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trollinger-Dilemma
Weg vom Image des Zechweins

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Der Trollinger hat volle Beeren. Manche finden, diese gehören in den Obstkorb und nicht in die Flasche.Foto: Alfred Drossel
Schwäbische Viertelesschlotzer lieben den Trollinger. Er genießt hierzulande Tradition. Doch viele Weinkenner achten ihn nicht. Ambitionierte Wengerter stehen vor einem Dilemma: Sollen sie ihn austauschen gegen andere Sorten? Der Trollinger hat ein Problem.

Kreis ludwigsburg. Trollinger-Reben stehen auf den besten Lagen Württembergs. Sie brauchen viel Sonne und nährstoffreiche Böden. Etwa 20 Prozent der Anbaufläche in Württemberg sind mit Trollinger belegt. Im Glas entpuppt er sich jedoch als einfacher Trinkwein, als Inbegriff des schwäbischen Vierteles. Die Weinberge im Enz- und Neckartal stehen vor einem Umbruch.

Weltklasse-Wengerter Ernst Dautel aus Bönnigheim reagiert, indem er und sein Sohn Christian die Trollinger-Fläche stark reduzieren, auf zuletzt einen halben Hektar. Stattdessen wachsen auf den Lagen jetzt Riesling und Lemberger, Rebsorten mit Potenzial. Der Grund sei einfach, sagt Ernst Dautel: „Der Trollinger ist eine regionale Spezialität, ein leichter Vesperwein.“ Man schätze die Tradition, „aber mit dieser Rebsorte werden wir unsere Region nicht weltweit an die Spitze bringen“.

Mit 150 Hektar Trollinger im Anbau – das sind 20 Prozent der Gesamtfläche der Felsengartenkellerei, davon 30 Hektar in den terrassierten Steillagen – sei die Frage ob der Bedeutung der Rebsorte Trollinger für die Felsengartenkellerei in Hessigheim obsolet, betont hingegen deren Vorstandsvorsitzender Dr. Götz Reustle. Dem Trollinger hafte in der Branche ein zwiespältiges Image an, räumt Reustle ein. Einerseits sei er über viele Jahre hinweg die „Cashcow“ für die Württemberger Wengerter gewesen. Andererseits bestünden vor allem außerhalb Württembergs Zweifel an seiner Eignung als Rotwein.

Die Zeiten haben sich geändert: Die klassischen und treuen Trollinger- und Trollinger-Lemberger-Trinker werden weniger oder konsumieren weniger. Und das, obwohl die Qualität der Weine gerade auch im Literbereich gegenüber früher deutlich besser geworden ist. „Leider haftet dem Trollinger noch immer sein altes Image eines dünnen Zechweins an“, betont Reustle. Manche täten ihn sogar als „Saufwein“ ab.

Dieses Image stammt aus Zeiten, als die Schwaben ihren Wein im Wesentlichen selbst getrunken haben und der Trollinger mit seiner Ertragssicherheit und seinen gegenüber heute oftmals exorbitanten Erträgen eine sichere und auch üppige Einnahmequelle für die Wengerter war. Reustle ist der Meinung, dass der Trollinger, so wie er heute im Weinberg produziert und in den Kellern der Genossenschaften und Weingüter ausgebaut werde, sehr gut ins Geschmacksprofil vieler Konsumenten passe und durchaus noch seine Daseinsberechtigung in der Vielfalt deutscher Weine habe.

Sehr eng verbunden mit dem Trollinger ist auch das Schicksal der Steillagen in Württemberg. In Zeiten hoher Erträge gedieh der Trollinger nur in den besten Weinberglagen, in den terrassierten Steillagen besonders entlang der Flüsse. Dort steht der Trollinger heute noch mit einem Anteil von nahezu 90 Prozent. Und er war jahrelang die Versicherung für gute Weingeldzahlungen. Mittlerweile hat sich das Klima verändert, die Lese ist im Schnitt zwei Wochen früher als noch vor 20 Jahren. Verbunden mit der Ertragsreduzierung zur Qualitätssteigerung führt dies dazu, dass der Trollinger in diesen besonderen Lagen zu früh und zu Unzeiten reift. Er verliert dadurch seine Typizität und ist gegenüber Fäulnis besonders gefährdet.

Gibt es einen Weg aus dem Trollinger-Dilemma? Götz Reustle: „Die gerne formulierte Lösung, Trollinger-Anlagen zu roden und andere Sorten anzubauen, ist ein Vorschlag derer, die nur einen Teil ihrer Ernte auf der Flasche vermarkten und den Rest dem Offenweinmarkt zur Verfügung stellen. Wer rodet, muss auch wissen, was er danach anbaut, was für die Lage geeignet ist und was der Markt aufnehmen kann.“ Der Trollinger habe weiterhin das Potenzial zu einer positiven Württemberger Marke. In seiner ihm typischen und unkomplizierten Art stehe er für Leichtigkeit, Trinkgenuss und Regionalität, betont Reustle.

Es werde sehr lange dauern, bis der Weinbau in den Steillagen weg vom Trollinger hin zu Sorten wie Lemberger oder zu den Cabernet-Sorten komme, vermutet Reustle. Zu aufwendig in finanzieller und körperlicher Hinsicht sei der Weinbau in den Steillagen, und entsprechend zurückhaltend seien die Wengerter bei der Entscheidung, den Weinbau unter diesen Rahmenbedingungen fortzusetzen. Die Zeiten, da der Trollinger in den Steillagen das wirtschaftliche Rückgrat des Weinbaus in Württemberg war, sind aber vorüber. Sorten mit höherem Vermarktungspotenzial stehen zur Verfügung, der Wechsel hin zu diesen Sorten braucht indessen Zeit – nicht nur aus Sicht des Wengerters, sondern auch aus Sicht der Vermarktung.

Für die Wengerter des Mundelsheimer Käsbergkellers bleibe der Trollinger noch über Jahre hinweg der Hauptwein, sagt Friedrich Fink von den Weingärtnern Lauffen, zu denen die Mundelsheimer gehören. Man habe mit dem Trollinger keine Vermarktungsprobleme und es gebe auch Trollinger-Weine im gehobenen Bereich. Fink räumt jedoch ein, dass es irgendwann einmal einen Sortenwandel im Neckartal geben werde.

Dr. Herbert Müller vom Consortium Montis Casei – einem Steillagen-Verbund mehrerer Güter mit Sitz in Hessigheim – stellt fest, dass der Trollinger nach wie vor bei den Konsumenten beliebt sei. Die Nachfrage sei ungebrochen, allerdings ganz überwiegend in den Supermärkten, wo der Trollinger für 3,49 Euro angeboten werde. Die Kunden kauften aber nicht genug Wein bei den Weinerzeugern direkt, wo sie „fünf Euro plus“ für den Liter zahlen müssten. Und das sei das Problem: Die Genossenschaften würden vom Einkaufsoligopol des Handels immer weiter heruntergehandelt. Die Genossenschaften sollten dem eine schlagkräftige Vertriebsstruktur entgegensetzen, sagt Müller. Diese gebe es bereits in Form der WZG. Falsch sei der sinnlose Wettbewerb zwischen den Genossenschaften um jeden Regalmeter Verkaufsfläche.

Nach Ansicht von Müller gibt es für die Steillagen nur eine Lösung: schrittweise weg von Trollinger und hin zu höherwertigen Rebsorten. Es gebe zwar eine einmütige Meinung der Weinerzeuger entlang des Neckars, es mangele aber an der Umsetzung, betont Müller.