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„Auch die Stille kann man hören“

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Lässt die Geräusche auf sich wirken: Martyn Ware war fast nicht mehr wegzukriegen. „Voller Leben ist der Marktplatz das Herz jeder Stadt.“ Das Ergebnis, eine 3D-Sound-Collage, ist bei den Raumwelten zu hören.Foto: Holm Wolschendorf
Martyn Ware hört die Welt mit anderen Ohren. Der Musiker und Künstler wird Ludwigsburg neu erschaffen – in Form einer 3D-Klanginstallation zum Kongress Raumwelten. Dafür lauschte er zwei Tage den Geräuschen der Stadt.

Ludwigsburg. Der Zeitplan ist eng. Eigentlich steht als nächster Termin ein Besuch im Märchengarten an. Plötzlich ist Martyn Ware verschwunden – eine Minute später wird er am Stand der Eierfrau gesichtet, wo er sich mit seinem Aufnahmegerät neben zwei Einkäufern positioniert hat. Hier gibt es so viel zu hören, und Martyn Ware ist fasziniert: „Der Marktplatz ist das Herz jeder Stadt.“ Und er hört, was andere gar nicht mehr wahrnehmen – die quietschenden Reifen des Kinderwagens, das Klappern der Gemüsekisten.

Sein Aussehen scheint kein Zufall: Martyn Ware ist sozusagen der englische Jack Nicholson der Soundkünstler, unbeirrbar, aufmerksam, mit ironisch freundlichem Humor. Seit 15 Jahren beschäftigt sich Ware mit seiner Firma Illustrious Company mit der Erschaffung von Klangwelten rund um den Erdball – etwas, das der 59-Jährige eigentlich schon seit den 70ern macht, als er mit der Band Human League den Musikstil Synthie Pop erfand (siehe Bericht rechts).

Auf dem Marktplatz hat das Filmteam aus Wien, das die Tonaufnahmen für die Raumwelten dokumentieren will, Mühe zu folgen – wie auch Ralf Zuweeg und Bella Staiber von d&b audiotechnik. Die Firma beschäftigt sich grob gesagt mit virtuellen Klangwelten, und wurde von den Machern der Raumwelten beauftragt, Ludwigsburg hörbar zu machen. „Wir arbeiten schon lange mit Martyn Ware zusammen“, sagt Zuweeg. Vom 12. bis 14. November findet der Kongress Raumwelten in Ludwigsburg statt: eine Vernetzung von Architektur, Medien, Wirtschaft und Kunst. Sichtbar wird dies schon zuvor: auf dem Akademiehof wird ein mit Luft gefüllter Pavillon aufgebaut, in der Form eines Donuts. Dort wird auch Martyn Wares Klangcollage zu hören sein.

Der ist schon wieder weg. Er steht vor der Stadtkirche, wo soeben die Glocken zu läuten begonnen haben. Kurz zuvor war er in der leeren Dreieinigkeitskirche und hat 20 Sekunden aufgenommen. Keiner bewegte sich, selbst das Filmteam nahm Abstand. In Notre Dame, erzählt er nachher, habe er einmal aufgenommen, als kein Mensch drin war. „Sie würden sich wundern, was man da alles hören kann.“ Kein Widerspruch: „Auch die Stille kann man hören.“

Ludwigsburg hat er erst heute kennengelernt, am folgenden Abend geht es wieder nach Hause in die Londoner Innenstadt. „Es ist gut, unvoreingenommen zu sein“, sagt er. Eine gelungene Klangcollage habe Inhalt: „Da gehören Lokalpolitik, Geschichte und das Leben dazu.“ Eine zentrale Frage: „Wie identifizieren sich die Ludwigsburger mit ihrer Stadt?“ Die verschiedenen Aufnahmen werden im Studio der Fellbacher Firma fertiggemischt. Später werden die verschiedenen Sequenzen auf verschiedene Lautsprecher im Pavillon verteilt – es entsteht ein audieller Raum, die 3D-Klanginstallation.

Ganz unvorbereitet ist er nicht: Der Gang begann im Ludwigsburg Museum. „Viagra, Botox, Klosettspülung, Aspirin – da haben wir alles beieinander“, grinst Ware, als er durch die Räume schreitet, sein Aufnahmegerät mit Puschel in der Hand. Ab und an nimmt er die Audio-Erklärungen zu den Ausstellungsstücken auf, lässt sich von Dampfkochtopf („Das wird ein guter Sound“), Zündkerze und Orgelpfeife inspirieren. „Das wird hier keine Dokumentation, es soll unterhalten. Aber akkurat.“

Plötzlich ein Anruf: Der städtische Medienbeauftragte Tanino Bellanca hat ein Gespräch mit OB Werner Spec arrangiert. 20 Minuten später wird im Treppenhaus des Rathauses aufgenommen. „Ludwigsburg ist eine Stadt mit Kultur und Tradition“, sagt Spec auf Englisch. Er erzählt von Mozart, den Festspielen, der Filmakademie und dem Akademiehof, von der Automobilindustrie als Motor. Was er am meisten mag, fragt Ware. „Ich liebe die Struktur, die Architektur, die Leute“, antwortet Spec.

Ware verabschiedet sich: „Sie werden als Teil der Installation zu hören sein.“ Und fragt: „Wo sind die jungen Leute, was tun sie hier?“ Einen Tag später geht er zur großen Pause auf den Innenstadt-Schulhof und nimmt auf. Er ist zufrieden: „Das ist ziemlich viel Geräusch.“

info: Martyn Wares 3D-Klanginstallation „Soundlife Ludwigsburg – So klingt die Stadt“ ist ab dem 2. November im Pavillon auf dem Akademiehof zu hören. Am Samstag, 14. November, gibt es ein Künstlergespräch mit Ware und dem Filmmusikkomponisten, Musikproduzenten und Mitglied der Band Camouflage, Heiko Michael Maile. Am Abend präsentiert Martyn Ware seine Klanginstallation, danach sind Maile und Ware als DJs zu hören.