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Projekt für junge Erwachsene
„Connect“ verbindet Geflüchtete mit gleichaltrigen Ludwigsburgern

Die Stimmung am Tischkicker ist ausgelassen. Wer keine Lust auf Action hat, zieht sich an die Theke zurück, die im hinteren Bereich zu sehen ist. Foto: Holm Wolschendorf
Die Stimmung am Tischkicker ist ausgelassen. Wer keine Lust auf Action hat, zieht sich an die Theke zurück, die im hinteren Bereich zu sehen ist. Foto: Holm Wolschendorf
Jakob Stumm, Patrick Burtchen und Daniela Pöse (von links). Foto: Holm Wolschendorf
Jakob Stumm, Patrick Burtchen und Daniela Pöse (von links). Foto: Holm Wolschendorf
Das Projekt „Connect“ soll junge Erwachsene mit und ohne Fluchterfahrung verbinden. Dieses Angebot der offenen Jugendarbeit hat stark unter den Beschränkungen während der Coronazeit gelitten. Jetzt soll es weiterentwickelt werden. Die Finanzierung durch die Stadt Ludwigsburg ist bis Ende August 2025 gesichert. Das Projekt läuft seit dem Jahr 2016.

Ludwigsburg. Bei den zwei jungen Frauen und den drei jungen Männern am Tischkicker herrscht ausgelassene Stimmung. An der Theke geht es dagegen ruhiger zu: Hier lassen sich die Besucher Limonade oder Tee schmecken, schauen auf ihr Smartphone und unterhalten sich. Im Café „Connect“, das dienstags und donnerstags von 16 bis 20 Uhr geöffnet ist, treffen sich junge Erwachsene mit und ohne Fluchterfahrung. Angesprochen wird die Altersgruppe der 18- bis 27-Jährigen, die für ein klassisches Jugendzentrum zu alt ist, sich aber trotzdem einen Treffpunkt wünscht.

„Hier muss es keine Action geben. Es ist schön, dass die Besucher einfach zum Quatschen kommen können“, findet Sozialarbeiterin Daniela Pöse. Der offene Charakter dieses Angebotes erlaube den Besuchern, das zu tun, worauf sie Lust haben. „Einige kommen hierher, um andere Menschen zu treffen und sich auszutauschen. Andere wollen lieber ihre Ruhe haben.“ Neben Daniela Pöse ist Jakob Stumm für dieses Projekt tätig.

Die Räumlichkeiten der Villa Barrock bieten aber auch Raum für kreatives Arbeiten und andere Aktivitäten. Das Angebot von „Connect“ beschränkt sich allerdings keineswegs auf die Treffen in der Villa Barrock. Vielmehr stehen an den Wochenenden gemeinsame Aktivitäten und Ausflüge auf dem Programm. Dazu gehören der Besuch des Festivals „About Pop“ in Stuttgart, Graffiti-Workshop, Minigolf oder ein Ausflug zur Wilhelma. „Wir fragen die Besucher, was sie gerne machen möchten“, so Daniela Pöse. Dabei soll es auch darum gehen, die Umgebung besser kennzulernen. Das gilt für deutsche junge Erwachsene ebenso wie Geflüchtete, die noch nicht lange in Deutschland leben. „Ein Besucher, der hier um die Ecke wohnt, nutzt das Angebot, um Deutsch zu sprechen“, beschreibt Jakob Stumm.

Angebot in entspannter Atmosphäre, um Anschluss zu finden

Patrick Burtchen, Leiter der Abteilung Jugend im Fachbereich Bildung und Familie, erinnert im Gespräch an die Idee, die diesem Projekt zugrunde liegt. Hintergrund war der Zuzug von Flüchtlingen im Jahr 2015. Durch Freizeitangebote sollte jungen erwachsenen Flüchtlingen die Möglichkeit geboten werden, mit Gleichaltrigen, die bereits längere Zeit in Ludwigsburg leben und Anschluss an eine Gruppierung suchen, Kontakte zu knüpfen. Hier steht man in Kontakt mit den Hochschulen. Auf der anderen Seite sollen pädagogisch begleitete Freizeitaktivitäten Orientierung geben und eine Anlaufstelle bei Problemen darstellen. „Gerade für junge Erwachsene ist es manchmal schwierig, Anschluss zu finden,“ so Burtchen. Das funktioniere fast nie, ohne etwas zu konsumieren – sei es in einem Club oder in einer Kneipe.

Beim offenen Treff in der Villa Barrock ist das anders: Niemand muss etwas verzehren. Und falls jemand etwas trinken möchte, dann zu sehr erschwinglichen Preisen: Ein Getränk kostet einen Euro. An einigen Tagen gibt es auch ein kleines Speiseangebot. Zu dem offenen Jugend-Café in der Villa Barrock kommen zwischen zehn und 15 junge Erwachsene, so Pöse, die ebenso wie Jakob Stumm auf Augenhöhe mit den Besuchern kommuniziert. Jeder, der Lust hat, kann sich hier einklinken und die Räumlichkeiten der Villa Barrock nutzen, die für den offenen Treff reaktiviert worden sind.

Es gibt noch viele andere Themen außer Flucht

Bei schönem Wetter finden die Aktivitäten draußen in dem kleinen Garten statt: Dort wird dann eine Tischtennisplatte aufgestellt oder Wikingerschach gespielt. Der Veranstaltungsraum wird für Veranstaltungen genutzt, wie für Filmvorführungen. Das Thema Flucht ist eigentlich keines, wie Daniela Pöse erläutert: „Wenn sich Gespräche zur Fluchterfahrung ergeben, ist das toll, das muss aber nicht sein. Es gibt noch viele andere Themen.“

„Ich komme hierher, um Leute kennenzulernen“, sagt ein 28-jähriger Besucher, der aus Afghanistan stammt. Im Sommer draußen zu sein, das mache ihm besonders viel Spaß. Um Tee zu trinken und Kontakte zu knüpfen, kommt auch ein 26-Jähriger ins Café „Connect“. Er ist vor sieben Jahren aus Afghanistan geflüchtet, kommt seit vier Jahren zu den Treffen. Hier erhalte er auch Hilfe bei seinen Bewerbungen, erzählt er.

Einer 21-Jährigen gefällt die Vielfalt des Angebotes und die Möglichkeit, andere Menschen kennenzulernen. Auf „Connect“ in der Villa Barrock ist sie durch den Veranstaltungsraum aufmerksam geworden: Dort kann sie tanzen.

Die Schließung des Cafés während der Coronapandemie sei ein harter Schlag für die Stammbesucher gewesen, so Burtchen. „Corona war ein Killer für die Jugendarbeit, die von persönlichen Begegnungen lebt“, fügt er hinzu – auch wenn in Kooperation mit der städtischen Kinder- und Jugendarbeit digitale Angebote geschaffen worden seien. Seit Beginn des Ukraine-Krieges im Februar vergangenen Jahres haben Daniela Pöse und Jakob Stumm zudem Amtshilfe bei der Erstberatung für Flüchtlinge aus der Ukraine geleistet.

Ergänzung zum neuen Jugendtreff im ehemaligen Stadtbad

Erst seit Juli dieses Jahres ist „Connect“ wieder voll durchgestartet. Allerdings wird Daniela Pöse nur noch wenige Wochen im Einsatz sein, sie widmet sich einer neuen beruflichen Aufgabe. Perspektivisch wird das Angebot der Villa Barock als Ergänzung zum zentralen Jugendtreff gesehen, der in den Räumen des ehemaligen Stadtbades an der Alleenstraße entsteht.

Das Projekt „Connect“ startete im Jahr 2016 mit einer Laufzeit von zunächst drei Jahren, wurde um zwei weitere Jahre bis Februar dieses Jahres verlängert. Der Gemeinderat folgte der Empfehlung der Stadtverwaltung, „Connect“ bis Ende August 2025 zu verlängern. Die Gesamtkosten für die mehr als zwei Jahre belaufen sich auf 209000 Euro.

Das Konzept soll insofern weiterentwickelt werden, dass man auch junge Erwachsene, die aus der Ukraine geflüchtet sind, anspricht. Zudem soll die Villa Barrock stärker als Veranstaltungshaus etabliert werden.

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