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Landwirtschaft
„Lokale Betäubung ist einziger Weg“

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Die Große Koalition möchte das Verbot der betäubungslosen Ferkelkastration, das eigentlich im Januar 2019 eingeführt werden sollte, um zwei Jahre verschieben. Das begrüßen die Landwirte im Landkreis.

Kreis Ludwigsburg. Rüdiger Beck betreibt einen Schweinemastbetrieb am Rand von Eberdingen-Hochdorf. 2000 Mastschweine stehen bei ihm, er bekommt die Ferkel von einer großen Aufzucht im Hohenlohekreis. Doch in Zukunft muss Beck sich nach einem neuen Lieferanten umschauen: Der Ferkelbetrieb stellt seine Erzeugung ein. Grund dafür sind die Diskussionen rund um das Verbot der betäubungslosen Ferkelkastration. Zu viele Auflagen befürchtet der Ferkelzüchter. Anstatt sich damit auseinanderzusetzen, gibt er auf. „Für mich stellt sich jetzt die Frage: Wo bekomme ich meine Schweine her?“, sagt Beck. Der Eberdinger Landwirt setzt auf Tiere aus der Region, doch die zu bekommen, wird immer schwieriger: Es gibt kaum mehr Betriebe in Süddeutschland, die Ferkel züchten. „Baden-württembergische Ferkel findet man bald gar nicht mehr“, so Beck. „Dann muss ich sie aus anderen Bundesländern oder Ländern importieren.“ Es könne doch nicht Sinn der Sache sein, dass er Ferkel aus Norddeutschland, Holland oder Dänemark beziehen muss. „Die müssen dann ja durch die gesamte Republik gefahren werden“, so Beck. Wenn man Ferkel jedoch bald nur noch unter Betäubung kastrieren darf, könnte das Realität werden, vermutet der Schweinebauer. Deshalb ist er froh, dass das Verbot aufgeschoben werden soll.

Männliche Ferkel werden derzeit innerhalb ihrer ersten Lebenswoche kastriert. Das Ganze geschieht mit einem schnellen Skalpellschnitt, jedoch ohne Betäubung. Grund für die Kastration ist der Geruch, den ausgewachsene Eber entwickeln. „Wer einmal ein Schnitzel aus einem Eber in der Pfanne hatte, kauft von diesem Betrieb kein Schwein mehr“, sagt Andreas Luidthardt, der eine Ferkelaufzucht in Ingersheim betreibt. Der starke Geschmack nach Schwein mache das Fleisch ungenießbar. Außerdem verhalten sich Eber bei Geschlechtsreife aggressiv und beißen ihre Rivalen in die Geschlechtsteile, weiß der Landwirt. Luidthardt ist froh, dass das betäubungslose Kastrieren erst mal weiterhin möglich sein könnte. „Bis jetzt gab es einfach noch keine praktikable Lösung“, so der Ingersheimer. Das sieht auch Eberhard Zucker so, der Vorsitzende des Bauernverbands Ludwigsburg-Heilbronn. An der bisherigen Vorgehensweise ohne Betäubung sieht er keine Probleme. „Ich glaube nicht, dass der kurze Schnitt die Ferkel einen Tag später noch stört“, so Zucker, der auf seinem Betrieb zwar keine Schweine hält, sich jedoch noch gut an seine Ausbildung erinnert. Luidthardt sieht auf seinem Hof jeden Tag, dass die Ferkel nach einer kurzen Schrecksekunde zur Mutter gehen und wieder trinken. Für ihn ein Zeichen dafür, dass die Kastration den Ferkeln weniger ausmacht, als viele Tierschützer denken. „Wir können die Tiere zwar nicht fragen, aber würden wir sofort wieder zum Kühlschrank gehen, wenn wir starke Schmerzen hätten?“, fragt sich Luidthardt.

Die Landwirte sind strikt gegen die von Tierschützern präferierte Variante, die Tiere unter Vollnarkose zu setzen. „Das Problem dabei ist, dass die Ferkelaufzucht dadurch Verluste einfährt“, sagt Beck. Denn viele Ferkel wachen nach der Betäubung nicht mehr auf, weiß der Eberdinger Schweinebauer. Andere werden zwar wach, sind dann aber noch so durch den Wind, dass sie sich an die falsche Stelle legen und von den Muttertieren erdrückt werden. Auch die Ebermast lehnen die Landwirte ab. Es gebe immer einen Teil der Tiere, deren Fleisch am Ende unangenehm nach Schwein schmecke, so Beck. Die stinkenden Tiere mit der Nase oder mithilfe von Maschinen auszusortieren, sei keine Lösung. Denn Fehler können dabei passieren und Eberfleisch doch auf dem Teller der Verbraucher landen. Dann könnte der Preis für das Fleisch männlicher Tiere drastisch sinken. „Ich habe Bedenken, dass es dann irgendwann so wie bei den Hähnchen ist“, sagt Beck. „Dass männliche Tiere nichts mehr wert sind.“ Die Immunokastration ist aus Sicht der Bauern auch keine Lösung. „Die Behandlung von Tieren hat keine Akzeptanz beim Verbraucher“, so Beck.

Seiner Meinung nach ist der einzig gangbare Weg der sogenannte „4. Weg“. Auch Luidthardt und Zucker sehen das so. Das Ziel sei es, so Zucker, dass die Landwirte selbst lokal betäuben dürfen – und für diesen Vorgang nicht den Tierarzt holen müssen. Der Vorsitzende der Kreisbauern ist der Meinung, dass eine gemeinsame Lösung gefunden werden muss, die von den Verbrauchern getragen wird, wirtschaftlich sinnvoll für die Landwirte und rechtlich richtig ist. „Die vergangenen Jahre hat man sich nur im Kreis gedreht“, so Zucker. „Jetzt muss man sich an einen Tisch setzen und wirklich darüber diskutieren.“

Für Rüdiger Beck kommt nur eine europäische Lösung infrage. „Es macht keinen Sinn, wenn wir unseren Landwirten immer mehr Vorschriften aufbrummen und in anderen Ländern machen sie so weiter wie wir jetzt“, so der Eberdinger Schweinebauer. Wenn das Mästen von Schweinen in Deutschland immer teurer würde, müssten vor allem kleinere Betriebe aufgeben. In den vergangenen Jahren haben laut Eberhard Zucker bereits ein Drittel der Ferkelerzeuger in Baden-Württemberg aufgehört. „Früher waren die Ferkel aus Hohenlohe Exportschlager“, so Zucker. Jetzt reichen die Tiere aus Baden-Württemberg oftmals nicht mal mehr für die hiesigen Mäster aus. Da wird es nicht lange dauern, bis Ferkel aus Dänemark, Spanien und Polen nach Baden-Württemberg importiert werden, vermutet Beck. „Die Dänen warten nur darauf, dass bei uns das Verbot in Kraft tritt und sie diese Lücke füllen können“, so der Eberdinger. Im Sinne des Verbrauchers sei das sicher nicht. Und Andreas Luidthardt sieht noch ein ganz anderes Problem darin, wenn Deutschland die Ferkel aus anderen Ländern importieren muss. „Im Ausland können die deutschen Tierschützer nichts mehr ausrichten“, so der Ingersheimer Ferkelzüchter. „Dann haben sie die Kontrolle aus der Hand gegeben.“