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Geschichte
König Wilhelm von Württemberg: „Lieber Ludwigsburg als Stuttgart“

In bürgerlicher Pose: So präsentierte sich König Wilhelm II. am liebsten.Foto: Stadtarchiv
In bürgerlicher Pose: So präsentierte sich König Wilhelm II. am liebsten. Foto: Stadtarchiv
Heute vor 100 Jahren ist Württembergs letzter König gestorben. Seine Verbindung zu Ludwigsburg war so groß, dass er nach seinem Tod hier beerdigt werden wollte. Wer war dieser Mann?

Der Todestag des letzten württembergischen Monarchen König Wilhelm II. jährt sich 2021 zum hundertsten Mal. Im Gegensatz zur Landeshauptstadt Stuttgart hatte Wilhelm zu Ludwigsburg ein geradezu inniges Verhältnis. Zwar verlebte er bis zu seiner Thronbesteigung 1891 nicht nur glückliche Tage in Ludwigsburg. Doch verband er mit der Garnisonstadt mehr positive Erlebnisse und Erfahrungen als er sie je in Stuttgart sammeln konnte.

In der Geschichtsschreibung, aber auch in der öffentlichen Wahrnehmung, gibt es immer wieder Tendenzen, einzelne Monarchen als „guten König“ zu stilisieren. Ein solches Urteil ist unabhängig von der jeweils so titulierten Person sicherlich zu pauschal, da es Gefahr läuft, einseitig zu werden. Dennoch finden sich in der Vita Wilhelms II. einige Aspekte, die Wilhelm auch nach einem Jahrhundert als bürgernahen und moderaten König erscheinen lassen. Am bekanntesten ist sicherlich die Aussage des Ludwigsburger SPD-Politikers Wilhelm Keil, der 1916 meinte, Wilhelm sei auch in einem republikanischen Regierungssystem derjenige, der von der Bevölkerung mit großer Mehrheit zum Staatsoberhaupt gewählt worden wäre.

An den Ludwigsburger Schlössern hat er keinerlei Interesse

Schon früh zeichnete sich ab, dass der 1848 geborene Wilhelm der Nachfolger seines kinderlosen Onkels König Karl I. werden würde. Wilhelm absolvierte eine militärische Laufbahn und nahm am deutsch-deutschen Krieg 1866 sowie am deutsch-französischen Krieg 1870/71 teil. In Tübingen und Göttingen studierte er Rechts- und Staatswissenschaft. Militärische Dinge konnten sein Interesse nicht wecken, und er absolvierte derartige Verpflichtungen zwar pflichtbewusst, aber mit viel Zurückhaltung. Im Gegensatz zu seinem Namensvetter Kaiser Wilhelm II. zog er ein bescheideneres Auftreten vor. Auch im Vergleich zwischen Kaiser Wilhelm II. und Kaiser Franz Josef lagen seine Sympathien eindeutig aufseiten des zurückhaltender auftretenden Österreichers.

Da Wilhelm aus standespolitischen Gründen nicht seine langjährige, bürgerliche Geliebte Marie Bartling aus Göttingen heiraten konnte, erwies es sich als glückliche Fügung, dass er in der Prinzessin Marie zu Waldeck-Pyrmont eine Partnerin fand, für die er ebenfalls Gefühle hegte. Die Heirat erfolgte 1877. Gemeinsam zog das junge Paar mit der kurz zuvor geborenen Tochter Pauline nach Ludwigsburg und erwarb das nach Marie umbenannte Gut Marienwahl zwischen Ludwigsburg und Eglosheim.

Anlass für den Umzug nach Ludwigsburg war Wilhelms Ernennung zum Kommandeur der in Ludwigsburg stationierten 27. Kavalleriebrigade. Prinz Wilhelm erscheint in den Quellen als volksnah, der Kinder mit Bonbons beglückte, mit seinen beiden Spitzen allein in der Stadt spazieren ging und sich seinen Mitbürgern gegenüber als großzügig erwies, wenn ihm deren Bedürftigkeiten zu Ohren kamen.

Das Leben im beschaulichen Landgut schien ganz nach dem Geschmack Wilhelms zu sein, am nahe gelegenen Residenzschloss und den beiden anderen Ludwigsburger Schlössern zeigte er kein Interesse. Trotz zweier großer Schicksalsschläge, die Wilhelm hinzunehmen hatte (der Tod seines erst wenige Monate alten Sohns Ulrich 1880 und der Tod seiner Frau im Zusammenhang mit einer Geburt 1882), blieb er mit seiner Tochter Pauline in Ludwigsburg. Auch ein gescheitertes Attentat auf Wilhelm vor der Villa Marienwahl änderte nichts an der grundsätzlich positiven Wahrnehmung der Residenzstadt durch den Thronfolger.

Weniger harmonisch sollte Wilhelms zweite Ehe mit Charlotte von Schaumburg-Lippe sein. Nach außen hin wurde dies allerdings nicht wahrgenommen. Die Stadt Ludwigsburg bereitete dem frisch verheirateten Paar 1886 einen fürstlichen Empfang und ließ eigens eine Triumphpforte auf dem Schillerplatz errichten. Mit dem Regierungsantritt 1891 endete die Ludwigsburger Zeit.

Wilhelm siedelte mit seiner Familie in das Wilhelmspalais am Stuttgarter Charlottenplatz um. Seit diesem Jahr ist die Ludwigsburger Wilhelmstraße (früher Poststraße) nach dem letzten württembergischen König benannt.

Wilhelm kann als vorsichtiger Reformer bezeichnet werden, der sich durchaus um die Modernisierung der Infrastruktur, der Verwaltung und der Verfassung seines Königreichs bemühte, häufig gestützt auf den Rat seiner Ministerpräsidenten. Auch in Stuttgart blieb er seinem bescheidenen Auftreten treu, residierte nicht im Neuen Schloss und reduzierte seine Amtsgeschäfte auf die notwendigsten repräsentativen Aufgaben. Große Bekanntheit erlangte die Episode wenige Tage vor Wilhelms Abdankung, als er das Stuttgarter Wilhelmspalais auf Druck der Novemberrevolutionäre verlassen musste. Diese „Vertreibung“ begründete der Spartakist Seebacher in Anerkennung der persönlichen Integrität Wilhelms mit dem Halbsatz: ,, ... ’s isch aber wege dem Sischteem“. Im Kloster Bebenhausen, das Wilhelm und seiner Familie zur lebenslangen Nutzung zugestanden wurde, dankte der König am 30. November 1918 ab. Bis zu seinem Tod 1921 lebte er überwiegend in Bebenhausen.

100000 Menschen säumen den Weg des Leichenzuges

König Wilhelm II. von Württemberg ist in Ludwigsburg auf dem Alten Friedhof neben seinen beiden Frauen und Kindern (mit Ausnahme der Prinzessin Pauline zu Wied) begraben. Auch hier zog er den „einfachen“ Friedhof der fürstlichen Gruft unter dem Residenzschloss vor. Wilhelm hatte verfügt, dass er von Bebenhausen in die Ludwigsburger Marienwahl überführt werden wollte. Allerdings mit einem Umweg um Stuttgart herum. Nach den Ereignissen des Novembers 1918 war er von Stuttgart und seinen Bewohnern zutiefst enttäuscht. Von der Marienwahl setzte sich der Leichenzug zum Alten Friedhof in Bewegung. Dem Trauerzug durch Ludwigsburg wohnten über 100000 Menschen bei, was ebenfalls ein Beleg für die Beliebtheit dieses Herrschers ist.

Eine skurrile Begebenheit trug sich 1951 zu, als die Ludwigsburger Stadtverwaltung zu einem Empfang anlässlich des 30. Todestags des Königs einlud: Als Redner trat hier Gustav Esterle auf, einer der Demonstranten des Novembers 1918. Er wird in der Einladung als „Befreier des Königs“ tituliert. Esterle nahm für sich in Anspruch, Wilhelm in Stuttgart vor den anderen Revolutionären in Schutz genommen zu haben. Dies war aber frei erfunden und wurde erst nach dem Empfang aufgeklärt.

Info: Dr. Simon Karzel ist Stadtarchivar von Ludwigsburg.