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Unterrichtsausfall
Eltern: Katastrophe an Gymnasien

Das neue Schuljahr beginnt – und es gibt nicht genug Lehrerinnen und Lehrer im Kreis. Nach den Schulschließungen wegen Corona drohen damit nun Unterrichtsausfälle aus Personalmangel. Archivfoto: Caroline Seidel/dpa
Das neue Schuljahr beginnt – und es gibt nicht genug Lehrerinnen und Lehrer im Kreis. Nach den Schulschließungen wegen Corona drohen damit nun Unterrichtsausfälle aus Personalmangel. Foto: Caroline Seidel/dpa
„Wir sprechen nicht mehr von G 8, wir reden von G 7“, sagt Michael Mattig-Gerlach. Ein ganzes Jahr Unterricht falle im Laufe einer Schülerkarriere an den Gymnasien des Regierungsbezirks Stuttgart aus. Das habe eine Erhebung der Arbeitsgemeinschaft der Elternbeiräte ergeben, so der Vorsitzende der Arge.

Kreis Ludwigsburg. Der Ton in der Landespressekonferenz war scharf. Mattig-Gerlach, sein Vize Georg Appel und die Stuttgarter Gesamtelternbeiratsvorsitzende Katrin Grix gingen mit dem Regierungspräsidium und dem Kultusministerium hart ins Gericht. Die zuständigen Behörden seien mit Zahlen an die Öffentlichkeit gegangen, die nicht aussagekräftig seien, lautete ihr Vorwurf.

Demnach betrage der Unterrichtsausfall an Gymnasien landesweit nur 5,4 Prozent. Dabei seien 4,1 Prozent an Vertretungsunterricht herausgerechnet worden. Zudem seien die Stichproben zum Schuljahresanfang erhoben worden, als die Lehrerinnen und Lehrer noch frisch erholt, Schwangerschaften im Lauf des Jahres noch nicht absehbar gewesen seien und die Erkältungswelle noch bevorgestanden habe. Exakte, belastbare Zahlen aufzubereiten sei „eine Herkulesaufgabe“, seien die Elternvertreter hingehalten worden. Eine eigene Umfrage der Arge wollte man aber verhindern. „Wir waren bereit, deswegen vor Gericht zu ziehen“, so Mattig-Gerlach.

Appel sagte: „In nur wenigen Wochen haben wir diese Herkulesaufgabe gelöst.“ Fragebögen seien ausgearbeitet und an die Elternvertreter der einzelnen Schulen geschickt worden. Die nämlich hätten Auskunftsrecht. Das Ergebnis ist heftig: Alleine in acht Unterrichtswochen nach den Weihnachtsferien seien 38 225 von 283 300 geplanten Unterrichtsstunden ausgefallen. Das entspreche stolzen 13,5 Prozent. 7,8 Prozent seien ersatzlos gestrichen worden, 5,7 Prozent hätten Vertretungslehrer mit übernommen. Die Korrekturstunden in der Abiturphase seien dabei noch gar nicht berücksichtigt. Die Zahlen müssten deshalb wahrscheinlich noch deutlich höher liegen.

Von den 151 Gymnasien im Regierungsbezirk sind 20 im Kreis Ludwigsburg. Wie viele, welche und mit welchem Ergebnis an der Erhebung der Arge teilgenommen haben, darf Mattig-Gerlach nicht sagen. Das RP habe die Erlaubnis zur Umfrage nämlich an die Bedingung geknüpft, dass keine Schule aus Datenschutzgründen zurückverfolgt werden dürfe. „Aber es waren welche aus dem Kreis Ludwigsburg dabei.“ Rund ein Viertel der Gymnasien, 37, hätten sich letztendlich beteiligt. Die Umfrage sei repräsentativ. Es sei deshalb anzunehmen, dass alle mit ähnlichen Personalproblemen zu kämpfen hätten. Die einen mehr, die anderen weniger. „Aber nur hinter der Kommastelle“, beklagt Mattig-Gerlach „katastrophale Zustände“. Und fordert „Sofortmaßnahmen statt weiterer jahrelanger Diskussionen“.

Den Vertretungslehrern zollt Grix höchsten Respekt, die das zusätzlich zu ihrem Deputat nicht nur leisten würden, sondern auf Anordnung der Schulleitung auch leisten müssten. Mit Mandala ausmalen zu lassen oder Aufgabenblätter zu verteilen, um dann wieder in die eigene Klasse zu verschwinden, sei es nicht getan. Schüler bräuchten für den Lernerfolg einen Bezugslehrer, der ihre Stärken und Schwächen kenne, meint die Gesamtelternbeiratsvorsitzende Stuttgarts. Und wenn Vertretungsstunden unumgänglich seien, dann wenigstens qualitätvoll, Ziel gerichtet und nicht nur eine betreute Beschäftigung.

Wieder wird die Forderung nach mehr Lehrern geäußert. Zum Jahresbeginn müssten es an den Schulen 20 Prozent mehr sein als der theoretische, auf Kante genähte Bedarf. Als Reserve für Krankheiten, Schwangerschaften, Fortbildungen oder Studienfahrten. Referendare und angestellte Lehrkräfte dürften in den Sommerferien nicht länger entlassen werden. Wer sechs bis acht Wochen im Jahr seinen Lebensunterhalt aus eigener Tasche bestreiten müsse, suche sich letztlich bessere Arbeitgeber. Und es müsse eine Initiative für das Studium von Mangelfächern geben. Insbesondere im naturwissenschaftlichen Bereich. Es könnten auch hoch qualifizierte Eltern angeworben werden. Wie viele Lehrer dafür nötig wären und was das alles kosten soll, dazu äußert sich die Arge der Elternvertreter nicht. „Es ist nicht unsere Aufgabe, auch noch die Kalkulation für das Regierungspräsidium und das Kultusministerium aufzustellen“, betont Mattig-Gerlach. Man wolle, dass die Vorschläge ernsthaft geprüft, statt sofort als undurchführbar abgelehnt würden. „Wenn Gymnasiasten an den Hochschulen als ‚nicht studierfähig‘ eingestuft werden, liegt das nicht an den Abiturienten, sondern an ihrer Schullaufbahn“, kritisierte Appel. Es gehe nicht alleine um die Zukunft der Schüler, sondern um die der Wirtschaft in der Region. „Viel mehr als Intelligenz haben wir nicht als Rohstoff.“

Im Herbst ist eine gemeinsame Tagung aller Arges der Regierungsbezirke und Gewerkschaften geplant. Treffpunkt könnte Ludwigsburg sein. „Wir wollen Stimmen und Kräfte bündeln, um der Politik mit der Macht von Millionen Eltern gegenüberzu- treten.“