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Briefwahl
Unterlagen kommen nicht: Kein Kreuz im Wahllokal

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Knapp, aber rechtzeitig beantragt und doch nicht rechtzeitig im Briefkasten: Ein Marbacher hat Ärger mit der Briefwahl.Foto: Bernd Wüstneck/dpa
Andreas Roll ist geschockt: „Ich habe unfreiwillig die AfD mitgewählt“, sagt er, denn das Vorstandsmitglied der Marbacher Grünen hat überhaupt nicht gewählt. Genauer gesagt: Nicht wählen können. Was ist da passiert?

marbach. Die beantragten Briefwahlunterlagen lagen nämlich erst gestern, einen Tag nach der Wahl, im Briefkasten. Die Frage ist jetzt: Wer hat geschlampt?

Was am Wahltag und in den Tagen davor geschehen ist, schildert Andreas Roll im Gespräch mit unserer Zeitung und in einer E-Mail an den Bundeswahlleiter so: Am Donnerstag vor dem Wahltag, also am 21. September um 10.20 Uhr hat Roll für sich und seine Frau im Internet auf der Antragsseite der Stadt Marbach Wahlscheine zur Briefwahl beantragt, weil nicht sicher war, ob das Ehepaar am Sonntag in Marbach sein würde, um wählen zu gehen. Die Onlineplattform meldete, dass die Wahlscheine erfolgreich ausgestellt worden waren. Jedoch: sie kamen im Hause Roll nicht an. Da das Ehepaar nun am Wahltag doch in Marbach war, begab es sich zum Wahllokal, wo sich herausstellte, dass sie dort nicht persönlich wählen konnten. Weil bereits Briefwahlunterlagen beantragt waren, waren Rolls mit dem Vermerk „W“ in der Wahlliste eingetragen, was eine persönliche Wahl ausschließt. Dieses Vorgehen dient dazu, eine doppelte Wahl und Wahlbetrug auszuschließen.

„Da es sich um ein Grundrecht handelt, wollte ich das so nicht stehen lassen und verabredete mich mit dem zuständigen Wahlleiter im Rathaus Marbach zum persönlichen Gespräch“, schreibt Roll an den Bundeswahlleiter. Die fehlende Zustellung der Briefwahlunterlagen wollte Roll nicht als Begründung akzeptieren, „das Wahlrecht auf diese Weise auszuhebeln.“ Bis um 12 Uhr am Tag vor der Wahl – also am Samstag – hätte die Möglichkeit bestanden, im Rathaus einen neuen Wahlschein ausstellen und den ursprünglichen für ungültig erklären zu lassen. Diese Frist habe man dem Wahlbenachrichtigungsschreiben aber nicht entnehmen können, kritisiert Roll. Auch ein Verweis auf öffentliche Aushänge habe gefehlt. Auf so eine wichtige Frist müsse man doch deutlich hinweisen, findet der verhinderte Wähler.

Gestern steckten die Briefwahlunterlagen nun im Rollschen Briefkasten, frankiert von der Stadt Marbach und abgestempelt am 21. 9. 2017, also am Donnerstag vor der Wahl.

Andreas Seiberling, der Leiter vom Ordnungsamt der Stadt Marbach bestätigt auf Nachfrage unserer Zeitung, dass die Briefwahlunterlagen noch am gleichen Tag, an dem sie beantragt worden waren, zur Post gegeben worden seien – was der Poststempel auch beweist. „Das tut uns furchtbar leid“, sagt Seiberling, wirft Roll aber auch vor, die 12-Uhr-Frist am Samstag versäumt zu haben und wundert sich: „Wenn meine Briefwahlunterlagen nicht rechtzeitig kommen, dann warte ich doch nicht bis zuletzt, sondern unternehme etwas.“ Und die Frist stehe schließlich in allen Wahlbekanntmachungen; die allerdings muss man sich einigermaßen mühsam heraussuchen: in den örtlichen Zeitungen, im Internet. „Wir hatten so einen Fall noch nicht“, sagt Andreas Seiberling.

Andreas Roll hat andere Erfahrungen gemacht. Mit sieben Personen habe er inzwischen gesprochen, die auch keine Briefwahlunterlagen erhalten haben und im Hörnle wohnen. „Wenn man das mal hochrechnet, kommen schon einige Stimmen zusammen“, überschlägt er. Im schlimmsten Fall könne eine „kriminell motivierte Person“ bei der Postverteilung Wahlbriefe aussortieren und so das Wahlrecht unterlaufen. Roll überlegt jetzt, sich einer Sammelwahlanfechtung anzuschließen – wenn es so etwas gebe.