhalten gelte. Immerhin wurde die Hessigheimer Genossenschaft schon viermal hintereinander in ihrer Größenordnung als Deutschlands beste Kellerei bewertet. „Diesen Standard wollen wir halten und die Wengerter ziehen mit“, sagt Häußer. Das bedeute, dass schlechtes Lesegut auf dem Boden und nicht in der Butte lande.

Der Einsatz von Vollerntern hat zugenommen. Waren es im vorigen Jahr noch rund 55 Prozent der Weinberge, die von der Maschine abgeerntet wurden, seien es dieses Jahr um die 60 Prozent, weiß Jürgen Conz. Gründe seien der höhere Mindestlohn und vor allem die fehlende Zahl von Lesehelfern. „Wir können die Ernte ohne den Vollernter nicht mehr schultern“, sagt Wengerter Albrecht Hamm aus Bönnigheim. Die Vorgaben zum Einsatz der Maschine seien allerdings hoch, betont Jürgen Conz, und die Technik sei verbessert worden.

Die Felsengartenkellerei praktiziert dieses Jahr ein bisher einmaliges Modell: Sie hat einen Pool von zehn Vollerntern und bezahlt deren Einsatz. Vorher prüfen Experten, ob der Weinberg und der Traubenbehang geeignet sind. „Nur so können wir Einfluss auf die Qualitäten nehmen“, sagt Häußer. Die Maschinen würden im gesamten Gebiet der Kellerei, vom Kreis Heilbronn bis Stuttgart, zum Einsatz kommen. In der nächsten Woche lesen die Felsengarten-Wengerter noch Trauben für Premiumweine. Danach ist vielleicht noch nicht ganz Schluss, wie Sebastian Häußer betont: Die späte Lese mache Hoffnung, auch Eiswein ernten zu können. „Das wollen wir versuchen.“