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Solidarität
Ukraine-Krieg: Hilfe aus Ludwigsburg für Familie und Freunde in der Heimat

Christina Wemhöner sammelt mit Unterstützung von katholischen Kitas dringend benötigte medizinische Hilfsgüter wie Schmerzmittel, Verbandsmaterial, Wunddesinfektionsmittel oder Antibiotika.
Christina Wemhöner sammelt mit Unterstützung von katholischen Kitas dringend benötigte medizinische Hilfsgüter wie Schmerzmittel, Verbandsmaterial, Wunddesinfektionsmittel oder Antibiotika. Foto: Holm Wolschendorf
Auch Tetyana Bytniewski denkt Tag und Nacht an Familie und Freunde in der Heimat und hat mit ihrem Mann Lukas spontan eine Hilfsaktion gestartet. Fotos: Holm Wolschendorf
Auch Tetyana Bytniewski denkt Tag und Nacht an Familie und Freunde in der Heimat und hat mit ihrem Mann Lukas spontan eine Hilfsaktion gestartet. Foto: Holm Wolschendorf
Panzer, zerstörte Häuser, weinende Menschen: Die Bilder vom Krieg in der Ukraine sind schwer zu ertragen. Das gilt umso mehr für diejenigen, deren Familie und Freunde in der Ukraine leben. Christina Wemhöner und Tetyana Bytniewski stammen aus der Ukraine und versuchen von hier aus zu helfen.

Ludwigsburg. Viele Tränen sind bei Christina Wemhöner geflossen, seit der russische Präsident am Donnerstag Städte in der Ukraine angegriffen hat. Die 35-jährige gebürtige Ukrainerin bangt um ihren Vater und ihre jüngere Schwester Marjana. „Wir sind jeden Morgen in Kontakt“, erzählt sie mit zitternder Stimme im Gespräch mit unserer Zeitung. Schon Tage vor der Eskalation habe sie ihre Familie im westukrainischen Lemberg angefleht. „Sie sollten sich einen Notfallrucksack packen“, sagt sie. Eine Flucht in den Westen sei mit ihrer Unterstützung schließlich kein Problem gewesen. „Uns wird nichts passieren, Gott schützt uns“, sagte die Schwester. Dann kam der erste Sirenenalarm.

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Die Entwicklung in ihrer Heimat hatte Christina Wemhöner schon in den Wochen zuvor mit großer Sorge betrachtet. Seit die Bomben fallen, sind die Sorgen nicht kleiner geworden. „Die beiden haben sich entschieden zu bleiben“, so die 35-Jährige. Die Schwester kümmere sich um Geflüchtete. „Mein Vater ist Ukrainer, er war bei der Unabhängigkeit dabei, er will nicht ausreisen.“ Inzwischen dürfen Männer das Land ohnehin nicht mehr verlassen. Christina Wemhöner ist in Gedanken bei den Menschen in ihrer Heimat. „Meine Freundin aus Browary sitzt seit Donnerstag mit ihrem dreijährigen Kind im Keller“, erzählt sie, immer wieder kommen ihr die Tränen. Browary liegt unweit von Kiew, bisher eines von Putins wichtigen Zielen.

„Ich empfinde große Dankbarkeit für die Solidarität“

Erst habe sie nur geweint, am Samstag sei sie dann zur Friedenskundgebung auf den Ludwigsburger Marktplatz gekommen. Sie lernt dort Tanja Vocino kennen, ebenfalls Ukrainerin. „Auch ein kleiner Mensch kann etwas bewegen“, diese Idee vereint die beiden Frauen. Eine Freundin aus Lemberg schickt eine Liste mit wichtigen medizinischen Produkten, die vor Ort benötigt werden. „Wir haben uns entschieden, uns auf den medizinischen Bereich zu konzentrieren“, sagt sie. Nicht alles auf der Liste sei rezeptfrei zu bekommen, aber Verbandsmaterial und Schmerzmittel könne man ohne Probleme spenden. Über Chatgruppen und soziale Netzwerke im Internet vernetzt sie sich, veröffentlicht den Aufruf. „Am Sonntag habe ich noch nicht gewusst, wo wir die Sachen sammeln können“, sagt sie. Dann habe sich die Leiterin des katholischen Kinder- und Familienzentrums Eden in Eglosheim bei ihr gemeldet. Seitdem können Spendenwillige das medizinische Material in der Hirschbergstraße 77 abgeben. Auch das katholische Kinder- und Familienzentrum Sonnenhaus in Neckarweihingen (Landäckerstraße 11) nimmt Spenden entgegen. Während ihre Freundinnen in der Ukraine fürs Militär backen und Tarnnetze knüpfen, versuchen Frauen wie Christina Wemhöner aus dem Ausland ihren Beitrag zu leisten. „Ich empfinde große Dankbarkeit für die Solidarität“, sagt sie über den Zuspruch und die Hilfsbereitschaft in Deutschland. „Es ist ein Verbrechen, wenn Krankenhäuser und Wohnhäuser bombardiert werden.“ Sie bewundere die Menschen in ihrer Heimat, allen voran den Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, die sich mutig diesem Einmarsch entgegenstellen. „Die Ukrainer kämpfen nicht nur für sich, sondern für die Freiheit in Europa.“

„Wir sammeln alles, was ein Mensch im Bunker brauchen kann“

Die medizinischen Hilfsgüter sollen an die polnische Grenze gebracht werden, wo es Möglichkeiten für einen weiteren Transport gibt. Unterstützung könnte sie noch beim Transport bis zur Grenze gebrauchen. „Vielleicht gibt es noch eine Spedition, die uns helfen kann?“

Auch die Ludwigsburgerin Tetyana Bytniewski versucht, alle Hebel in Bewegung zu setzen, um Familie und Freunde in der Ukraine zu helfen. Sie stammt aus Wolodymyr-Wolynskyj, das an der polnischen Grenze liegt. Ihre Sorge gilt den Familien und Freunden in der Großstadt Schytomyr, in Sumy im Osten, in Dnieper an der Grenze zu Belarus, in Butscha bei Kiew und in Mariupol. „Meine ganze Familie lebt in der Ukraine, meine Freunde“, ihre Stimme zittert, sie erzählt von Raketen und nächtlichem Bombenalarm. „Leider haben sich die Frauen meiner Familie dazu entscheiden, bei den Männern zu bleiben.“ Bytniewski, selbst Mutter, sorgt sich vor allem um die Kinder und Jugendlichen, die noch im Land sind. Auch ihre Mutter habe sich nicht dazu bewegen lassen, die Ukraine zu verlassen. Dabei hätte sie im sicheren Polen problemlos eine Unterkunft vermittelt. „Sie wollte bei meiner Schwester bleiben.“

Die Sorge ist greifbar. Tetyana Bytniewski steht im ständigen Austausch mit den Menschen in ihrer Heimat. Ihre Schwester leitet eine Flüchtlingsunterkunft. „Ich bin stolz auf meine Schwester und mache mir gleichzeitig Sorgen um ihr Leben.“ Sie versuche von Deutschland aus zu helfen, wo sie kann und hat Kontakte zu zwei Krankenhäusern und der Caritas in Volyn.

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„Eigentlich sollte es eine kleine Hilfsaktion werden“, berichtet sie im Gespräch mit unserer Zeitung. „Jetzt wird es eine große“, sagt sie sichtlich bewegt von der spontanen Spendenbereitschaft. In der katholischen Kirchengemeinde Sankt Johann in der Weststadt füllt sich die Garage des Pfarrers mit Spenden. „Wir sammeln alles, was ein Mensch im Bunker brauchen kann“, berichtet sie. Das sind zum Beispiel haltbare, gut verpackte Lebensmittel, Schmerzmittel, Verbandsmaterial zum Beispiel für Brandwunden, Thermosflaschen, Taschenlampen mit Batterien, Hygieneartikel. „Nur das Nötigste kann mitgenommen werden“, sagt sie. „Spielzeug ist gerade nicht aktuell.“ In anderen Städten stehen auch Schnuller auf der Liste, das sei vielleicht für die Kinder in den Kellern auch noch eine gute Idee.

Ihr Mann wolle die Hilfsgüter so schnell wie möglich nach Polen ins Grenzgebiet zur Ukraine bringen. Von dort aus werde der Weitertransport organisiert. „Die Priorität eins ist jetzt der schnelle Transport der Hilfsgüter“, sagt Tetyana Bytniewski. Auch Geld für die Benzinkosten sei ihr schon angeboten worden. Sie hofft, dass sich schnell eine Möglichkeit für ein Spendenkonto in Deutschland findet oder ein Verein bereit ist, eingehende Spenden für die Hilfsaktion abzuwickeln.

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