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Schlossfestspiele
Von der Magie des Teiges: Künstler Brad Hwang bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen

Startklar zum Backen: Brad Hwang mit seinem Ofen im Hof der Karlskaserne. Foto: Holm Wolschendorf
Startklar zum Backen: Brad Hwang mit seinem Ofen im Hof der Karlskaserne. Foto: Holm Wolschendorf
Dank der beiden alten Räder ist das 150-Kilo-Gerät mobil. Foto: Holm Wolschendorf
Dank der beiden alten Räder ist das 150-Kilo-Gerät mobil. Foto: Holm Wolschendorf
Echte handwerkliche Wertarbeit, und doch ein Kunstprojekt:: Die heiße Luft strömt von einer Kammer in Fußhöhe energieeffizient rund um die Backkammer. Foto: Holm Wolschendorf
Echte handwerkliche Wertarbeit, und doch ein Kunstprojekt:: Die heiße Luft strömt von einer Kammer in Fußhöhe energieeffizient rund um die Backkammer. Foto: Holm Wolschendorf
Auch spezielle Tische für die Brotverkostung hat Brad Hwang mitgebracht – entstanden sind sie ursprünglich für einen anderen Zweck in Berlin. Foto: Holm Wolschendorf
Auch spezielle Tische für die Brotverkostung hat Brad Hwang mitgebracht – entstanden sind sie ursprünglich für einen anderen Zweck in Berlin. Foto: Holm Wolschendorf
Beim zweiten Aufenthalt als Residenzkünstler der Festspiele wird Brad Hwang zum Bäcker. Mit einem mobilen Ofen wird er in den nächsten Wochen durch die Innenstadt fahren und Sauerteigbrot verteilen. Warum tut er das?

Ludwigsburg. Brad Hwang hat offenbar ein ziemliches Faible fürs Symbolische. Schon im vergangenen Jahr war der Künstler ein „Artist in Residence“ bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen, baute damals einen großen, mobilen Webstuhl nebst einer ausgefeilten Apparatur, mit der sich jeder Interessierte – in Zeiten des Corona-Abstands – seine mechanische Ersatz-Umarmung abholen konnte. Nun ist der gebürtige Südkoreaner, der seit Jahrzehnten in Berlin lebt, erneut in der Barockstadt zu Gast. Seine Mission: Brot backen – und damit für zwischenmenschlichen Austausch an vielen Orten in der Stadt sorgen. Auch diesmal macht der handwerklich versierte Bildhauer keine halben Sachen: Den mobilen Ofen hat er natürlich wieder weitgehend vor Ort in der Karlskaserne zusammengebaut, dabei geschweißt, geschliffen, genagelt, geschraubt, schließlich schon fleißig gebacken – seine rauen, leicht rußigen Hände zeugen davon.

Aber wie kam er auf die Idee? „Sauerteig hat etwas Magisches“, schwärmt Hwang, der schon seit einigen Jahren selbst Brot backt. Milchsäurebakterien und Hefe sorgen dafür, dass sich der Teig vermehrt, das Brot geht auf, die Hefe findet Nahrung. „Mein Gedanke war: Es gibt auf der Welt viele Arten von Bakterien, gute und böse“, so Hwang. „Jeder Mensch ist im Alltag ansteckend und ansteckbar, auch im übertragenen Sinne – geistig.“ Etwa durch ein Gespräch, Ideen, durch das eigene Reden und Handeln. Krieg oder Frieden? Beides könne sich in diesen Zeiten ausbreiten, die Gefahr bestehe. „Ich hoffe aber natürlich, dass der Wunsch nach Frieden virulenter wird.“ Und Brot ist gut, um damit anzufangen. Brad Hwang ist schon lange fasziniert vom Prinzip der kommunalen Backhäuser oder, noch früher, im Mittelalter, der fahrbaren Lehmöfen. An Backtagen traf man sich am Ofen, jeder mit seinem Teig, es war ein richtiger Begegnungsort. „Ich mag diese Idee“, sagt Hwang. „Diese soziale Struktur fehlt uns heute ein bisschen.“

Ein inspirierendes Konzept aus Südafrika

Beim Bau seines Ofens hat er sich an einer südafrikanischen Backinitiative namens „Bread-Rev“ orientiert, die in strukturschwachen Gegenden ihre einfach konstruierten, aber höchst effizienten und leistungsstarken Holzbacköfen verteilen. „Ein tolles, inspirierendes Konzept“, lobt Hwang. „Und es funktioniert super.“ Der Ofen besteht aus Metall, Holz und hitzebeständigem Vermiculite. An Brennholz braucht es nicht viel, dafür reicht eine kleine Kammer in Fußhöhe. Die heiße Luft strömt durch einen Hohlraum rund um den Backraum, bis zu 350 Grad sind theoretisch möglich. Rund 150 Kilo schwer ist das Gerät nun, das der Künstler mit zwei Rädern eines alten Fahrrads versehen hat, dazu eine Vorrichtung aus Holz, mit der sich das ungewöhnliche Gefährt vergleichsweise kommod durch die Gegend ziehen lässt.

Direkt in der Reithalle der Karlskaserne konnte Brad Hwang, der in den USA an der University of California und in Baltimore studierte, diesmal nicht arbeiten, schließlich musste er die Metallelemente schweißen – und da wären die Rauchmelder gleich angesprungen. Stattdessen hat er sich in einer Ecke neben dem Gebäude mit seinen Werkzeugen eingerichtet, einschließlich regenfester Abdeckung. Ab Mitte April war er am Werkeln, das Ganze dauerte aber dann doch etwas länger als geplant – weshalb er bislang nicht viel zum Backen kam und noch nicht mitten in der Stadt unterwegs war.

Was wird nach der Saison aus dem Wagen?

Das soll sich jetzt aber ändern. Bei mehreren Gelegenheiten kriegen die Besucher auf dem Marktplatz und im Hof der Karlskaserne nun Brot, können aber auch ihre eigenen Teige mitbringen wie bei einem Backhaus und backen lassen, so der Plan. Schon jetzt macht sich Hwang Gedanken, wo der Ofen nach der Festspiel-Saison Verwendung finden könnte, ein paar Ideen gibt es schon. Eine Art Brot-Club wäre nett, findet Hwang, Gastronomie eher nicht, lieber etwas Soziales, wo die Menschen zusammenkommen, um die Magie des Teiges zu erleben.

Info: Brad Hwang ist mit seinem Brotofen am 3. und 17. Juni rund um die „Freiluftmusik“ von 17 bis 20 Uhr auf dem Marktplatz. Am 4. und 11. Juni von 7 bis 14 Uhr steht er auf dem Wochenmarkt. Für das „Human Requiem“ hat er die Bühnenausstattung gemacht, nach den Aufführungen vom 7. bis 10. Juni verteilt er sieben Brotlaibe. Am 15. und 16. Juni von 11 bis 17 Uhr gibt es im Hof der Karlskaserne „Tage des offenen Ofens“.