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E-Motionen
Surren klingt wie Zukunftsmusik

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Mit Mythen rund ums E-Auto wollten Händler und Fans des Elektroantriebs auf dem Rathaushof aufräumen.
Thementag E-Mobilität auf Rathausplatz – Autohäuser zeigen Neuheiten – Besitzer berichten über Erfahrungen

Ludwigsburg. Wie kann in einer Stadt wie Ludwigsburg der Verkehr der Zukunft aussehen? Das war beim Thementag E-Mobilität gestern auf dem Rathaushof zu sehen – und vor allem zu hören.

Nur ein leises Surren statt Dröhnen und Knattern war zu vernehmen, als Christian Jog auf sein Motorrad stieg und eine Runde drehte. Der Stuttgarter ist seit Herbst 2014 Besitzer eines Elektromotorrades des amerikanischen Herstellers Zero. „Damit kann ich ruhigen Gewissens an der Feinstaub-Mooswand am Stuttgarter Neckartor vorbei fahren“, erzählte das Mitglied des Vereins Elektrify Baden-Württemberg. Einen Auspuff hat sein Zweirad nicht und erzeugt folglich keine Abgase. Am Samstag sind er und ein gutes Dutzend weiterer E-Motorradfahrer vm Ludwigsburger Rathausplatz zum Nightride nach Stuttgart gestartet.

Ob vom Hersteller Johammer aus Österreich, Zero oder Brammo: Mit ihnen wird man wohl nie eine Tankstelle ansteuern, es sei denn zum Überprüfen des Reifendrucks. Denn alle laufen mit Strom. „Beim Stopp an einer Ampel kann man sich in Ruhe mit seinen Kumpels unterhalten“, schwärmte ein E-Motorradbesitzer von Ausfahrten. Dabei sind die Maschinen so PS-stark, dass sie beim Start locker auch Sportwagen abhängen. „Man muss im Gegensatz zu einem Motorrad mit Verbrennungsmotor nicht kuppeln und kann sich voll auf das Fahren konzentrieren“, so Jog. Auch die Natur lasse sich auf einem Untersatz, der als einziges Geräusch ein leises Surren von sich gibt, besser genießen. Jog sprach von einem „echten Easy-Rider-Gefühl“.

Mal abgesehen von den fehlenden Abgasen. Der hohe Anschaffungspreis – eine Zero ist zwei bis drei Mal so teuer wie ein vergleichbares Motorrad mit Verbrenner – wird durch die günstigen Unterhaltungskosten aufgewogen.

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Für die Fahrt einer 100 Kilometer langen Strecke kalkuliert Jog mit Kosten von maximal 2,50 Euro. Bei acht bis neun Euro liegen dagegen die Kosten für Benzin. Um nicht überhört zu werden, setzen E-Easy-Rider übrigens auf Fahrradklingeln.

„Wir wollen mit Mythen rund ums Elektroauto aufräumen“, sagte Ulrich Schmidt. Der Reutlinger ist seit dreieinhalb Jahren Besitzer eines Tesla Model S und Vorstandsmitglied bei Elektrify Baden-Württemberg. Neun Besitzer von Elektroautos präsentierten ihre Fahrzeuge gestern auf dem Rathausplatz. „Damit bin ich schon bis zum Nordkap und nach Schottland gefahren“, erzählte er. 400 Kilometer bei Tempo 80 und 300 Kilometer auf der Autobahn könne er mit dem Fahrzeug made in USA locker zurücklegen.

„Das sind viel mehr als nur Stadtautos“, pflichtete ihm Martin Groß bei, der mit seinem Renault Zoe täglich zu seinem 100 Kilometer entfernten Arbeitsplatz pendelt. Ob jemand vom E-Auto wieder auf ein Fahrzeug mit Verbrennungsmotor umsteigen würde? Heftiges Kopfschütteln war die Antwort.

Julius Emrich vom Autohaus Weller geht davon aus, dass es schon in wenigen Jahren einen „signifikanten Marktanteil“ von Fahrzeugen mit Elektroantrieb und Brennstoffzellen geben wird. Das Lieferfahrzeug Streetscooter, das im Auftrag der Deutschen Post entwickelt wurde und erst seit einigen Monaten an Dritte verkauft werden darf, erfreue sich großer Beliebtheit. „Es gibt Bäckereien, und Metzgereien, die damit ihre Filialen beliefern“, so Emrich.

Auch in der Landwirtschaft, auf Baustellen und im Werksverkehr sind die Scooter gefragt. „Man muss nicht grün sein, sondern einfach gut rechnen können, damit man sich so ein Fahrzeug anschafft“, so der Experte. Ein Motorrad und Klappmofas standen auf dem Rathaushof außerdem für fast lautlose Testfahrten bereit.

Heinz Handtrack, bei der Stadt Ludwigsburg für das Thema nachhaltige Mobilität zuständig, kündigte an, dass ein Lieferscooter in der nächsten Woche bei den Technischen Diensten getestet werden soll. Die Elektrifizierung der kommunalen Fuhrparks werde aus Mitteln des Aktionsplans „Saubere Luft“ gefördert. Handtrack geht davon aus, dass schon in zehn Jahren bis zu 25 Prozent der Fahrzeuge, die auf den Straßen in Ludwigsburg unterwegs sind, mit Strom gespeist werden.

Eine Renaissance erlebt die Schwalbe, ein Motorroller, der in der ehemaligen DDR verbreitet war. Andrea Grewe von der Robert Bosch GmbH und ihre Kollegen präsentierten die elektrifizierte Neuauflage: Der Hersteller, die Firma Govecs in München bezieht das Antriebssystem von Bosch in Ludwigsburg. Emmy, der Elektoroller-Sharing, in Berlin und München anbiete, wolle die roten Schwalben demnächst auch in Ludwigsburg mit Hilfe einer App verleihen, so Andrea Grewe. Das wäre ein weiterer Beitrag zu Surren statt Motordröhnen auf den Straßen.