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Schulen
Schichtunterricht und alles auf Abstand

Kein Durchgang: Zwischen Realschule und Gymnasium wurde der Verbindungsflur gesperrt.Fotos: Ramona Theiss
Kein Durchgang: Zwischen Realschule und Gymnasium wurde der Verbindungsflur gesperrt. Foto: Ramona Theiss
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Am Montag kommen die ersten Schüler zurück in ihre Schulen, von Normalität sind diese jedoch weit entfernt. Ihnen obliegt es, die Hygiene- und Abstandsregeln umzusetzen, auch gibt es Stundenpläne im Schichtbetrieb. Eine sportliche Herausforderung, die sehr viel Einsatz und Flexibilität verlangt.

Ludwigsburg. Bis vor zwei Monaten war Hartmut Meier wohl nicht bewusst, dass seine Schule ein geradezu ideales Treppenhaus besitzt. Denn in Zeiten von Corona ist es der Gottlieb-Daimler-Realschule (GDR) nun möglich, relativ problemlos die Einbahnstraßenregelung einzuführen. „Die einen gehen auf einer Treppe hoch, die anderen auf der anderen runter“, sagt der Rektor. Schilder und Absperrbänder sorgen dafür, dass sich keiner verirrt. Das ist nur ein kleiner Teil der Aufgaben, die die Schule mithilfe der Stadt lösen musste. Meier: „Wir haben jetzt eine Menge Verantwortung, die wir so noch nie hatten.“

Alle Räume und alle Flure wurden vermessen, vor den Toiletten und dem Sekretariat kleben Abstandhalter auf dem Boden, Letzteres ist mit Spuckschutz ausgestattet und für Eltern nur mit Termin zu besuchen. 134 Neuntklässler und 117 Zehntklässler, die 2020 oder 2021 ihre Abschlussprüfung machen, werden nächste Woche in der Realschule erwartet, Meier setzt auch auf die Vernunft der Schüler. So hat die GDR darauf verzichtet, vor dem Eingang Abstandsmarkierungen anzubringen. „Das halte ich nicht für hilfreich. Sie müssen überall sonst, wo es keine Kleber gibt, ja auch den Abstand einhalten“, sagt er. Lediglich der Schulhof zum benachbarten Otto-Hahn-Gymnasium wurde mit Bändern abgetrennt, deren Kursstufe ist aber zunächst in der K.O.-Kaserne untergebracht. Unwohl ist Meier eher, was den Schulweg angeht. „Setzen sie sich im Schulbus wieder zueinander? Laufen sie trotzdem Arm und Arm vom Bahnhof in die Schule?“

In der Schule zumindest gilt: Die Klassen werden geteilt, maximal 15 Schüler sind in einer Lerngruppe, die mit Abstand und einzeln sitzen. Bei fünf neunten Klassen und einer Hauptschulprüfungsklasse sowie fünf zehnten Klassen sind das 21 Lerngruppen, die auf eigene Klassenräume verteilt werden. Dafür nimmt die GDR auch Räume der benachbarten, weiter geschlossenen Osterholz-Grundschule in Anspruch.

Um Kontaminationen zu vermeiden, hat jede Lerngruppe ein festes Zimmer. Die Schüler sitzen an zugewiesenen Einzelplätzen und verlassen die Räume nur in den Pausen, einzig die Lehrer wechseln. Unterrichtet werden lediglich Mathematik, Deutsch und Sprachen sowie etwaige Prüfungsfächer. Die Prüfungen zur Mittleren Reife beginnen am 20. Mai, für den Hauptschulabschluss im Juni. In einigen Schulen dürfen die Schüler die Zimmer auch in den Pausen nicht verlassen, in der GDR ist dies nicht so. „Das ist nicht zumutbar“, sagt Hartmut Meier.

Um den Betrieb weiter zu entzerren, arbeitet die GDR im Schichtbetrieb, sechs Unterrichtsstunden von 7.45 bis 13 Uhr sind geplant. „Wir starten am Montag mit den Neunern.“ Am Dienstag arbeiten diese mit ihrem Stoff zu Hause, dafür kommen die zehnten Klassen. Unterricht oder Prüfungsvorbereitung in der Schule gibt es so immer im Wechsel mit einem Tag Heimarbeit.

763 Schüler hat die GDR normalerweise – auch wenn mehr dazukämen, so Meier, müsse das Schichtsystem beibehalten werden. „Wir haben nicht so viel Platz.“ Damit rechnet auch der Schulträger. „So lange Abstand gehalten werden muss, geht es nicht anders“, sagt die Fachbereichsleiterin Bildung und Familie, Renate Schmetz. Laut Kultusministerium wird erwartet, dass es in diesem Schuljahr, wenn nicht gar im ganzen Jahr, keinen Normalbetrieb geben wird.

Wie viele Schüler überhaupt kommen, sei bisher unklar, so Meier. Eltern können ihre Kinder vom Unterricht entschuldigen, wenn es im Haushalt Risikopatienten gibt. Sind die Kinder selbst betroffen, sind sie vom Unterricht ausgeschlossen. Dies gilt auch für die Lehrer. Laut Meier gibt es im Kollegium mit 57 Lehrern sechs, die nicht unterrichten dürfen – etwa wegen Vorerkrankung oder Schwangerschaft. Lehrern über 60 Jahre ist es freigestellt, ob sie kommen wollen oder nicht.

Die Tische in der GDR wurden mit Namen beklebt, und noch diese Woche werden Lagepläne per OneDrive an die Schüler geschickt, damit sie den direkten Weg gehen und wissen, wo ihr Tisch steht. Im Klassenzimmer müssen die Tische täglich gereinigt werden, in jeder Pause ist Händewaschen an den Waschbecken in den Räumen Pflicht, also alle 90 Minuten. Die Abläufe werden viel Zeit kosten, vermutet Meier: „15-mal 30 Sekunden Hände waschen, das dauert.“ Dinge wie Türklinken oder Telefone, die ständig angefasst werden, werden desinfiziert.

Baulich verändert wurden die Toiletten. Zusätzlich zur großen Anlage gibt es in den oberen Stockwerken eine zweite Toilette. Bei den Jungen wurden des Abstands wegen teils Urinale abgeklebt und wie bei den Mädchen Kabinen reduziert. Dasselbe Bild im Erdgeschoss: Abstand hat Priorität. Gewartet wird vor der Tür mit Abstand, eine Einlasskontrolle wird es nicht geben. „So viel Personal haben wir gar nicht.“

Doch was passiert, wenn in der Pause alle gleichzeitig aufs Klo rennen? Die Lösung: „In der Pause bleiben die Toiletten zu.“ War es früher eine von den Lehrern nicht gern gesehene Fluchtmöglichkeit, sind die Schüler nun explizit aufgefordert, während des Unterrichts aufs Klo zu gehen. Neue Zeiten auch für Eltern: Die Stadt befürwortet, dass diese ihre Kinder mit dem Auto bringen, um volle Busse zu vermeiden.

„Wir haben alles getan, was möglich ist“, sagt Meier. Die Stadt hat mit dem Städtetag schon vor einiger Zeit ein vorläufiges Hygienekonzept entwickelt, das sich, so sieht es zumindest derzeit aus, mit der Hygieneverordnung des Landes deckt, die am Dienstag noch einmal konkretisiert wurde. Trotz aller Vorbereitung steige die Nervosität in den Schulen, so Hartmut Meier: „Ich hoffe, dass der Praxistest gut gelingt.“