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Vom Kleiderkämmerchen zu einer Boutique

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Ist der DRK-Kleiderladen an der Urbanstraße in Gerlingen geöffnet, stehen die Kunden Schlange – Jetzt ist der Shop 25 Jahre alt geworden

Gerlingen. Mäntel und Jacken hängen ordentlich sortiert an den Stangen, daneben Kleider und Anzüge, Blusen und Hemden, legere Freizeit- und Kinderkleidung in fast allen Größen – eigentlich wie in jeder anderen Boutique in der Gerlinger City. Nur die Preise sind ein wenig anders. Manche Teile kosten lediglich 50 Cent, Abendgarderobe zwölf Euro.

Jeder ist hier gerne gesehen und kann kommen. Nur Gewerbliche nicht, die günstig Ware zum Weiterverkauf abgreifen wollen. Zu den Hauptkunden zählen Menschen, die von HartzIV leben müssen. Aber auch Rentner, alleinerziehende Mütter oder Väter, kinderreiche Familien und Migranten stöbern in den Regalen. Auch Schüler kleiden sich für den Abschluss ein, suchen günstige Markenschuhe.

Die Kleiderkammer des DRK bietet bedürftigen Menschen die Möglichkeit, in einer würdevollen Atmosphäre einzukaufen. Ware aus den fünf Rotkreuz-Containern im Gerlinger Stadtgebiet oder aus Kleider- und Sachspenden von Privatpersonen wird von den fünf angestellten Mitarbeiterinnen nach dem Aschenputtelmotto „Die schlechten ins Kröpfchen, die guten ins Töpfchen“ sortiert. Die Klamotten, die gebracht werden, sind meistens in gutem Zustand. Manchmal ist sogar Neuware aus Geschäftsauflösungen dabei. Ganz anders ist das bei den Containern, 80 Prozent ist Ausschuss. Hier ist alles zu finden: von vollen Windeln bis zum Sperrmüll. Ein ganzes Zimmer ist vollgestopft mit Müllsäcken, die regelmäßig von einem zertifizierten Entsorger abgeholt werden. Der kurioseste Fund war Sexspielzeug in allen Variationen und ein Sattel. Bis auf ein paar Uhren wurden aber keine Schätze gehoben.

Zum Start gibt es Bedenken

„Wer hätte gedacht, dass es die Kleiderkammer des DRK immer noch gibt, obwohl der Gemeinderat 1996 doch erhebliche Bedenken hatte“, sagte der Ortsvorsitzende Thilo Lang jetzt bei der Geburtstagsfeier. Vor allem wurde vor 25 Jahren die Benachteiligung des örtlichen Einzelhandels befürchtet. Um jeglichem Missbrauch vorzubeugen, wurde deshalb anfangs alles auf Karteikarten registriert. Vier Jahre lang hätten sich die Verhandlungen hingezogen, bis an der Urbanstraße zwei Erdgeschosswohnungen in eine Kleiderausgabestelle umgewandelt wurden.

„Ein wichtiger Aspekt der Arbeit in dieser sozialen Einrichtung sind die vielen Gespräche mit unseren Kundinnen und Kunden“, so Lang. Zur Stammkundschaft zählen 270 Frauen und 43 Männer, sie kommen auch aus der Umgebung. Mittlerweile trägt sich der Kleiderladen finanziell selbst.

Im vergangenen Jahr wurde in größerem Umfang saniert. Aus einem in die Jahre gekommenen vermeintlichem Kleiderkämmerchen erwachten attraktive, helle und freundliche Verkaufsräume. „Ein echter Laden“, so Lang. Es bleibe jetzt abzuwarten, wie lange das Haus an der Urbanstraße noch stehen werde.

Neben dem Pressesprecher des Landesverbands, Udo Bangerter, sprach auch Kreisgeschäftsführer Wolfgang Breidbach Grußworte. Beide betonten die Bedeutung von solchen Kleiderläden, in Zeiten da die sozialen und die Einkommensunterschiede stärker auseinanderdriften würden. Nicht jeder könne sich einfach so neue Klamotten leisten.

Der Gerlinger Bürgermeister Dirk Oestringer sagte: „Was einst mit etwas Skepsis ins Leben gerufen wurde, ist heute eine Bereicherung für unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger, sogar für die Menschen über unsere Stadtgrenze hinaus.“