Ludwigsburg. Mit dem Fall der Mauer 1989 war auch die Zukunft Ludwigsburgs als Militärstandort besiegelt. Als nach dem Ende des Kalten Kriegs sowohl Amerikaner als auch Deutsche beschlossen hatten, ihr Militär in der Bundesrepublik abzubauen, war schnell klar, dass der Standort aufgegeben wird. Spätestens 1991 war diese Entwicklung nicht mehr aufzuhalten.
Die Amerikaner zogen bereits während des Golfkriegs (1990/91) ihre Truppen aus der Stadt ab. Die Karlskaserne wurde 1991 geräumt, 1993 stand auch die Krabbenlochkaserne leer. Bis 1994 war dieser Prozess abgeschlossen. Direkt danach folgte die Bundeswehr mit ihren Standorten in der Jägerhof- und der Eberhard-Ludwig-Kaserne.
Am. 6. Mai 1994 wurde die Bundeswehr bei der Stadtgründungsfeier endgültig verabschiedet. Gleichzeitig fand auf dem Marktplatz ein Großer Zapfenstreich statt. Allen Beteiligten war damals bewusst, welche Ära an diesem Tag in Ludwigsburg zu Ende geht: „Heute Abend wird die Bürgerschaft mit vielen Tausend Köpfen und Herzen Abschied nehmen. Die einst nach Potsdam größte Garnison Deutschlands ist ab morgen ganz zivil: Das Schwäbische Potsdam hat ausgedient“, sagte der damalige Oberbürgermeister Hans Jochen Henke bei der Stadtgründungsfeier. Ein Vierteljahrtausend habe Ludwigsburg mit dem Militär die Höhen und Tiefen der deutschen Geschichte durchschritten.
Zum Abschied war auch der damalige Verteidigungsminister Volker Rühe (CDU) angereist. Auf der Rednerbühne sprach er von einer weltweiten Wende, die Millionen Menschen die Freiheit gebracht habe. Rühe lobte die Bundeswehr und sprach sich für eine europäische Sicherheitspolitik in enger Zusammenarbeit mit Russland aus. Nur so könne es Stabilität in Europa geben. Am selben Tag wurde auf dem Arsenalplatz eine Gedenktafel aufgestellt. Sie erinnert an die zu Ende gegangene 260-jährige Militärgeschichte Ludwigsburgs.
Beim Großen Zapfenstreich zog eine Ehrenformation mit 250 Fallschirmjägern und Heeresmusikern samt Fackeln durch die Dunkelheit des Marktplatzes. Die Bundeswehr dankte Ludwigsburg, dass sie den Soldaten 38 Jahre eine Heimstatt geboten hat. Die Soldaten seien in Ludwigsburg immer akzeptiert worden und waren ein selbstverständlicher Teil der Stadt, so der Redner der Bundeswehr.
„Unsere Geschichte ist ohne Bataillone, Exerzierplätze und Kasernen nicht vorstellbar“, sagte Henke beim Zapfenstreich. Zum einen bedauere er den Weggang der Bundeswehr. Den Risiken der Veränderung stünden aber die Chancen des Neuanfangs gegenüber: „70 Hektar waren auf unserer kleinen Markung bis vor Kurzem noch militärisch genutzt.“ Die frei gewordenen Kasernen ermöglichten der Stadt in den folgenden Jahren einen unglaublichen Entwicklungsschub, der noch nicht abgeschlossen ist. Bis heute werden einstige Kasernenflächen, etwa die Frommannkaserne (Gewerbegebiet) oder die Jägerhofkaserne (Wohnquartier), weiterentwickelt. „Leben Sie wohl und lassen Sie uns entschlossen auch in Zukunft für Frieden und Freiheit eintreten“, lauteten die Schlussworte von Henke.
Angefangen hatte alles mit der Talkaserne in der Unteren Stadt. Sie war ab 1736 die erste Kaserne in Ludwigsburg. In den Jahrzehnten danach war die Stadt Stützpunkt des herzöglichen, kurfürstlichen und königlich württembergischen Heeres, der Reichswehr, der Wehrmacht, der US-Armee und der Bundeswehr. Von Ludwigsburg wurden Soldaten weltweit in Kriege geschickt oder – wie im 18. Jahrhundert – sogar verkauft. Anfang des 19. Jahrhunderts war jeder dritte Einwohner der Stadt ein Angehöriger des Militärs. Nach dem Krieg von 1870/71 wurde die Garnison weiter ausgebaut. Die letzten Kasernen kamen während des Dritten Reichs dazu.