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Corona
„Unsere Mutter braucht die Ansprache“

Nicht alle Angehörigen sind vom Besucherstopp betroffen. Wenn es der Arzt für notwendig zur Genesung eines Patienten erachtet, werden Ausnahmen gemacht. Symbolbild: Lightfield Studios/ stock.adobe.com
Nicht alle Angehörigen sind vom Besucherstopp betroffen. Wenn es der Arzt für notwendig zur Genesung eines Patienten erachtet, werden Ausnahmen gemacht. Symbolbild: Lightfield Studios/ stock.adobe.com
Die Familie von Birgit Zick-Groß hatte es in den vergangenen Wochen nicht leicht. Erst stirbt der Vater im Ludwigsburger Klinikum, allein. Kurze Zeit später wird die Mutter wegen einer Hirnblutung eingeliefert. Und dann schließt das Krankenhaus seine Türen: Besucherstopp. Die Familie erhält keine Ausnahmegenehmigung, die Mutter bleibt allein. Die Familie ist verzweifelt, wendet sich an unsere Zeitung. Schließlich kommt die Geschichte zu einem guten Ende. Das Klinikum räumt Kommunikationsprobleme ein, die Mutter darf wieder besucht werden.

Ludwigsburg. Das war passiert: Ende September starb der Vater von Birgit Zick-Groß im Ludwigsburger Klinikum – ohne Angehörige an seiner Seite. „Es war offenbar völlig unerwartet, deshalb hat uns keiner angerufen“, so Zick-Groß. Schon einen Abend früher sei es dem Vater schlechter gegangen, es habe ihn aber niemand besuchen dürfen. Denn die Zeit für einen regulären Besuch war schon verstrichen und einen Besuch außer der Reihe wollte man im Klinikum nicht gewähren, die Lage des Patienten schien nicht so dramatisch. Und dann doch der unerwartete Tod. „Für uns war das Schlimmste, dass er bei Bewusstsein und alleine war“, sagt die Tochter.

Doch damit endet die Geschichte nicht. Kurz vor der Beerdigung des Vaters erlitt die Mutter eine Hirnblutung. „Jetzt haben wir die gleiche Misere“, schrieb Birgit Zick-Groß an die LKZ. Denn während zu Beginn wenigstens noch ein Besucher pro Tag ins Krankenhaus kommen durfte, galt seit vergangener Woche der Besucherstopp. Die Kinder durften ihre Mutter vorerst nicht besuchen. „Das ist für mich unmenschlich“, klagte Zick-Groß. Ihre Mutter brauche Ansprache, damit sie wieder zu sich komme. Wenn man sie direkt etwas frage, antworte sie in kurzen Sätzen. „Die Pfleger meinten dagegen, dass sie nicht reagiert.“ Birgit Zick-Groß weiß jedoch, dass ihre Mutter spricht, wenn man nur Geduld hat. Ihr sei klar, dass die Pfleger dafür nicht unbedingt Zeit hätten. Umso wichtiger sei es, dass Angehörige zu Besuch kommen können. „Da fehlt mir einfach das Verständnis“, sagte sie.

Sie versteht, dass der Besucherverkehr im Krankenhaus eingegrenzt werden muss, damit das Infektionsrisiko gering gehalten wird. „Aber Patienten wie meine Mutter brauchen Ausnahmen.“

Das sieht auch Alexander Tsongas, der Sprecher der RHK-Kliniken so. Der Besucherstopp bedeute nicht, dass gar keine Besuche mehr gemacht werden dürfen, sagte er im Gespräch mit unserer Zeitung. Es gebe Ausnahmen (siehe Infokasten oben rechts). „Wenn die Ärzte der Meinung sind, dass es für die Genesung des Patienten förderlich ist, wenn er Besuch bekommt, dann dürfen Angehörige kommen“, so Tsongas. Es könne jedoch sein, dass die Situation in Einzelfällen vom Personal falsch eingeschätzt werde. Als Grund nennt er den „immensen Druck“, der aktuell auf den Mitarbeitern im Klinikum laste.

Der Grund, warum die Familie von Birgit Zick-Groß ihre Mutter in den vergangenen Tagen nicht besuchen durfte, ist für Tsongas ein Kommunikationsproblem. Denn die Voraussetzungen für eine Ausnahme vom Besucherstopp seien eigentlich gegeben gewesen.„Die Ärztin der Patientin hat sich sogar ausdrücklich gewünscht, dass sie besucht wird“, so Tsongas. Aus medizinischen Gründen sei das wichtig für die Patientin. So habe sie es in deren Akte notiert. Doch als dann der Besucherstopp verhängt wurde, hatten Mitarbeiter diesen wohl falsch interpretiert und auch diese Familie mit eingeschlossen, sagt Tsongas.

Sicher sei: „Die Patientin darf selbstverständlich besucht werden.“ Alle drei Kinder hätten die Erlaubnis, ihre Mutter zu besuchen. Und zwar nach den Regeln, die vor dem Besucherstopp galten: einmal am Tag eine Stunde lang.

Allerdings empfiehlt das Klinikum in solchen Fällen, dass nicht jeden Tag jemand anderes kommt. „Das Risiko, dass sich die Patientin ansteckt, ist dann dreimal so hoch“, erklärt Tsongas. Deshalb solle jeden Tag derselbe Angehörige kommen. Für die Familie ist das kein Problem. Das sei total verständlich, so Birgit Zick-Groß. „Wir sind einfach nur dankbar, dass unsere Mutter nicht mehr die ganze Zeit alleine ist.“

Klinikum

Begleitung bei Geburt oder in Notaufnahme

Vergangene Woche haben die RHK-Kliniken einen Besucherstopp verhängt. Damit reagierte man auf die Inzidenz, die im Kreis Ludwigsburg über dem Schwellenwert von 50 liegt. „Wir müssen zum Schutz unserer Patienten und Mitarbeiter alles tun, um die Infektionsgefahr in unseren Krankenhäusern so gering wie möglich zu halten“, begründete Geschäftsführer Dr. Jörg Martin die Entscheidung.

Deshalb seien die Kliniken für Besucher geschlossen. Doch das bedeute nicht, dass niemand mehr rein darf. „Wir haben einen Besucherstopp mit Augenmaß beschlossen“, sagt Kliniken-Sprecher Alexander Tsongas. Es gebe Ausnahmen, in denen Besuche doch erlaubt seien. Väter oder andere Begleitpersonen dürften weiter bei einer Geburt dabei sein, Kinder, gebrechliche und demente Patienten können in die Notaufnahme begleitet werden. Auch Patienten, deren Krankheit eine Ansprache nötig macht, dürften Besuch empfangen.

Außerdem dürfen Angehörige einen Patienten besuchen, der im Sterben oder auf der Palliativstation liegt. Auch, wer wegen einer Covid-Infektion im Sterben liege, dürfe besucht werden. Es gebe ja auch neben Corona Patienten, die mit Viren infiziert sind, etwa mit dem Noro-Virus oder der Influenza, die besucht werden, so Tsongas. Um sich nicht anzustecken, tragen Angehörige dann einen Schutzanzug. (cars)

Hintergrund

Schnelltests für Patienten, weniger für Besucher

Könnte der Besucherstopp wieder aufgehoben werden, wenn es Schnelltests für Besucher geben würde? Das sei schwierig, so Kliniken-Sprecher Tsongas. Die RHK-Kliniken würden wohl in Kürze Schnelltests bekommen, doch auch bei diesen sei die Kapazität begrenzt. „Da müssen wir genau überlegen, für was wir sie einsetzen“, so Tsongas. In erster Linie seien solche Tests für die Patienten selbst gedacht. „Je schneller wir Patienten, die wir aufnehmen, testen können, desto besser.“ Auch für Mitarbeiter biete sich ein Test an. Ob dann noch Kapazität für Besucher vorhanden ist, sei fraglich. (cars)