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RESIDENzSCHLOSS
Textile Schätze wiederentdeckt

Patricia Peschel zeigt ein Stück der im Original erhaltenen Fransenborte eines Vorhangs. Sie konnte dem ursprünglichen Textil zugeordnet werden mittels einer Abbildung, die über eine erhaltene Fotoglasplatte in einem aufwendigen Verfahrenen gewonnen
Patricia Peschel zeigt ein Stück der im Original erhaltenen Fransenborte eines Vorhangs. Sie konnte dem ursprünglichen Textil zugeordnet werden mittels einer Abbildung, die über eine erhaltene Fotoglasplatte in einem aufwendigen Verfahrenen gewonnen wurde. Die originalgetreu nachgewebte Borte wird dann an ihrem ursprünglichen Platz angebracht. . Foto: Holm Wolschendorf
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Eröffnung der originalgetreu restaurierten königlichen Räume im Neuen Corps de Logis auf 2023 verschoben

Ludwigsburg. Es ist ein Projekt, das in Europa seinesgleichen sucht: Die 56 Wohn- und Repräsentationsräume des ersten württembergischen Königspaars im Neuen Hauptbau des Residenzschlosses werden restauriert und mit 2000 Objekten möglich originalgetreu wieder hergestellt. Seit 2010 verfolgt Oberkonservatorin Patricia Peschel dieses Projekt. Mit analytischer und systematischer Genauigkeit hat sie Inventarlisten im Schloss sowie Unterlagen im Staatsarchiv Stuttgart und Ludwigsburg durchforstet und entdeckt, dass – anders als erwartet – auch die originale Ausstattung der Räume mit Textilien der Zeit vom Beginn des 19. Jahrhunderts möglich ist.

„Von bahnbrechender Bedeutung für die Rekonstruktion des gesamten Corps de Logis“ sei das, schwärmt Michael Hörrmann, Geschäftsführer der Staatlichen Schlösser und Garten Baden-Württemberg. Denn Vorhänge und Möbelbezüge sind ein wesentliches Element des authentischen Raumeindrucks. Nach und nach hat sich bei der Erfassung der Bestände in den Räumen und Depots immer deutlicher gezeigt, wie vollständig das Wissen über diesen fragilen Teil der Ausstattung ist.

„Wie bei einem Puzzle haben die Steinchen nach und nach ein Gesamtbild ergeben“, berichtet Patricia Peschel. Die Einzelteile aus den Beständen und Depots fügten sich anhand von noch erhaltenen Inventaren der Zeit zu einem bis ins Detail gehenden Wissen über die diesen Teil der Ausstattung. Möbelbezüge und Fensterdekorationen ließen sich exakt datieren, Borten, Besätze und Stofffragmente zuordnen. Mit diesen Originalen und aufwendigen Nachwebungen nach den originalen Fragmenten wird nun auch die textile Einrichtung der Räume von König Friedrich I. und Königin Charlotte Mathilde vom Beginn des 19. Jahrhunderts exakt wieder hergestellt. 56 Fensterdekorationen in den königlichen Apartments und eine Vielzahl von Polsterbezügen werden so rekonstruiert.

Der ursprünglich festgesetzte Kostenrahmen der Gesamtrestaurierung von 4,6 Millionen Euro wird trotzdem eingehalten: „Wir haben solide und mit einem gewissen Puffer kalkuliert und auch intern Gelder umgeschichtet“, erklärt Hörrmann dies.

Weil die Stoffe nicht raumweise nacheinander gewoben und abgearbeitet werden können, sondern die alten Muster aufwedig angefertigt werden, ist es entgegen den ursprünglichen Plänen allerdings unmöglich, bereits ab 2020 Teile der Apartments Raum für den Besucher wieder zugänglich zu machen. Die vollständige Folge der Wohn- und Repräsentationsräume des ersten württembergischen Königspaares wird deshalb erst 2023 wiedereröffnet.

Was Michael Hörrmann als „Wermutstropfen“ bezeichnet, sieht Stefan Hurst, Leiter der Ludwigsburger Schlossverwaltung „ganz klar als Chance – auch für Kenner – das Schloss auf eine neue Art zu erleben“. Denn ab dem 1. August ändert sich der Weg der Führungen durch das Residenzschloss. Sie starten nun im Alten Corps de Logis und führen „in der Chronologie des nach und nach gewachsenen ursprünglichen Jagdschlosses“ (Hurst) durch den größeren nördlichen Teil der Beletage des Residenzschlosses und in bislang unzugängliche Räume. Dazu gehören zum Beispiel das Apartment des Erbprinzen mit seiner ungewöhnlichen Ledertapete oder der Blick hinter verborgene Tapetentüren und in Bedienstetenzimmer. Auch die Barockgalerie kann dann stärker eingebunden werden.

Derweil werden Interessierte den Fortschritt der Arbeiten im Neuen Corps de Logis bis 2023 per Video im Internet verfolgen können. Dazu sollen regelmäßig „Tage der Restaurierung“ kommen, bei denen die Fortschritte vorgestellt werden.

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