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Notfallversorgung
Neue Gefahren erfordern neue Strategien

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Viele Organisationen müssen sich derzeit auf Szenarien wie Terroranschläge und Amokläufe vorbereiten: Hier der Terroranschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt 2016.Archivfoto: dpa
Beim Notfalltag sprechen Experten aus den Bereichen Medizin und Rettung über „Terror, Anschlag, Trauma“ – Krankenhäuser brauchen Alarmpläne

Ludwigsburg. Bereits zum neunten Mal haben sich am Samstag in der Reithalle Notfallmediziner, Rettungsdienstpersonal, Klinikmitarbeiter, Feuerwehrleute und Polizisten zum Tag der Notfallmedizin getroffen. Und wie immer hatten die Organisatoren ein brandaktuelles Thema in den Mittelpunkt gestellt. Unter dem Motto „Ludwigsburger Sicherheitskonferenz Terror, Anschlag, Trauma – eine internationale Herausforderung“ ging es diesmal um die Vorkehrungen, die die Notfallmediziner treffen müssen, um der derzeitigen Gefahrenlage gewachsen zu sein.

Schon Landesbranddirektor Dr. Karsten Homrighausen, der die Grüße des Landes und des Innenministeriums überbrachte, setzte zwei Eckpfeiler: „Hundertprozentige Sicherheit kann es nicht geben“ so sein Credo. „Aber wir können Vorsorge für den Fall der Fälle treffen.“ Zum Beispiel dadurch, dass sich alle Beteiligten stets genau absprechen, dass sich die führenden Köpfe persönlich kennen und dadurch genau geplant werden kann, was im Ernstfall zu tun ist.

Mit diesem Ernstfall war das Pariser Hôpital Universitaire Pitié Salpêtriere schon konfrontiert. Nach den Pariser Anschlägen war die Leistungsfähigkeit des Klinikums auf eine harte Probe gestellt. Emanuelle Dolla ist Anästhesistin an diesem Krankenhaus und sie berichtete als erster internationaler Gast des Tages von den Erlebnissen, von den Erkenntnissen und von den Folgerungen und Konsequenzen, die aus den Ereignissen gezogen wurden. Dabei wurde auch klar, dass das zentral verwaltete Frankreich sich mit bestimmten Entscheidungen leichter tut, da es eine klare Entscheidungslinie gibt.

„Wo sind wir gut, was müssen wir verbessern?“, fragte Professor Tim Pohlemann von der Universitätsklinik des Saarlandes in Homburg und nahm die Strukturen unter die Lupe – am Beispiel des Traumanetzwerks in seinem Bereich. Das Traumanetzwerk spannt sich mittlerweile über die ganze Bundesrepublik. Für Baden-Württemberg spielt das Klinikum Ludwigsburg dabei eine wichtige, zentrale Rolle.

Bundeswehr gibt Tipps für schnelle chirurgische Eingriffe

Was in den Vorträgen der anderen Referenten schon angeklungen war, Oberfeldarzt Christian Güsgen vom Bundeswehrkrankenhaus Koblenz sprach es deutlich aus: Im Falle eines Massenanfalls von Verletzten (MANV) gelten andere medizinische Regeln. Während die Notfallmedizin normalerweise versucht, jedem Patienten individuell die bestmögliche Versorgung zu sichern, geht es in einem solchen Fall nicht mehr darum, ein einzelnes Leben zu retten, sondern insgesamt möglichst viele.

Was man in der Katastrophenmedizin schon kennt, die sogenannte Triage, also die Einteilung der Verletzungsgrade und daraus folgend die Reihenfolge der Versorgung, ist im Fall von Terroranschlägen und Amokläufen noch weitgehend unbekannt. Dafür fehlt es an Erfahrungen. Denn in diesen Fällen geht es hauptsächlich um Schussverletzungen und dadurch starke Blutungen, die nur durch rasche Operationen gestoppt werden können.

In solchen Fällen geht es auch um gängige Taktiken wie die Errichtung eines Verbandsplatzes und den raschen Transport von Dutzenden Opfern in Kliniken. Auch kleinere Kliniken müssen heute in der Lage sein, lebensrettende Operationen zügig durchführen. Deshalb wird man sich auch Operationsmethoden bedienen, die im Zeitalter der apparativ hochgerüsteten minimalinvasiven OP-Techniken, schon fast vergessen sind. Einfache, schnelle Lösungen sind gefragt.

Die Bundeswehr bietet deshalb für Chirurgen schon Kurse an, die eben diese alten Methoden vermitteln. Nur diese können, die für Extremlagen notwendige, Effizienz garantieren.

Weitere Vorträge von Yoram Ozer aus Israel, der über die Versorgung von Kriegsopfern aus Syrien referierte und von Professor Silvio Nadalin von der Uniklinik Tübingen gingen ebenfalls auf die chirurgische Versorgung von Attentatsopfern ein.

Wie sich eine Klinik für den Alarmfall, rüsten sollte, erläuterte Dr. Felix Kolibay von der Universitätsklinik Köln. Dort ist er Beauftragter für Alarmfälle. Zu einem effizienten Ablauf gehören für ihn klare Strukturen, durchdachte Kommandoebenen und Verantwortungen, die klare Zuordnung von Räumen und Personal und Alarmpläne, die zuverlässig und ausreichend Personal zur Verfügung stellen. Darüber hinaus sind die Gewährleistung von Informationsflüssen und ein stetiges Überprüfen dieser Parameter notwendig, um das plötzliche Aufkommen von vielen Patienten zu bewältigen. Daneben muss ja auch noch die Regelversorgung aufrecht erhalten werden.

Experten fordern klare

Absprachen für Terrorszenarien

Hier schließt sich der Kreis zu den Erfahrungen der französischen Kliniken, die ebenfalls derartige Strukturen geschärft haben. Und viele der Teilnehmer konnten so mit der Erkenntnis den Tag abschließen, dass die neuen Bedrohungen auch neue Herausforderungen stellen. Diese Herangehensweise wünschen sich die beiden Hauptveranstalter Professor Götz Geldner, Chef der Klinik für Anästhesie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerzthearapie sowie Professor Thomas Schiedeck, Chef der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie.

Die Referenten aus der Polizeiführung hoben hervor, dass diese neuen Herausforderungen klare Planungen und Absprachen benötigen, sowohl für den Einsatzort als auch für die Klinik. Darüber hinaus müssten auch medizinische Kriterien und Vorgehensweisen neu betrachtet werden.