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Oldtimer-Saisonauftakt
Trabbis tuckern und der Rolls flüstert

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Flotte Flitzer ziehen Autofans magisch an.Foto: Holm Wolschendorf
Die Fangemeinde wächst: Zum Saisonauftakt der Retro Promotion auf dem Parkplatz des Breuningerlandes waren über 700 Oldtimer gemeldet. 300 mehr als im vergangenen Jahr, sowohl automobile Diven als auch Brot- und Butter-Autos.

Ludwigsburg. Amerikanische Muscle Cars heulen, britisches Understatement mit Rolls Royce flüstert, der VW-Bulli knattert und der Turbolader des 7,5 Tonnen schweren Vietnamveteranen pfeift, während der Porsche hochtourig röhrt, der Pickup blubbert, die Italiener krächzen atemlos, der Trabbi tuckert und das T-Modell von Ford nagelt. Dazu macht das historische Feuerwehrauto „Tatütata“ und die Presston-Sirene des Volkspolizei-Wartburg aus DDR-Zeiten jodelt. Es ist eine Symphonie der Mobilität. Gespielt von einem Orchester auf 3000 Rädern.

Familie Borgward feiert den 60. Geburtstag des Isabella Coupé. Ein sportlicher Traum in Rot, der mit seinen 75 PS schon manchen Mercedes von der Überholspur scheuchte. „Den hat Carl Borgward selbst in Plastilin designed“, erzählt Michael Seitz von den Borgward-Freunden. Einen Prototyp schenkte Borgward 1957 seiner Frau zu Weihnachten.

Neue Ehren für den Borgward

Selten ist auch der in blaumetallic lackierte Kombi. Als Borgward 1962 schließen musste, waren die Autos aus Sorge vor Ersatzteilmangel plötzlich nichts mehr wert. Als Handwerker-Auto wurden sie runtergeschlampt und irgendwann verschrottet. Dabei kostete eine Limousine einmal so viel wie drei VW Käfer. Seitz findet es gut, dass die Chinesen jetzt einer fast vergessenen Marke wieder einen Namen geben. Zum Jubiläum wird „Retro Classic meets Barock“ im Juni im Hof des Residenzschlosses Borgward ein Sonderfeld widmen.

Bubi-Blau und Creme-Weiß strahlt ein amerikanischer Pickup in der Sonne. Die Chromleisten blitzen. Der Ford, Baujahr 1965 hat noch einen größeren Bruder, dabei hat er bei einer Gesamtlänge von fünf Metern selbst schon 210 PS und ist mit „nur“ 5,8 Litern Hubraum ein kleiner Säufer, der 20 Liter auf 100 Kilometer schluckt. Dennoch will Thorsten Schilling das „Walton“-Feeling wie in der gleichnamigen TV-Serie nicht missen.

Thomas Sülzle hat einen Wartburg der DDR-Volkspolizei aus einem brandenburgischen Feuerwehrmuseum ergattert. Er ist voll ausgerüstet wie 1985. Mit Blaulicht, ungarischer Sirene und Lautsprecher auf dem Dach, Sprechfunk, Signalstäben und Mütze im Inneren sowie dem Komplettpaket im Kofferraum. Mit 50 PS und maximal 130 km/h wurden Verbrecher gejagt. „Ich errege freundlich-amüsiertes Aufsehen“, beschreibt der Kornwestheimer Ausfahrten mit seinem blechernen „VoPo“.

„Wir erleben gerade einen Generationenwechsel in der Oldtimer-Szene“, sagt Retro Promotion Chef Karl-Ulrich Herrmann. Vorkriegsfahrzeuge seien so gut wie tot. „Der echte Fan hat seine Sammlung komplett und der Rest der Szene hat keinen Bezug mehr zu ihnen.“ Abgesehen davon, dass die kaum noch einer fahren könne.

Preise haben sich verdoppelt

Gefragt seien heute Fahrzeuge der 1970er und 1980er Jahre. Viele Käufer wollten sich einen Kindheitstraum erfüllen. Am besten noch aus dem eigenen Geburtsjahrgang. Bei bestimmten Modellen von Mercedes – 190 SL und Pagoden – hätten sich die Preise in den letzten Jahren verdoppelt. Auch der Wert von Porsche 911er sei immens. Oldtimer seien generell beliebt, weil sie verständlich seien. Moderne Geräte in schnelllebigen Zeiten wie das Smartphone dagegen würden benutzt, aber blieben seinem Benutzer fremd.

Auch Zweiräder waren vertreten. Wie Paul Schilling mit seiner elf PS starken Victoria. Die war in den 1950er Jahren günstiger Ersatz fürs Auto. Er hat das Motorrad vor zehn Jahren von einem Schlosser bekommen. Der war damit lange Zeit auf Kundenbesuch unterwegs. Material und Werkzeug hatte er in den Satteltaschen und im Rucksack. Auf dem Kopf trug er einen Eierschalen-Helm mit Brille.

Zu den 700 gemeldeten Fahrzeugen gesellten sich noch ein paar hundert „Spontane“. Den Damen, die beim verkaufsoffenen Sonntag im Breuningerland einfach nur shoppen wollten, fiel es schwer, die Gatten vom riesigen Oldie-Festival wegzulotsen. Zudem die Wilfried Steer und Detlef Krehl – beide Experten historischer Automobile – wirklich zu jedem Auto technische Details und Anekdoten zu erzählen wussten. Und dazu sang dann der Chor der Motoren die vertrauten Melodien.