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Sternkreuzung
Mikrohofhaus auf der Sternkreuzung weicht Tunnelbauarbeiten

Geschafft! Das Mikrohofhaus schwebt mithilfe des Krans auf den Tieflader.
Geschafft! Das Mikrohofhaus schwebt mithilfe des Krans auf den Tieflader.
7,3 Quadratmeter Haus werden für den Abtransport vorbereitet. Fotos: Ramona Theiss
7,3 Quadratmeter Haus werden für den Abtransport vorbereitet. Foto: Ramona Theiss
Wohnen auf kleinstem Raum, mitten auf der Verkehrsinsel – eigentlich eine Provokation. Das Mikrohofhaus hat in Ludwigsburg gesellschaftliche Debatten befruchtet, Preise und Auszeichnungen gewonnen und immer wieder die Blicke auf sich gezogen. Auch sein Abtransport via Kran zog Schaulustige an.

Ludwigsburg. Eigentlich sollte das Haus schon lange die Sternkreuzung verlassen haben, die Ausstellung des Ludwigsburg Museums, als deren Teil es dort aufgebaut worden war, ist längst vorbei. Doch das kleine Mikrohofhaus ist eine große Erfolgsgeschichte – deswegen wurde die Standdauer seit 2018 immer wieder verlängert, das kleine Haus in den Fokus verschiedener Projekte und Aktionen gestellt. Doch die Tunneldeckensanierung an der Sternkreuzung macht den Abschied nun unumgänglich: Am Dienstag wurden die Wände des Innenhofs bereits in handliche Stücke zersägt, am Mittwoch kam ein Kran zum Abtransport.

Kran und Tieflader brauchen Platz

Keine alltägliche Sache für Joachim Pflumm, Architekt und Teamleiter beim Hochbauamt, der den Abbau von Seiten der Stadt begleitet. Erst muss an der viel befahrenen Kreuzung Platz für Kran und Tieflader geschaffen werden, dann erst kommt das etwa 3,5 Tonnen schwere Haus an den Haken. Auch Dr. Alke Hollwedel steht auf dem Bürgersteig und beobachtet das Treiben. Für die Museumsleiterin ist das Mikrohofhaus etwas ganz besonderes.

Anlässlich des 300-Jahr-Jubiläums der Stadt 2018 wurde der Wettbewerb „Raumpioniere – Wohnen auf kleinstem Raum“ zur Ausstellung „Hin und Weg – Wohn- und Lebensräume in Ludwigsburg“ ausgerufen. 74 Beiträge erreichten Alke Hollwedel damals. Die Leiterin des Ludwigsburg Museums war erfreut und überrascht zugleich, denn unter den Einsendungen von hoher Gestaltungsqualität und mit originellen Lösungsansätzen kamen sogar welche aus Schweden, Brasilien und Italien. Die Jury kürte das Stuttgarter Atelier Kaiser Shen zum Sieger, die von chinesischen Hutongs und marokkanischen Riads zu ihrem Hofhaus inspiriert worden waren. „Hofhäuser bieten eine atemberaubende Ruhe im Inneren und stehen im Kontrast zum hektischen Leben außerhalb der Mauern“, so Architekt Goubin Shen damals. Tatsächlich lebte die Architektur des Mikrohofhauses auch vom Spannungsverhältnis: Draußen der hektisch-laute Verkehr, drinnen der friedlich-plätschernde Brunnen. Durch einen schneckenförmigen Zugang erreichten Besucher den 30 Quadratmeter großen Innenhof und blickten – wenn die Vorhänge geöffnet waren – durch die Fensterfront in das 7,5 Quadratmeter große Haus.

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Während bei der eigentlichen Idee des Tiny House eigentlich Wohnen auf engstem Raum in der weite der Natur gelebt wird, sei das Wohnen auf der verkehrsumspülten Sternkreuzung eine bewusste Provokation der Architekten gewesen, so Hollwedel. „Wir wollten einen Ort schaffen, der Diskurs schafft“, erinnert sich die Museumsleiterin. Dieses Ziel wurde erreicht. Der Strom von Interessenten, die sich für eine oder mehrere Nächte dort einquartieren wollte, sei nicht abgerissen. Auch Hollwedel hat mit ihrer Familie dort übernachtet. Angelockt von den Fahrrädern am Haus hätten bereits in der ersten halben Stunde mehr als 50 Gäste im Innenhof vorbeigeschaut. „Danach haben wir aufgehört zu zählen“, erinnert sie sich. Es seien intensive Gespräche gewesen, die sich angesichts des ungewöhnlichen Architekturprojekts entsponnen haben.

Vom Kindergarten bis zum Architekten

Hollwedel lobt die Niederschwelligkeit des Projekts: „Es durfte jeder rein“, sagt sie und erinnert sich an viele Sternstunden, beispielsweise, als eine Kindergartengruppe, die sich mit dem Thema Wohnen beschäftigt hatte, das Haus intensiv erkundete. „Die Spannbreite und Vielfältigkeit des Projekts hat uns begeistert“, so Hollwedel. Innerhalb der Abteilungen im Rathaus habe es viel Verständnis und Bereitschaft zur Verlängerung gegeben. „Ich bin dankbar über die Bereitschaft, diesem Raum zu geben“, sagt Hollwedel. Das Mikrohofhaus hat viele zur Auseinandersetzung mit dem Thema angeregt. Zum Beispiel hat die Akademie für Darstellende Kunst dort die Grenzen von privat und öffentlich künstlerisch ausgelotet und zuletzt hat der Streetart-Künstler Daschu die Wände als Leinwand genutzt.

Das Streetart-Kunstwerk ist zersägt und kann nur noch auf Fotos angeschaut werden. Wann es die nächste Übernachtung mit Frühstück im Mikrohofhaus geben wird, ist derweil unklar. Am Mittwoch um Viertel nach elf stand das preisgekrönte Mikrohofhaus auf dem Tieflader. Eine weite Strecke musste es jedenfalls nicht zurücklegen. In Affalterbach, auf dem Gelände der Firma Rikker, die das Haus damals auch aufgebaut hatte, soll es als Ausstellungsobjekt wieder die Blicke auf sich ziehen.