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Kunstschau
Schillernde Leere: Alfons Wiest stellt im Ludwigsburger Kreishaus aus

Der Künstler Alfons Wiest mit „Intensive Begegnung VIII“ und „Paar mit großer Idee“ (hinten). Foto: Ramona Theiss
Der Künstler Alfons Wiest mit „Intensive Begegnung VIII“ und „Paar mit großer Idee“ (hinten). Foto: Ramona Theiss
Blick in die Ausstellung von Alfons Wiest. Foto: Ramona Theiss
Blick in die Ausstellung von Alfons Wiest. Foto: Ramona Theiss
Der Künstler Alfons Wiest mit „Alleinerziehend – Salve Regina, Mater Mundi“. Foto: Ramona Theiss
Der Künstler Alfons Wiest mit „Alleinerziehend – Salve Regina, Mater Mundi“. Foto: Ramona Theiss
Blick in die Ausstellung von Alfons Wiest. Foto: Ramona Theiss
Blick in die Ausstellung von Alfons Wiest. Foto: Ramona Theiss
Blick in die Ausstellung von Alfons Wiest. Foto: Ramona Theiss
Blick in die Ausstellung von Alfons Wiest. Foto: Ramona Theiss
Alfons Wiest mit „Diadumenos unter Beobachtung“. Foto: Ramona Theiss
Alfons Wiest mit „Diadumenos unter Beobachtung“. Foto: Ramona Theiss
Der Löchgauer Künstler Alfons Wiest zeigt im Atrium des Kreishauses seine faszinierende Werkschau mit knapp 100 Arbeiten. Tausende Bohrungen sind mitunter nötig, um die besondere Struktur in den hölzernen Gebilden zu schaffen. Auch der schwäbische Dichter Hölderlin ist mit von der Partie.

Ludwigsburg. Den prallvollen Siebeneinhalbtonner-Lkw mit 94 seiner mitunter raumgreifenden, höchst filigranen und daher entsprechend sorgsam verpackten Holzarbeiten habe er selbst von Löchgau in die Barockstadt gefahren, erzählt Alfons Wiest und ergänzt lächelnd: „Ein bisschen groggy bin ich jetzt schon.“ Für ihn ist die neue Ausstellung im lichtdurchfluteten Atrium des Kreishauses die größte Einzelschau bislang, da lohnt es sich schon, kräftig mit anzupacken – zumal sie coronabedingt bereits verschoben werden musste. Nun präsentiert der Künstler, 1956 geboren und während seiner freischaffenden Tätigkeit lange Jahre als Kunstlehrer in Markgröningen tätig, an Wänden, auf weißen Stelen und Podeste Marke gekonnter Eigenbau seine luftigen Gebilde.

Der Blickfang sind seine vier neuesten Arbeiten aus der Serie „Paar mit großer Idee“. Zwei menschliche Köpfe, im typischen Wiest-Stil leicht abstrahiert und mit den charakteristischen tropfenförmigen Augen, neigen sich, wohl zum Kuss, einander zu. Nur angedeutet ist dabei, wenn überhaupt, das jeweilige Geschlecht. Unter der innigen Szene bildet sich als transparente Blase die „große Idee“, gemeinsam etwas auf die Reihe zu kriegen – vielleicht eine Familie zu gründen?

Über 400 Arbeiten zählt sein Gesamtwerk

Die Konstruktion folgt dem üblichen, sehr eigenen Prinzip von Alfons Wiest: Mehrere – in diesem Fall sieben – Buchenholzplatten werden in Schichten so bearbeitet, gesägt, geschliffen, siebartig durchbohrt und verleimt, dass am Ende ein Hohlkörper entsteht. Die unzähligen Löcher im richtigen Abstand zu bohren, ohne das Gebilde zu zerstören, ist dabei alles andere als einfach. „Es ist ein wahnsinniger Aufwand“, stöhnt Wiest. Zu allem Überfluss zählt bei ihm eigentlich vor allem die Idee, die Umsetzung hingegen ist eher die mühsame, aber notwendige Pflicht des Künstlers – ein wenig wie damals bei Michelangelo, der viele seiner Werke aus Trotz erst gar nicht beendet habe, scherzt Wiest.

Nichts läge ihm natürlich ferner, sonst wäre nach über 400 Arbeiten auch kaum eine solche breite Werkschau möglich, in der man gut die Entwicklung der letzten 20 Jahre verfolgen kann – von der fast noch zweidimensionalen, naturfarbenen Holzplatte mit angedeuteten Köpfen („Trio mit Koordinaten“, 2011) bis hin zur heutigen Skulptur mit ihrer sorgsam aufgetragenen, schillernden Acryl-Färbung und gezeichneten Strukturen. Typisch für Wiest sind auch die zahlreichen Verweise auf die Kunstgeschichte: Mal zitiert er die vereinfachte Profildarstellung der frühen Renaissance („Mädchen nach Pisanello“, 2005), mal antike Heldenabbildungen („Diadumenos unter Beobachtung“), von Rodin greift er die erotische Sprache auf, von Brancusi das Reduzierte.

Nicht dynamisch, sondern eher ruhig

Entscheidend ist und bleibt laut Wiest in jedem Fall: die Komposition. „Es muss eine Gesamtspannung aufbauen – ohne dabei dynamisch zu werden, das ist ja alles sehr ruhig.“ Und durch die je nach Lichteinfall schillernde Leere in den Köpfen wird „das positiv Gemeinte durch Luft ersetzt“, so der Gedanke. Viele dieser Ideen vereint die Arbeit „Alleinerziehend – Salve Regina, Mater Mundi“, die eine Brücke vom menschlichen Einzelschicksal zur religiösen Darstellung schlägt: Zu sehen ist eine Mutter mit ihrem Kind, darunter eine andere Figur, die möglicherweise der nicht (mehr) greifbare Vater ist, dazu ein schemenhafter Vogel, beobachtet durch angedeutete anonyme, missgünstige Augen. Oder aber die Gottesmutter im barocken Stil über der Weltkugel im Sockel, dazu die beiden Köpfe und der Vogel, als Dreifaltigkeit – Vater, Sohn und Heiliger Geist.

Zugeständnis an die Popkultur

Neben den vielen typisierten Köpfen gibt es im Werk Alfons Wiests auch die individuellen, darunter findet sich etwa der schwäbische Dichter Friedrich Hölderlin nebst zahlreicher seiner Flammen. Aber auch die Musiker Bob Dylan und Mark Knopfler sind dabei in dieser überaus sehenswerten Schau – nach mehreren Gruppenausstellungen im Kreishaus sein erster Einzelauftritt –, quasi als kleines, feines Zugeständnis an die Popkultur.

Info: Die Ausstellung „Köpfe, Paare, Transparenzen“ wird am Donnerstag, 2. Juni, um 19 Uhr im Atrium des Erweiterungsbaus eröffnet. Sie ist bis 22. September zu den üblichen Öffnungszeiten des Landratsamts zu sehen. Weitere Infos: www.schiller-vhs.de.