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Tafel
Immer mehr alte, arme Kunden

So wie diese Dame müssen viele ältere Menschen auf jeden Cent achten. Oft reicht es kaum zum Leben. Foto: Adobe Stock/Alexander Raths
So wie diese Dame müssen viele ältere Menschen auf jeden Cent achten. Oft reicht es kaum zum Leben. Foto: Adobe Stock/Alexander Raths
Laut Bundesverband der Tafeln in Deutschland nutzen aktuell 1,65 Millionen Menschen das Angebot der Tafeln. Dabei ist jeder vierte Tafelkunde im Rentenalter. Auch bei der Tafel Ludwigsburg registriert man immer mehr ältere Kunden. „Mir wird angst und bange“, sagt Geschäftsführerin Anne Schneider-Müller.

Ludwigsburg. Es seien nicht nur die Hartz-IV-Empfänger oder die Flüchtlinge, die sich bei der Tafel mit günstigen Lebensmitteln versorgen, so die Ludwigstafel-Chefin. Es seien immer öfter auch Menschen mit geringer Rente. Menschen, die zwar fast ihr ganzes Leben gearbeitet haben, die aber so wenig Rente bekommen, dass es vorne und hinten nicht reicht. „Wenn eine Putzfrau drei Putzstellen hat und Mindestlohn bekommt, wie soll sie denn später mit der Rente auskommen?“ Oft seien es Frauen, die neu zur Tafel kommen, beobachtet Schneider-Müller. Wie zum Beispiel die Rentnerin, die kürzlich ihren Mann verloren hat. „Plötzlich reicht das Geld nicht mehr.“

Es sind nur vermeintliche Kleinigkeiten, die den Unterschied machen zwischen Gerade-noch-so-Klarkommen und Nicht-mehr-Können. Eine Mieterhöhung zum Beispiel, der Anstieg der Müllgebühren, wie er jetzt für den Landkreis beschlossen wurde, oder die Erhöhung der Strompreise. „Das sind oft Knackpunkte, die Menschen zu potenziellen Tafelkunden machen.“

Laut Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) ist die Zahl der Empfänger von Alters-Hartz-IV im Landkreis in den vergangenen Jahren um 33 Prozent gestiegen. „Gab es im Kreis Ludwigsburg 2008 noch 2289 Bezieher von Grundsicherung im Alter oder bei Erwerbsminderung, so waren es im vergangenen Jahr bereits 3035“, teilt die Gewerkschaft NGG mit. Sie beruft sich dabei auf Angaben des Statistischen Landesamtes. „Aber kommen diese Menschen auch zu uns zur Tafel?“, fragt Anne Schneider-Müller und kennt die Antwort bereits. Es gäbe so viele, die das Angebot nicht annehmen. Aus Unwissenheit, aus Scham oder auch, weil sie gar nicht in der Lage seien, die Tafel zu erreichen. „Wenn ich daran denke, wie viele Menschen im Winter wieder im Kalten sitzen, weil sie sich die Heizung nicht leisten können, wird’s mir ganz anders.“

Die versteckte Armut zu erreichen, das müsse ein Ziel der Tafeln sein. „Wir arbeiten von Beginn an eng mit den Wohlfahrtsverbänden und dem Jobcenter zusammen.“ Diese machen auf das Angebot der Tafel aufmerksam. Doch damit könne man bei weitem nicht alle erreichen. „Wir waren bereits in vielen Kirchengemeinden und haben über die Arbeit der Tafel informiert“, so Schneider-Müller. Dabei sensibilisiere sie die Zuhörer, auf die Menschen im direkten Umfeld zu achten und aufzupassen. „Man darf die Augen nicht verschließen.“ Zum Beispiel, wenn jemand das gesellige Beisammensein im Restaurant plötzlich meidet, wenn jemand Ausreden anführt, um nicht zum Geburtstag zu kommen, wenn jemand stark abgenommen hat. „Schauen Sie genau hin!“

Dass die Begegnung mit der Armut nicht einfach ist, weiß die Ludwigstafel-Chefin. Da brauche es Einfühlungsvermögen auf der einen Seite und auf der anderen Seite jemanden, der die ihm gebotene Hilfe auch annehmen könne. „Die Armut, die man nicht nach außen eingesteht, ist ganz schwierig.“ Dabei gehe es aber niemals um die Schuldfrage.

Alte Kunden sind oft auch körperlich eingeschränkte Kunden. „Für manche wird es mühsamer, zu uns zu kommen. Andere schaffen es gar nicht mehr.“ Noch gibt es keine auf die Ludwigstafel zugeschnittene Erhebung, von wo genau und wie die Kunden zur Tafel Ludwigsburg kommen. „Eine mögliche Konsequenz für uns wäre die Antwort auf die Frage: Lohnt sich eine fahrbare Tafel?“ Und wie müsste das gegebenenfalls organisiert sein, um die Menschen keiner zusätzlichen Stigmatisierung und Scham auszusetzen. „Wir können ja schlecht mit einem Fahrzeug der Tafel vor die Haustür fahren. Da kommt doch keiner.“

Die Frage nach dem Auskommen mit dem, was man hat, ist auch eine Frage des gesellschaftlichen Zusammenhalts. „Für Tausende Beschäftigte im Kreis Ludwigsburg stellt sich die Frage, ob ein würdiger Lebensabend in Zukunft noch möglich ist“, so der Geschäftsführer der NGG-Region Stuttgart, Hartmut Zacher.

Info: Die Tafel Ludwigsburg gibt es bereits seit 20 Jahren. Der Ludwigsburger Laden ist in der Saarstraße 25, unweit vom Westausgang des Ludwigsburger Bahnhofs. Zudem gibt es Läden in Grünbühl, Eglosheim und Kornwestheim. Weitere Tafeln im Landkreis gibt es in Marbach sowie in Vaihingen. Bei der Tafel erhalten Menschen mit geringen finanziellen Mitteln Lebensmittel zu kleinem Preis.