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Heimatforschung
Pascal und der letzte König Württembergs

Ist jetzt ein Experte für Wilhelm II.: Pascal Eichner (18) und der König auf einer Privataufnahme (um 1915).Fotos: Holm Wolschendorf/privat
Ist jetzt ein Experte für Wilhelm II.: Pascal Eichner (18) und der König auf einer Privataufnahme (um 1915). Foto: Holm Wolschendorf/privat
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Der Gymnasiast Pascal Eichner hat eine Seminararbeit über den letzten König von Württemberg geschrieben. Die kommt so gut an, dass der 18-Jährige beim Landespreis für Heimatforschung ausgezeichnet wurde. Die zentrale Frage seiner Arbeit lautet: „War Wilhelm II. ein moderner Staatsmann?“

Wilhelm II., der letzte König von Württemberg, ist gewiss kein Mensch, der bei Gymnasiasten heute hoch im Kurs steht. Ganz im Gegenteil. Der König, dessen letzte Ruhestätte auf dem Alten Friedhof in Ludwigsburg liegt, gehört tendenziell sogar zu denjenigen historischen Figuren, die heute fast vergessen sind.

Zu Unrecht, wie die Arbeit von Pascal Eichner zeigt. „Wilhelm II. von Württemberg – traditioneller Fürst oder moderner Staatsmann?“, lautet deren Titel. Der Gymnasiast hat sie im Rahmen des Seminarkurses „Württemberg und seine Menschen im Wandel der Zeit“ am Goethe-Gymnasium geschrieben. Dieses Jahr hat Pascal Eichner dort sein Abitur gemacht.

Grundlage der Recherche sind Briefe

„Ich war lange auf der Suche nach einem guten Thema. Meine Oma hat mich am Ende auf den König gebracht“, erzählt Pascal Eichner. Eine Seminararbeit ist kein Kinderspiel. Sie ist vergleichbar mit einer Hausarbeit im Grundstudium und umfasst knapp 20 Seiten. Zudem muss sie grundlegenden wissenschaftlichen Standards genügen.

Zunächst recherchierte der Schüler im Internet. Dann fragte er beim Hauptstaatsarchiv in Stuttgart nach Material zu Wilhelm II. Dort wurde er an den Historiker Albrecht Ernst vermittelt, ein Spezialist für Wilhelm II, dem vor wenigen Jahren ein spektakulärer Archivfund mit zahlreichen Privatbriefen Wilhelms gelungen war. So nahm die Sache ihren Lauf.

Als Pascal Eichner die Briefe des Königs an dessen Freunde liest, ist er sofort begeistert. „Sie sind sehr offen und zeigen, was in ihm als Mensch vorgeht und nicht das, was er nach außen getragen hat“, sagt Eichner. Auf Grundlage dieser Briefe entwickelt er zusammen mit seiner Lehrerin die Fragestellung seiner Seminararbeit.

„Der Umgang, den König Wilhelm mit seinen Freunden pflegte, gleicht unserem Umgang heute. Nur dass die Sprache ein älteres Deutsch ist“, sagt Pascal Eichner über die Briefe des Königs, die ihn bis heute faszinieren. Auch brisante Informationen etwa über Geliebte oder den Kaiser in Berlin gibt Wilhelm in seiner Privatkorrespondenz preis.

Modern oder traditionell – wie lautet nun das Urteil von Pascal Eichner über den Regierungsstil von König Wilhelm II? Auf Grundlage der Briefe und anderer Quellen wie Fachliteratur kommt der 18-Jährige aus Pflugfelden zu einem eindeutigen Ergebnis: „Der letzte König von Württemberg durchbricht in vielerlei Hinsicht das traditionelle Bild eines Fürsten“, schreibt er im Fazit seiner Seminararbeit. Bürgerliche Lebensweise und bürgernahe Politik machen aus ihm einen „modernen Staatsmann“, findet Eichner. Auch der Verlauf der Novemberrevolution in Württemberg spreche dafür. Während in vielen deutschen Staaten die einstigen adligen Herrscher nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg vom Hof gejagt werden, bleibt es in Württemberg vergleichsweise ruhig. „Am 30. November 1918 dankt der König endgültig ab. Tief enttäuscht, jedoch erhobenen Hauptes, verlässt er Stuttgart für immer und begibt sich im Schutze des Soldatenrates nach Bebenhausen“, schreibt Pascal Eichner.

Als der König im Oktober 1921 mit 73 Jahren stirbt und in Ludwigsburg beerdigt wird, säumen Tausende Menschen die Straßen, durch die der Trauerzug zieht. Auch das ist für Pascal Eichner ein Zeichen dafür, dass Wilhelm II. eigentlich in allen Bevölkerungsgruppen beliebt war. „Der Machthaber Wilhelm II. passt ideal in die Zeit des Übergangs, da er beiden Lagern, sowohl den treuen Anhängern der Monarchie als auch den Revolutionären, welche die Republik fordern, durch seine Handlungen in vielen Bereichen imponiert haben muss“, heißt es im Schluss der Seminararbeit.

Ein Historiker möchte er nicht werden

Den Juroren beim Landespreis für Heimatforschung (Stichwort) hat diese kleine Studie gefallen. Bei der Preisverleihung Ende November durfte Pascal Eichner sich eine Anerkennungsurkunde abholen. „Das hat mich natürlich sehr gefreut. Ich habe nicht gedacht, dass ich ausgezeichnet werde“, sagt er. Die Arbeit hat übrigens seine Lehrerin eingereicht.

Trotz des Erfolgs möchte Pascal Eichner nicht gleich ein Historiker werden. Zurzeit absolviert er ein Freiwilliges Soziales Jahr im Kulturzentrum „K“ in Kornwestheim. Danach könnte er sich vorstellen, Kulturwissenschaften zu studieren. Ganz abgewendet von geschichtlichen Themen hat er sich aber nicht. „Nach so einer Arbeit ist man viel aufgeschlossener für historische Fragen.“