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Smartphone-Kurs
„Ohne WhatsApp geht nichts mehr“

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Die Jugendreferentin der Ludwigsburger Jugendkirche, Anna Jehle (links), mit den ersten Smartcoach-Teilnehmern. Dass man sich untereinander duzt, ist ihnen wichtig (von links nach rechts): Andrea (61), Nouhalia (15), Gabi (68), Leandra (17), Adelheid (78) und Miriam (17). Alle haben von dem Projekt profitiert, erzählen sie im Gespräch.Fotos: Benjamin Stollenberg/Fotolia
Die Jugendkirche Ludwigsburg hat zusammen mit jungen und älteren Menschen das Projekt „Smartcoach“ entwickelt. Dabei bekommen Senioren von Jugendlichen erklärt, wie ein Smartphone funktioniert. Der Start ist geglückt. Und zwischen den Generationen haben sich sogar Freundschaften entwickelt. Nun soll das Projekt auf breitere Beine gestellt werden.

Ludwigsburg. Ihr erstes Smartphone bekam die 78-jährige Adelheid aus Hoheneck vergangenes Jahr. Ihr Telefon zu Hause hatte eine Störung, die nicht so schnell behoben werden konnte. Aber viel konnte die Seniorin mit dem neuen mobilen Handy nicht anfangen. „Ich tue mir mit technischen Dingen schwer“, sagt sie. Aber Adelheid wollte sich ihrer Scham über die Schwäche stellen, erzählt sie. So entstand die Idee zu „Smartcoach“.

Bereits länger stand Adelheid privat mit Willi Schönauer aus Baden-Baden in Kontakt. Er erklärte ihr, wie der Computer funktioniert. „Wir kamen auf die Idee, dass es ein Angebot geben sollte, bei dem Senioren das Smartphone erklärt wird“, sagt Schönauer, der mit seinem Verein Jugendkirchen-Förderung Baden-Baden bundesweit Projekte an Jugendkirchen anregt. Er wendete sich an die katholische Jugendkirche in Ludwigsburg. Die Idee kam hier sehr gut an. „Wir sind keine klassische Kirche, sondern eine Wohnungskirche“, erklärt Leiterin Anna Jehle das Konzept der Einrichtung in der Solitudestraße. „Sie ist für alle offen, es wird nicht geprüft, ob man getauft ist.“ Der Jugendkirche sei es ein Anliegen, allen Jugendlichen die Chance zu geben, sich gesellschaftlich einzubringen. Da passe das Projekt gut dazu.

Zunächst suchte das Projektteam nach einem Sponsor. Aktion Mensch sagte die Unterstützung für den Start mit 5000 Euro zu. Im nächsten Schritt sprachen Schönauer und Jehle mit Jugendlichen und Senioren, um herauszufinden, wie das Projekt aussehen sollte. „Wir haben festgestellt, dass Jugendliche denken, dass ihr Wissen nicht ausreicht“, sagt die Jugendreferentin. „Man muss ihnen erst klar machen, dass das nicht so ist.“ Auf der anderen Seite erkannte das Team, dass viele ältere Menschen gerne wüssten, wie ein Smartphone funktioniert. „Der Bedarf ist riesig“, sagt Schönauer. Jetzt in den Sommerferien wurde es schließlich konkret. Das Orga-Team warb für eine erste Testrunde. Prompt meldeten sich ein paar jüngere und ältere Menschen. „Damit sich der Einsatz der Jugendlichen lohnt, bekommen sie bei längerer Teilnahme eine kleine Aufwandsentschädigung und ein Zertifikat“, erklärt Jehle. Es folgte ein erstes gemeinsames Treffen, bei dem auch eine Medienpädagogin dabei war. Den jungen Coaches wurde beigebracht, wie man die Technik am besten erklärt, den Senioren wurden erste Grundlagen vermittelt. Schließlich fanden jeweils ein junger und ein älterer Teilnehmer zusammen, die dann selbst entscheiden konnten, wie oft und wo sie sich treffen. „Unsere Räume stehen natürlich zur Verfügung“, so Jehle. Wenn die ersten drei Teams über ihre bisherigen Erfahrungen sprechen, kommen sie schnell ins Schwärmen. „Ich bin total glücklich“, sagt Gabi (68) aus Poppenweiler. „Die Chemie zwischen uns hat sofort gestimmt. Leandra hat das toll erklärt.“ Auch der 17-Jährigen aus Stuttgart gefällt ihre Aufgabe. „Wir treffen uns wie Oma und Enkelin“, sagt Leandra. Ihre Freundin Miriam, auch aus Stuttgart, hatte von dem Projekt erfahren und gefragt, ob sie nicht mitmachen wolle. „Wir haben beide etwas für die Sommerferien gesucht“, erzählt Miriam. Für sie sei es eine Bereicherung, dabei zu sein. Auch Nouhalia beteiligt sich gerne. „Ich freue mich, anderen helfen zu können“, sagt die 15-Jährige aus Zuffenhausen. „Auf die Treffen mit Andrea habe ich mich immer gefreut.“ Nouhalia erklärt der 61-jährigen Poppenweilerin, wie das Smartphone funktioniert. „Wir haben uns gesucht und gefunden“, sagt Andrea. Die Treffen hätten ihr viel gebracht. „Ich hatte eine Hemmschwelle, Apps herunterzuladen.“ Jetzt nutze sie sogar einen Schrittzähler. „Ich weiß gar nicht, wie ich früher ohne WhatsApp ausgekommen bin. Ohne den Kurznachrichtendienst geht nichts mehr.“

Die Jugendlichen erklärten den Senioren bislang zum Beispiel, wie man Klingeltöne ändert, wie man Fotos aus dem Smartphone direkt im Drogeriemarkt druckt, wie man Apps installiert oder wie WhatsApp funktioniert. „Man darf sich nicht vor der Technik verschließen“, sagt Gabi. Der Poppenweilerin half ihre junge Patin sogar bei Problemen mit der Rechnung. „Leandra erklärte mir, dass meine Telefonrechnung viel zu hoch ist.“ Gemeinsam suchten die beiden einen Shop des Anbieters auf und klärten das. „Wenn ich als Oma alleine da hinkomme, ziehen die mich nur über den Tisch“, sagt Gabi.

Adelheid aus Hoheneck war vor allem wichtig, dass sie mit ihren Enkelkindern in Kontakt bleiben kann. „Das geht heutzutage nicht mehr anders als mit dem Smartphone“, sagt die 78-Jährige. Und wenn die sich mal nicht auf eine Kurznachricht melden, weiß Adelheid, wie sie reagieren kann und schickt zum Beispiel einen nachdenklichen Smiley. Prompt kommt die Antwort. „Der soziale Gewinn ist das Lohnendste überhaupt“, sagt die Seniorin. Auch in Bezug auf das Projekt. Eine wichtige Feststellung: „Sich über Generationen hinweg kennenzulernen, ist gar nicht unmöglich.“