1. Startseite
  2. Lokales
  3. Landkreis Ludwigsburg
Logo

Gedenkfeier
Als Ausgrenzung zu Terror wurde

350_0900_20915_COST10_11_14Wolschendorf_32.jpg
Der Synagogenplatz erinnert auch daran, stets für Minderheiten einzutreten. Bild unten: Viele Ludwigsburger gedenken der Opfer. Fotos: Benjamin Stollenberg/Archivfoto: Holm Wolschendorf
350_0900_20916_101118_stollenberg_003.jpg
Der Synagogenplatz erinnert auch daran, stets für Minderheiten einzutreten. Bild unten: Viele Ludwigsburger gedenken der Opfer. Fotos: Benjamin Stollenberg/Archivfoto: Holm Wolschendorf
80 Jahre nach den Novemberpogromen haben zahlreiche Ludwigsburger auf dem Synagogenplatz an die Zerstörung des jüdischen Gotteshauses erinnert. Aus dem Verbrechen müssten Lehren für die Gegenwart gezogen werden, sagte Barbara Traub, Vorstandsvorsitzende der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg.

In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 brannten im gesamten Deutschen Reich die Synagogen. Nur fünf Jahre nach der „Machtergreifung“ der Nazis war die Saat des Hasses aufgegangen, die systematische Ausgrenzung der deutschen Juden schlug in blanken Terror um. Schlägertrupps zogen durch die deutschen Städte, misshandelten, verschleppten und töteten jüdische Mitbürger. Synagogen wurden in Brand gesetzt, Friedhöfe geschändet, jüdische Versammlungsstätten, Geschäfte und Wohnungen geplündert und zerstört.

In Ludwigsburg brach sich der „spontane Volkszorn“, den die Nazis in Wahrheit generalstabmäßig inszeniert hatten, erst am 10. November Bahn. Dann aber bot sich an der Ecke Alleen-/Solitudestraße das gleiche Bild wie andernorts: SA-Schergen zündeten die 1884 erbaute Synagoge an – vor Hunderten von Gaffern, die zu stummen Zeugen des Zivilisationsbruchs wurden.

Am Samstagabend erinnerten zahlreiche Ludwigsburger bei einer Gedenkveranstaltung auf dem Synagogenplatz an die Zerstörung des jüdischen Gotteshauses. Die Novemberpogrome stünden symbolisch für die Vernichtung des deutschen und des europäischen Judentums, sagte Barbara Traub, die Vorstandsvorsitzende der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg. Die Ludwigsburger Synagoge habe am hellichten Tag gebrannt, vor den Augen der Öffentlichkeit, so Traub. Spätestens ab diesem Zeitpunkt sei allen Juden klar gewesen: Überleben war nur durch Flucht möglich. Sechs Millionen europäische Juden konnten nicht fliehen, sie starben in den Konzentrations- und Vernichtungs- lagern.

Die Verbrechen der Vergangenheit seien Verpflichtung in der Gegenwart. „Angesichts der aktuellen politischen Entwicklung müssen wir unseren inneren Kompass immer wieder neu eichen“, sagte Traub. „Wir dürfen nicht schweigen, wenn gegen Flüchtlinge, Juden, Muslime, Homosexuelle oder gegen das ,System‘ gehetzt wird.“ Das von extremer Seite angefeindete „System“ sei nichts anderes als der demokratische Rechtsstaat, der Minderheiten Schutz garantiere. In Ludwigsburg machten Juden heutzutage nur 0,075 Prozent der Stadtbevölkerung aus. Eine so kleine Minderheit sei verwundbar und davon abhängig, dass die Mehrheitsgesellschaft die selbst gegebenen Regeln eines toleranten und respektvollen Miteinanders einhalte.

Auch die muslimische Minderheit werde häufig an den Rand gedrängt, gab Traub zu bedenken. Nach jahrzehntelangen Integrationserfolgen habe es nur eine kurze Zeit der Hetze gebraucht, „bis eine islamophobe Partei mit 15 Prozent in den Stuttgarter Landtag einziehen konnte“. Traub hob die Bedeutung lokaler Initiativen für eine solidarische Gesellschaft hervor. Zumindest in Ludwigsburg leisteten solche Initiativen vielfältige und vorbildliche Arbeit, sagte sie. Der 10. November sei der beschämendste Tag der 300-jährigen Stadtgeschichte, so der Erste Bürgermeister Konrad Seigfried auf der Gedenkveranstaltung. „Die Pogromnacht ist ein Ereignis, das sich niemals auch nur im Ansatz wiederholen darf.“ Deshalb sei es wichtig, mit Veranstaltungen wie diesen sichtbare Zeichen gegen die sich wieder breitmachende Ausgrenzung von Minderheiten zu setzen. „Wir dürfen diesen zutiefst beschämenden Teil der Vergangenheit nicht vergessen“, betonte Seigfried.