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Neckar
Wenig Erfahrung und Unwissen als Gefahr

Ruderer fahren rückwärts. Selbst wenn sie sich oft umdrehen, können sie nicht alles wahrnehmen. Foto: Andreas Becker
Ruderer fahren rückwärts. Selbst wenn sie sich oft umdrehen, können sie nicht alles wahrnehmen. Foto: Andreas Becker
Bei sommerlichem Wetter ist auf dem Neckar besonders viel los. Da kann es durchaus vorkommen, dass sich Menschen beim Ausüben verschiedener Sportarten in die Quere kommen. Oft herrscht auch Unwissenheit in Bezug auf den Schiffsverkehr, der Vorrang hat. Wir haben mit einigen Akteuren gesprochen, was sie beschäftigt.

Marbach/Benningen. Von der Neckarinsel bei Marbach bis zur Einfahrt in den Kanal bei Freiberg macht der Fluss einen großen Bogen. In erster Linie ist er Schifffahrtsstraße, wird aber ebenfalls von Leistungs- und Freizeitsportlern genutzt. Auch der ruhigere Marbacher Altarm ist etwa bei Ruderern und Anglern beliebt. Fünf am Fluss vertretene Parteien berichten, wo sie Gefahren und Probleme sehen und was sie sich von anderen Neckar-Nutzern wünschen.

Der Kapitän

Die SUPs paddeln mitten im Fluss“, sagt Jörg Störmer über die immer zahlreicher werdenden Stand-up-Paddler. Dabei seien sie vor allem für sich selbst eine Gefahr. Im Jahr 1995 ist er zum ersten Mal mit einem Frachtschiff auf dem Neckar gefahren. Seit 2006 ist er Kapitän bei der Neckar-Käpt’n-Flotte und nun mit der MS Weinkönigin unterwegs. „Die Berufsschifffahrt weiß, was sie macht, die Freizeitschifffahrt eher nicht“, so seine Beobachtung.

Im Sommer muss Jörg Störmer öfter ein Signal geben, wenn andere Neckar-Nutzer im Weg sind. Diese kämen meist mit einem Schrecken davon. Es sei auch schon vorgekommen, dass durch die Wellen seines Schiffs jemand umgekippt ist. Natürlich fahre er extra langsam, wenn etwa Kinder mit in einem Boot sitzen. „Ich bin aber auch an den Fahrplan gebunden“, so der Kapitän. Wichtig zu wissen ist, dass vor allem Frachtschiffe durch die Welle vor ihrem Bug Wasser anziehen. Ein schwer beladenes Schiff kann laut Jörg Störmer durchaus einen Meter Wasser wegziehen. Der Sog könne sich auf den ganzen Fluss auswirken.

Der Motorbootfahrer

„Vielen ist gar nicht bewusst, dass sie sich auf einer offiziellen Schifffahrtsstraße befinden“, hat auch Maximilian Eckert beobachtet. Dem Pressewart des Motorsport Club Benningen ist es wichtig, nicht alle über einen Kamm zu scheren: „Leute, die nicht zu Vereinen gehören, verursachen oft kritische Situationen. Als Verein versuchen wir, unsere Mitglieder zu sensibilisieren.“ Doch bei ihnen machten eben auch viele Gäste Station.

Oft herrscht laut Maximilian Eckert ein gewisses Unverständnis dafür, dass Motorboote im Vergleich zu Autos relativ träge sind. Wenn sie in der Nähe eines Ruderboots oder SUPs langsamer fahren, um keine Wellen zu verursachen, erschwere das das Vorbeikommen: „Wir hätten gern, dass sie uns dann auch vorbeilassen.“ Kritische Situationen gebe es auch öfter, wenn sie vor ihrem Steg einen Parcours aus Bojen aufbauen. Eigentlich sei der gut zu erkennen und man weise auch vom Ufer darauf hin: „Leider sind uns ein paarmal Ruderer reingefahren.“ Er vermutet, dass es welche waren, die dort nicht oft unterwegs sind.

Die Ruderin

„In der Coronapandemie ist deutlich mehr Betrieb auf dem Wasser“, haben die Ruderer um Elke Rittner beobachtet. Der sportliche Leiter habe sogar von Schwimmern im Schleusenbereich berichtet. „Das ist nicht nur absolut lebensgefährlich, sondern auch verboten“, so die für Öffentlichkeitsarbeit zuständige stellvertretende Vorsitzende im Marbacher Ruderverein. Allgemein seien Schwimmer schwer erkennbar. Ein Zusammenstoß etwa mit einem Ruder-Achter könne sehr schwere Folgen haben.

„Grundsätzlich sind alle höflich und freundlich zueinander“, beschreibt Elke Rittner das Miteinander am Neckar. So komme man etwa mit den Motorbootfahrern vor Ort gut zurecht, nur Gäste seien eventuell nicht mit Ruderern vertraut. Stand-up-Paddlern empfiehlt sie, nicht mit den Ruderern, sondern in die entgegengesetzte Richtung zu fahren. Da Ruderer rückwärts unterwegs sind, könne es sonst zu Vorfällen kommen, bei denen beide Seiten erschrecken. Eine weitere Verletzungsgefahr sieht sie in nur schwer sichtbaren Angelschnüren. Sie würde sich wünschen, dass Angler häufiger rufen, wenn sich ein Ruderer nähert.

Der Paddler

„Das Problem ist, dass manche Leute nicht verstehen, was hier passiert“, sagt Roman Mayer, Mitglied im Kanu-Club Marbach. Der Neckar sei ja quasi eine Autobahn, ein SUP darauf wie ein Dreirad. Vor allem untrainierte Leute seien sich der Gefahren nicht bewusst. So müsse man sich etwa darauf einstellen, dass ein Schiff Wasser ansaugt und wenig Sicht hat, ein Ruderer hinten gar keine.

„Wir lassen neue Mitglieder nicht einfach allein paddeln“, so Roman Mayer. Erfahrene Paddler würden im Verein ihr Wissen an weniger erfahrene weitergeben. Der Schnupperkurs stehe zudem auch Externen offen. „Ich wünsche mir, dass man gemeinsam versucht, gut zusammen Sport zu treiben“, sagt der Kanufahrer. So habe er neulich entgegenkommende Ruderer auf weit über den Fluss gespannte Angelschnüre hingewiesen. „Und die Angler grüße ich nett.“

Der Angler

Im Großen und Ganzen funktioniert alles ganz gut“, sagt Michael Vogel, der Vorsitzende des Fischereivereins Benningen. Wie überall, wo Menschen mit unterschiedlichen Interessen zusammenkommen, gebe es zwar Unstimmigkeiten, die aber im Promillebereich lägen. So seien etwa Leute wie Stand-up-Paddler, die nicht oft auf dem Wasser sind, sehr mit sich beschäftigt und nähmen Gefahren erst spät wahr.

Angelschnüre gebe es zwar in den buntesten Farben bis hin zu Neon, doch das ändere nichts daran, dass sie dünn sind – und damit schlecht sichtbar. Auch gebe es keine Vorschrift, wie weit sie maximal in den Fluss hineinreichen dürfen. „Die Angler haben das Recht, etwa am Altarm so zu angeln“, sagt Michael Vogel. Zudem weist er darauf hin, dass die Angler als Einzige eine Erlaubnis vom Wasser- und Schifffahrtsamt kaufen, um den Neckar zu nutzen. Sein Verein gebe zudem die Angelkarten aus. Daher wisse er, dass nur ein Bruchteil der Angler an diesem Neckarabschnitt zu seinem Verein gehört. Sie dürften den ganzen Neckar beangeln, mit einer Ausnahme: „Die Berufsschifffahrt darf man nicht behindern – das gilt für alle.“