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Medizin
Hausärzte und Klinik im Clinch

Wie ist es um die medizinische Versorgung bestellt? Ein Gerichtsurteil mit weitreichenden Konsequenzen verschlechtert die Situation weiter. Jetzt ist die Politik gefragt.
Wie ist es um die medizinische Versorgung bestellt? Ein Gerichtsurteil mit weitreichenden Konsequenzen verschlechtert die Situation weiter. Jetzt ist die Politik gefragt. Foto: Bernd Weissbrod/dpa
Hausärzte finden immer öfter keinen Nachfolger mehr. Gleichzeitig ist das Ludwigsburger Krankenhaus jetzt mit einer eigenen Praxis in die Hausarztversorgung eingestiegen. Die niedergelassenen Mediziner fürchten um das klassische Arztpraxis-Modell und um die wohnortnahe Versorgung der Patienten.

Viele Jahre war das eine Selbstverständlichkeit: die Arztpraxis im Ortskern oder im Wohngebiet. Doch dieses Modell, bei dem der Arzt seine Patienten oft über Jahrzehnte begleitet und ein fester Bestandteil des Ortes oder Wohnquartiers ist, gerät immer mehr ins Wanken. Gründe dafür gibt es viele. Die beiden entscheidenden sind die zunehmende Ökonomisierung des Gesundheitswesens und die veränderten Bedürfnisse der Ärztinnen und Ärzte, die heute lieber als Angestellte und gerne auch in Teilzeit arbeiten.

Eine eigene Hausarztpraxis bedeutet sehr viel Arbeit, und wer nicht genau kalkuliert, wird damit im Vergleich zu anderen Medizinern weniger verdienen. Dies hat dazu geführt, dass viele Hausarztpraxen massive Probleme haben, Nachfolger zu finden. In den vergangenen Jahren wurden daher immer wieder Hausarztpraxen ganz aufgegeben – zum Beispiel in Oßweil.

Kritik an Aussagen des Krankenhauses

Die Folgen für die Patienten sind fatal: Jahrzehntealte Verbindungen und Vertrauensverhältnisse sowie die wohnortnahe medizinische Versorgung gehen verloren. Zu anderen Hausärzten können die Betroffenen manchmal nicht so einfach wechseln, weil diese selbst schon zu viele Patienten haben, oder nur dann, wenn sie für den Arzt als lukrativ gelten – auch solche Geschichten hört man immer wieder aus Ludwigsburg.

In diese problematische Situation ist vor wenigen Tagen die Nachricht geplatzt, dass das Ludwigsburger Krankenhaus eine eigene Hausarztpraxis eröffnet hat. Am dortigen Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) kümmern sich bereits seit April zwei Ärzte um die „hausärztliche Versorgung im Raum Ludwigsburg“, wie es in einer Mitteilung heißt.

Für viele Menschen ist das zunächst eine gute Nachricht. Das Krankenhaus schließt mit der Praxis nach eigener Auskunft Versorgungslücken, nimmt neue Patienten auf und verspricht, diese auch langfristig zu begleiten. Die Ludwigsburger Ärzteschaft, die alle Ärzte im Landkreis vertritt, schaut aber mit Sorge auf die Entwicklung und sieht die klassischen Praxen und die wohnortnahe Versorgung der Patienten in Gefahr.

„Die Sicherstellung der hausärztlichen Versorgung der Bevölkerung ist den Gremien der ärztlichen Selbstverwaltung ein zentrales Anliegen“, so die Vorsitzende der Ärzteschaft, Dr. Carola Maitra, in einer aktuellen Pressemitteilung der Ludwigsburger Ärzteschaft. Bereits jetzt würden vielfältige Anstrengungen unternommen, vermehrt Hausärzte zur Niederlassung in der Region zu bewegen, betont der Möglinger Hausarzt Dr. Martin Kullmann. Sein Kollege im Vorstand der Ärzteschaft, Dr. Roland Kolepke, ergänzt, dass die Hausärzte im Landkreis trotz der nicht immer einfachen Situation weiterhin in der Lage seien, „eine sehr gute Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen“.

Laut Carola Maitra sind in der Stadt Ludwigsburg derzeit alle vorgesehenen Stellen für Hausärzte besetzt – auch im Landkreis gebe es keine echte Mangelsituation. Berichte über eine faktische Unterversorgung hält die Ärzteschaft deshalb für nicht stichhaltig. Alleine in der unmittelbaren Umgebung des Ludwigsburger Krankenhauses seien zwölf Hausärzte angesiedelt, darunter auch die allgemeinmedizinische Notfallpraxis.

Treffen soll Verständigung bringen

Viele Hausärzte befürchten, dass das Krankenhaus sich durch das neue hausärztliche Angebot Patienten sichern will, um sie an die hauseigenen Fachärzte weiterzuleiten. Eine Praxis am Krankenhaus werde jedenfalls nichts an der Versorgungssituation in Stadt und Kreis verändern, da die tatsächlichen Problembereiche, wie zum Beispiel die Behandlung von Menschen mit vielen Erkrankungen oder die Betreuung von Altenheimen durch Hausbesuche, von der neuen Einrichtung nicht abgedeckt würden. Viele Kollegen befürchteten daher, so die Ärzteschaft auf Nachfrage unserer Zeitung, dass eine Hausarztpraxis in der Trägerschaft des Klinikums vor allem dazu diene, die Einnahmen des Krankenhauses zu verbessern.

Außerdem wird angezweifelt, dass die am Klinikum angestellten Hausärzte die gleiche fachliche Eignung haben. Klassische Hausärzte seien ausgebildete Generalisten, die Patienten ganzheitlich oft über viele Jahre betreuen. Am Krankenhaus würden dagegen spezialisierte Fachmediziner arbeiten, deren Auftrag eine möglichst kurze, hochintensive Behandlung sei. „Ich habe Sorge“, so der Pleidelsheimer Hausarzt und Fortbildungsbeauftragte des Hausärzteverbandes, Dr. Jürgen Herbers, „wie es den hoch spezialisierten Klinikärzten im MVZ gelingen will, qualifiziert die ganze Bandbreite der hausärztlichen Tätigkeit abzubilden, für die sie nicht ausgebildet sind.“

Um weiterem Ärger und wachsender Konkurrenz vorzubeugen, hat die Ärzteschaft für heute ein Arbeitstreffen mit der Klinikenleitung vereinbart. Ziele seien „die Erarbeitung eines gemeinsamen Verständnisses und die Abstimmung der Aufgabenteilung“ zwischen dem Krankenhaus und den niedergelassenen Hausärzten.