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Drogen
Razzia mit 40 Polizisten im Bahnhofsviertel

Alle Besucher und Mitarbeiter der Gaststätte werden penibel kontrolliert, Fotoaufnahmen inklusive. Fotos: Holm Wolschendorf
Alle Besucher und Mitarbeiter der Gaststätte werden penibel kontrolliert, Fotoaufnahmen inklusive. Foto: Holm Wolschendorf
Die Fahnder nehmen jeden Ausweis genau unter die Lupe.
Die Fahnder nehmen jeden Ausweis genau unter die Lupe.
Nach Vorermittlungen nächtlicher Zugriff: Diesmal gehen nur kleine Fische ins große Netz – Teil einer 20-stündigen Offensive in zwei Landkreisen

Ein spartanisch eingerichteter Raum im Polizeipräsidium, es ist früher Freitagabend gegen 18 Uhr. 15 Polizisten sind hier zusammen gekommen, bereiten sich auf einen Einsatz vor. Der Dienstplan bietet alles andere als Alltagskost: eine Drogenrazzia in einer Kneipe im Ludwigsburger Bahnhofsviertel.

Die Razzia ist Teil einer Großaktion des Polizeipräsidiums. Schon seit dem frühen Nachmittag fahnden und kontrollieren hunderte von Sicherheitskräften in den Landkreisen Ludwigsburg und Böblingen. Es geht um Drogen, aber auch um Jugendschutz in Gaststätten, und natürlich auch die Coronaregeln. Die Presse ist eingeladen, Teile der Einsatzwelle zu beobachten.

Einsatzleiter für das Bahnhofsviertel in Ludwigsburg ist Swen Eckloff. Warum ist die Kneipe dort eines der Ziele des Aktionstags? „Die Kriminalpolizei weiß aus eigenen Ermittlungen und aus Hinweisen aus der Bevölkerung, dass Personen in der Gaststätte Straftaten verabreden, vorbereiten oder verüben“, berichtet der Kriminaloberrat. Es gehe vor allem um Drogen und Körperverletzung.

Nach drei Stunden später sitzen die Polizisten immer noch an den Schreibtischen im Besprechungszimmer. Sie warten auf den richtigen Zeitpunkt, um loszuschlagen. Einige Beamte sitzen einfach da, andere beschäftigen sich mit ihren Mobiltelefonen, wieder andere vertreiben sich die Zeit mit Small Talk.

Die Einsatzleitung im Präsidium hat Funkverbindung mit verdeckten Ermittlern, die das Geschehen in und außerhalb der Kneipe beobachten und sich in kurzen Abständen mit der Zentrale in Verbindung setzen. So ist bekannt, dass sich in der Gaststätte gegen 21 Uhr etwa 25 Besucher aufhalten.

Besonderes Augenmerk legen die verdeckten Ermittler auf bestimmte Personen, beispielsweise auf einen Mann mit auffälliger Frisur oder einen anderen Kneipengast mit markanter Tätowierung. Deren Bewegungen werden minuziös übermittelt.

Über 1500 Personen und rund 500 Fahrzeuge werden an diesem Freitag und in der Nacht bis 2 Uhr am Samstag kontrolliert. Ein wichtiges Einsatzziel: Gaststätten. Über 60 bekommen Besuch, etwa in Sindelfingen und Herrenberg, auch in Kornwestheim (siehe Bericht unten). Die Einsatzkräfte überwachen Jugendschutz, Hygienemaßnahmen und Corona-Auflagen.

Die Polizei registriert am Ende in den beiden Landkreisen 41 Straftaten, darunter 13 Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz. Dreimal wird gegen das Waffengesetz verstoßen, neun Betrugsdelikte kommen dazu. 40 Personen werden vorläufig festgenommen oder in Gewahrsam genommen. Der dickste Fisch ist ein 24-Jähriger, in dessen Fahrzeug die Polizisten bei einer Kontrolle auf der A8 bei Rutesheim 20 Kilo Marihuana entdecken.

Der Einsatz in Ludwigsburg gestaltet sich zäh, die Einsatzleitung im Polizeipräsidium wird ungeduldig. Die Razzia steht auf der Kippe, zumal um 23 Uhr Sperrstunde ist. „Dann bleibt nur der Corona-Ausstoß übrig“, scherzt ein Beamter. Mehrfach scheint der richtige Zeitpunkt gekommen. Etwa als ein Mann die Kneipe verlässt, auf sein Fahrrad steigt. „Der hat was mit seinem Geldbeutel gemacht“, so ein verdeckter Ermittler. Das könnte aus Sicht der Polizisten auf einen Drogenkauf hindeuten, doch die Sache verläuft im Sand. „Es konnte nicht verifiziert werden, dass der gekauft hat“, lautet die Botschaft aus dem Bahnhofsviertel.

Das richtige Timing entscheidet über Erfolg oder Misserfolg. Wenn die Polizei zum falschen Zeitpunkt vor der Kneipe auftaucht, besteht die Gefahr, dass die Aktion auffliegt. „Polizeiarbeit kann zermürbend sein“, sagt Pressesprecher Peter Widenhorn. „Manchmal passiert nächtelang gar nichts.“ Laut Widenhorn steht die Gaststätte schon länger „im Fokus der Ermittlungen“, in der Gaststätte werde regelmäßig Kokain und Marihuana verkauft. Es handele sich um einen „milieuspezifischen Ort“, so steht in einem Polizeipapier, an dem die „Verfügbarkeit von Betäubungsmitteln verschiedener Art eine hohe Anziehungskraft auf Konsumenten ausübt“.

Dann, es ist kurz vor 22 Uhr, fällt doch noch der Startschuss. Ein Gast hat die Kneipe verlassen, steigt nach Schilderung der verdeckten Ermittler in sein Auto, wird aber gestoppt und positiv auf THC getestet, also auf den Konsum von Cannabis. „Es scheint was da zu sein, wir sollten jetzt mal reingehen“, so die Einschätzung der Einsatzleitung.

Die Einsatzkräfte eilen aus dem Polizeipräsidium zu ihren Autos: Zivilfahrzeuge ohne Blaulicht, um keine Aufmerksamkeit zu erregen. Wenige Minuten später trifft die Truppe vor der Kneipe ein. 40 Polizisten sind laut Pressesprecher Widenhorn jetzt im Einsatz. Etwa 15 Beamte stürmen die Kneipe. Jetzt kommt niemand mehr rein oder raus, die Gäste werden noch in der Kneipe durchsucht.

Die Aktion verläuft unkompliziert, die Gäste sind friedlich. Nachdem sich die Lage in der Kneipe beruhigt hat, werden die Gäste einzeln herausgeführt. „Jetzt beginnt die Routinearbeit“, sagt Widenhorn. Die Stimmung wirkt eher entspannt. Mehrere Kneipenbesucher halten während der Kontrolle eine Bierflasche in der Hand, die Polizisten haben nichts dagegen einzuwenden.

In einem Einsatzwagen werden die Dokumente überprüft und Personalien festgehalten. Auch von Gästen, bei denen keine Drogen gefunden wurden. „Wer sauber ist, kann nach Hause gehen“, sagt Widenhorn. Bei dem Einsatz sei die Identität von 34 Personen überprüft worden, heißt es später aus dem Polizeipräsidium. Dabei seien „kleinere Mengen Betäubungsmittel“ sichergestellt worden. Zumindest diesmal landen nur kleine Fische im großen Netz.