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Von wegen Kinderrechte: Keine Luftfilter in Ludwigsburger Klassenzimmern

Lüften – auch künftig die einzige Möglichkeit, auch bei Regen und Kälte. Foto: Ramona Theiss
Lüften – auch künftig die einzige Möglichkeit, auch bei Regen und Kälte. Foto: Ramona Theiss
Mehrheit des Gemeinderats will keine Luftfilter in den Klassenzimmern – Auch im kommenden Winter soll notfalls gelüftet werden

Ludwigsburg. Seit Monaten wird diskutiert, jetzt hat der Gemeinderat entschieden: Luftfilter wird es in Klassenzimmern nicht geben. Nur in Mensen oder Speiseräumen, wo Schüler aus unterschiedlichen Klassen zusammenkommen, sollen einige der Geräte aufgestellt werden. Wenige Minuten zuvor haben die Stadträte über einen Platz für Kinderrechte debattiert – angesichts der Entscheidung fragt sich die FDP-Fraktion, wie ernst es einem eigentlich mit den Kinderrechten ist.

Sie plädierte dafür, Luftfilter an den Schulen einzusetzen, um auch im Herbst, sollte eine vierte Infektionswelle kommen, den Unterricht gewährleisten zu können. „Manche Schüler haben erst nach fünfeinhalb Monaten wieder die Schule von innen gesehen“, sagte FDP-Stadträtin Stefanie Knecht. „Kinder insbesondere in sozial schwachen Familien wurden abgehängt.“ Dass die grün geführte Landesregierung, anders als Bayern oder Nordrhein-Westfalen oder die Grünen auf Bundesebene, immer noch nur aufs Lüften der Zimmer setzt, hält die Fraktion für kurzsichtig.

Die Stadt hat jedoch mit ihrer Vorlage zu den immens hohen Kosten und zur Notwendigkeit des Lüftens die Mehrheit im Gremium überzeugt. Überzeugt hat sie auch den Jugendgemeinderat, der nicht nur ein ausführliches Statement schriftlich vorgelegt hat, sondern dies auch vortragen durfte. Luftfilter seien zu teuer, im Herbst sorge auch die gute Impfquote für niedrige Inzidenzen. Präsentiert wurde auch ein Papier der Uni Stuttgart, das darauf hinweist, dass es ausreiche, regelmäßig zu lüften. Darauf bezog sich auch die Erste Bürgermeisterin Renate Schmetz: „Die Fensterlüftung ist ausreichend.“

Lüften ist sowieso vorgeschrieben, in den Schulen wird das schon bisher praktiziert. Andere Studien, so Christian Kähler, Professor für Strömungstechnik der Uni München in einer Sendung der ARD, gehen davon aus, dass Aerosolpartikel mit Luftreinigern schneller abgesenkt werden können als beim Stoßlüften. Ein weiterer Gesichtspunkt sind die Kosten. Die den Stadträten vorgelegten Zahlen zu den Kosten für Luftreiniger in Ludwigsburg hat der Gemeinderat nicht hinterfragt. Nach Angaben der Stadt müssten an den Schulen für 784 Räume Luftreiniger angeschafft werden, die Kosten werden mit 4,14 Millionen Euro angegeben. Für die Kitas sind 517 Räume angegeben, die Kosten liegen bei 2,97 Millionen. Zusammen sind es rund sieben Millionen.

Zahlen, die schon bisher für Irritation gesorgt haben (wir berichteten). Auf Nachfrage bei zwei Herstellern reibt man sich dort verwundert die Augen. Die gehandelten Millionensummen seien weit von der Realität entfernt. Die Werte seien nicht nachvollziehbar. Auf Nachfrage teilt das Ludwigsburger Unternehmen Mann & Hummel schriftlich mit, dass der Preis für die genannte Zahl an Räumen (Schulen und Kitas zusammen 1301 Räume) bei „unter drei Millionen Euro“ liegt. Dazu kommt, dass die tatsächlichen Angebote noch deutlich unter diesen Werten liegen würden, weil entsprechend Mengenrabatte eingeräumt werden können.

Ähnlich sieht es die Firma Schubert aus Affalterbach. Die Angaben seien völlig überzogen. Deren Filter kämen für die 1301 Räume auf einen Anschaffungspreis von 3,6 Millionen Euro, die Betriebskosten würden nicht knapp eine Million Euro kosten, wie von der Stadt angegeben, sondern etwa 540000 Euro. Das wären, so Wilfried Padotzke, fast vier Millionen weniger als von der Verwaltung angegeben.

Der Gemeinderat belässt es bei den wenigen Lüftern für Mensen und Speiseräume sowie für CO-Ampeln mit einem Betrag von 160000 Euro. Die Ampeln weisen darauf hin, dass gelüftet werden muss. Eine flächendeckende Versorgung mit Luftfiltern lehnt die Verwaltung wie auch der Gemeinderat bei nur drei Gegenstimmen und drei Enthaltungen mehrheitlich ab. Grünen-Stadträtin Elfriede Steinwand verweist auf das Lüften, die CDU denkt eher an ein Nachhilfeprogramm, um Schülern, die Lernlücken aufweisen, entgegenzukommen. Die Freien Wähler verweisen auf die hohen Kosten, die „unnötig“ seien, so Andreas Rothacker.

„Es gibt kein Allheilmittel gegen Corona, wir arbeiten an verschiedenen Lösungen“, ist die SPD-Fraktionsvorsitzende Margit Liepins mit dem Vorschlag der Stadt zufrieden. Allerdings müsse man sehen, wie sich die Inzidenzen im Herbst entwickeln. Harsche Kritik dagegen von der FDP, die überzeugt ist, dass Luftreiniger mehr Sicherheit für die Schulen bedeuten. „So wie in den letzten 15 Monaten Bildung stattfand, das darf es nicht nochmals geben“, so Stefanie Knecht. In ihrem Plädoyer wies sie darauf hin, dass es nicht reiche, nur über Lernbrücken nachzudenken. „Es muss mehr sein.“ Andere Bundesländer gingen hier voran, sie forderte auch OB Matthias Knecht auf, das Thema zur Chefsache zu machen.

Vor „übertriebenen Erwartungen an die Ausrüstung der Schulen mit Luftfiltern“ warnte jetzt der Deutsche Städtetag, allerdings fordert er den Bund auf, die Kommunen stärker finanziell zu unterstützen. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft sagte gestern, dass auch das Land sich finanziell stärker engagieren müsse.