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Kranker Michael
Krankenkasse übernimmt Therapie

Einen Schritt weiter Richtung Hilfe für Michael sind Oleg Seiler, Marina Mantel und Tochter Evelina. Foto: Ramona Theiss
Einen Schritt weiter Richtung Hilfe für Michael sind Oleg Seiler, Marina Mantel und Tochter Evelina. Foto: Ramona Theiss
Marina Mantel und Oleg Seiler sind überglücklich: Am Dienstag erhielten sie die Nachricht von ihrer Krankenkasse, dass dem Härtefallantrag stattgegeben und die Behandlung von ihrem an einer Muskelkrankheit leidenden Sohn Michael übernommen wird. Noch heute wollen sie nach Heidelberg für den ersten Bluttest.

Eine E-Mail veränderte am Dienstagnachmittag die Stimmung von Marina Mantel und Oleg Seiler urplötzlich: Per E-Mail bekamen sie Bescheid, dass ihre Krankenkasse nun doch die Behandlung ihres Sohnes übernehmen wird. Michael Seiler leidet unter der Muskelkrankheit Spirale Muskelatrophie (SMA). Ein defektes Gen sorgt dafür, dass er immer schwächer wird. Er kann seinen Kopf nicht halten oder ohne Hilfe sitzen, außerdem hat er Probleme beim Atmen und Schlucken. Michael wird mit einem Medikament behandelt, das bereits in Deutschland zugelassen ist. Dieses lindert seine Symptome, hat bei ihm jedoch nicht die starke Wirkung wie bei anderen SMA-Kranken. Ein Medikament, das es bisher nur in den USA gibt, macht Hoffnung. Doch es kostet 2,1 Millionen US-Dollar.

Um die Behandlung trotzdem zu ermöglichen, starteten Marina Mantel und Oleg Seiler mit der Hilfe von Familie und Freunden eine Spendenaktion, die viele Menschen auf der ganzen Welt berührte. Promis – darunter einige Fußballprofis – spendeten für Michael und machten auf sein Schicksal aufmerksam. Auch Ludwigsburger und Leute aus der Umgebung berührte die Geschichte von Michael in unserer Zeitung. Die Spendenaktion brachte bis Dienstagnachmittag 1,3 Millionen Dollar ein.

Dann die erlösende Nachricht: Die Krankenkasse wird nun doch die Behandlung von Michael in Deutschland bezahlen. Bevor sie die Spendenaktion starteten, versuchten Marina Mantel und ihr Mann alles, um die Krankenkasse dazu zu bringen, die Behandlung zu übernehmen. „Wir haben Härtefallanträge gestellt und Ärzte angefleht, uns zu helfen, nichts hat etwas gebracht“, erzählt Marina Mantel. Denn das Medikament ist in Deutschland noch nicht zugelassen, bisher gibt es nur Teststudien aus den USA. Diese sind allerdings sehr vielversprechend: Die behandelten Kinder können ihren Kopf selbstständig heben, krabbeln, manche von ihnen auch laufen – alles Dinge, die SMA-Erkrankte normalerweise nicht können.

Als die Spendenaktion über die Deutsche Muskelstiftung immer mehr an Reichweite gewann, kam ein Anwalt auf die Familie aus Eglosheim zu. Er wollte versuchen, noch einen Härteantrag zu stellen. Es vergingen nur etwa zehn Tage bis die positive Antwort vom Anwalt kam: Der Antrag wurde genehmigt. Aus datenschutzrechtlichen Gründen kann die Krankenkasse keine Angaben zu dem Fall machen.

Doch so rosig, wie sich das im ersten Moment anhört, ist es nicht. Noch immer ist nicht sicher, ob Michael die Behandlung bekommt. Die erste Hürde ist ein Bluttest. Michaels Eltern hoffen, dass sie diesen schon heute in der Uniklinik Heidelberg machen können. Bei diesem wird getestet, ob die Genersatztherapie bei Michael überhaupt wirken kann (siehe Kasten rechts).

Drei Tage nach diesem Bluttest bekommt die Familie das Ergebnis, ob Michaels Immunsystem bereits Antikörper gegen den Virus, der ihm während der Behandlung geimpft wird, gebildet hat. In den amerikanischen Studien war das bei fünf Prozent der Test-Babys der Fall. Gibt es noch keine Antikörper, steht der Behandlung theoretisch nichts im Wege.

Doch zuerst müsste ein Arzt in Deutschland gefunden werden, der Michael behandelt. „Es geht um das Haftungsrisiko“, erklärt Michael Kolodzig, der Vorsitzende der Deutschen Muskelstiftung. Denn das Medikament ist in Deutschland noch nicht zugelassen. Das Risiko würde die Klinik tragen, in der Michael behandelt wird. In Ohio hat Michaels Familie bereits einen Arzt, der den Einjährigen behandeln würde. Wenn sich also in Deutschland kein Arzt findet, fliegen sie mit Michael in die USA. Dann müssen sie die Behandlung aber wieder aus eigener Tasche bezahlen – denn die Krankenkasse bezahlt nur bei einer Behandlung in Deutschland.

Was passiert jetzt mit den Spenden für Michael?

Dass die Krankenkasse für Michaels Behandlung bezahlt, ist erst einmal eine gute Nachricht. Doch was ist nun mit den rund 1,1 Millionen Dollar, die viele Ludwigsburger und Menschen aus der ganzen Welt bis Dienstag für Michael gespendet haben?

„Das Geld auf unserem Konto bleibt für Michael reserviert“, sagt Michael Kolodzig, der Vorsitzende der Deutschen Muskelstiftung. Denn nach der einstündigen Infusion ist Michael nicht von heute auf morgen vollständig geheilt. „Es kann sein, dass der Junge trotz der Behandlung einen Rollstuhl braucht“, so Kolodzig. Dann könnte die Familie einen Teil des Spendengelds für einen Rollstuhl, eine Rampe, die Anpassung der Wohnung oder ein für Rollstühle geeignetes Fahrzeug ausgeben. Außerdem ist es auch möglich, bei Behandlungen Reisekosten und Unterkünfte von den Spenden zu bezahlen.

Erst wenn nach ein bis zwei Jahren immer noch Geld vorhanden ist, kann dieses anderweitig verwendet werden. „Das ist eine Vorschrift vom Finanzamt“, erklärt Kolodzig. Dann wird von den Spenden zum Beispiel anderen Kindern, die an derselben Krankheit wie Michael leiden, geholfen oder die SMA-Forschung unterstützt. Die Muskelstiftung darf die Spenden nicht umwidmen, bevor nicht zwölf bis 24 Monate vergangen sind. „Nicht einmal Michaels Eltern könnten sagen, dass das Geld für ein anderes Kind verwendet werden darf“, so Kolodzig. Das könnte nur der Spender selbst.

Nicht nur auf das Konto der Deutschen Muskelstiftung wurde Geld für Michael eingezahlt. Auch über Paypal konnte gespendet werden. Dieses Spendenkonto lief über die Initiative „Hilfe für Einzelschicksale“. Auch das Geld, das über Paypal gespendet wurde, wird für Michaels weitere Behandlung genutzt, so Marina Mantel. „Ohne die ganzen Spenden hätten wir das nie geschafft“, sagt Michaels Mutter. „So viele Menschen sind aufgestanden und haben für uns gekämpft, dafür sind wir so dankbar.“ (cars)