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Rockfabrik
Abschiedsparty: Die Hoffnung stirbt zuletzt

Trotz steigender Inzidenz soll alles öffnen – auch Discos. Wer nicht geimpft ist, muss dort aber einen PCR-Test vorweisen.Archivfotos: LKZ
Trotz steigender Inzidenz soll alles öffnen – auch Discos. Wer nicht geimpft ist, muss dort aber einen PCR-Test vorweisen. Foto: LKZ
Abschiedskonzert 2019 in der Rofa. Foto: Holm Wolschendorf
Abschiedskonzert 2019 in der Rofa. Foto: Holm Wolschendorf
Der Zuspruch zur „Farewell Live Night“ übertrifft alle Erwartungen – Fans der Kultdiskothek würden auch einem neuen Standort die Treue halten

Ludwigsburg. „We’re not gonna take it, we’re not gonna take it, we’re not gonna take it anymore“ skandiert die Menge. Immer wieder. Das Sextett auf der Bühne hat den Song soeben gespielt, nun möchte Alexx Stahl, Sänger der Ingolstädter Band Bonfire, den Refrain nochmals aus dem Publikum hören. Das lässt sich nicht lange bitten: Wie aus einer Kehle schallt der Publikumschor zurück.

Und der Slogan des Twisted-Sister-Hit von 1984 passt ja auch nur zu gut zur Situation: „Wir werden das nicht schlucken!“ Es ist der vorletzte Samstag in der Rockfabrik, die zum Jahresende nach 36 Jahren ihre Pforten schließen muss (wir berichteten).

Die „Farewell Live Night“ ist mehr als gut besucht: Bereits um neun stand die Schlange vor der Tür bis zur Porsche-Ansiedlung, erzählt Wolfgang „Hasche“ Hagemann, der seit 32 Jahren das Booking der Rockfabrik verantwortet und nun hinter dem Drumset Platz nimmt. Bis 1987 war Hagemann Schlagzeuger der Hamburger Heavy-Metal-Band Running Wild, in Gary Moores „Parisienne Walkways“ und Journeys „Separate Ways“ zeigt er an der Seite von Yukon-Frontmann und Bassist Joe Maas sowie Primal-Fear-Gitarrist Tom Naumann, dass er seit dieser Zeit nichts verlernt hat. Für ihn und die meisten Musiker sei dies ein Abend der gemischten Gefühle, so Hagemann nach seinem Auftritt. Martin Kesici, der Sieger der TV-Show „Star Search“ von 2003, ist genauso im Backstage-Raum zu finden wie Matt Sinner, der musikalische Direktor von „Rock meets Classic“, oder Ralf Scheepers, der mit Sinner 1997 Primal Fear gegründet hat.

Ein zweiter Drummer habe in den Kulissen bereitgestanden, für den Fall, dass er wieder von seinen Gefühlen übermannt würde, gibt Hagemann zu: „Die eine oder andere Träne ist heute bereits bei mir geflossen.“ Nachdem er sich mit vollem Herzblut ein halbes Leben der Rockfabrik gewidmet hat, fällt der Abschied schwer.

Da ist es ein tröstlicher Aspekt, dass er sich künftig in Thailand als Geschäftsführer eines Live-Clubs mit dem Namen Rock Factory (was nichts anderes heißt als Rockfabrik) betätigen wird. Der Besitzer ist ein ehemaliger Stammgast, den er zuvor nicht gekannt und zufällig bei einem Urlaub in Pattaya getroffen habe.

Auch schon seit einem Vierteljahrhundert prägt DJ Eddy das Profil der von ihren Fans liebevoll Rofa genannten Diskothek, an diesem Abend fungiert der hünenhafte Mann mit Lederhut als Moderator dieser Live-Night.

Auch für die meisten Besucher ist der Abend emotional, viele kommen seit Jahrzehnten und legen nicht selten beträchtliche Entfernungen zurück, um hier zu feiern. Für sie stellt die Rockfabrik eine Institution dar. Andy ist seit zwei Jahren Stammgast und freut sich, den Club noch einmal so „anstrengend voll“ zu erleben: „Bereits als ich zum ersten Mal hier reingekommen bin, habe ich mich zuhause gefühlt.“ So sieht das auch Didi aus Crailsheim, der die Rockfabrik vor 28 Jahren für sich entdeckt hat und seitdem alle zwei Monate kommt. „Unsere große Familie! Die Leute in der Metalszene sind einfach lockerer drauf als in einer normalen Disco“, sekundiert Didi, der einen Zylinder und schwarze Handschuhe trägt.

Dass einige der DJs ins Waldhaus gewechselt haben, wird in der Szene durchaus registriert. Sicher werde man sich das mal anschauen, aber es werde nie das sein können, was es einmal war: „Die Rockfabrik kann man nicht ersetzen“ – darin sind die Fans sich einig. Auch einem neuen Standort in Bietigheim würden sie im Zweifel die Treue halten. Dennoch hat ihre Heimat immer noch eine feste Adresse: „Ich spiele schon fleißig Lotto, um den Laden aufzukaufen, damit es hier weitergeht“, sagt ein Fan. Auch hier gilt: Die Hoffnung stirbt zuletzt.