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Standesamt
Weit mehr als nur Eheschließungen

Bis auf den letzten Platz besetzt ist der Theatersaal des Forums bei der Fachtagung für Standesbeamte, als Tobias Helms seinen Vortrag über das Abstammungsrecht hält. Fotos: Ramona Theiss
Bis auf den letzten Platz besetzt ist der Theatersaal des Forums bei der Fachtagung für Standesbeamte, als Tobias Helms seinen Vortrag über das Abstammungsrecht hält. Foto: Ramona Theiss
Im Forum tagen heute noch die Standesbeamten Baden-Württembergs – Thema sind die aktuellen Herausforderungen

Ludwigsburg. „Ist es Ihr freier Wille, mit der hier anwesenden Person die Ehe einzugehen?“ – Die Trauformel ist der häufigste Satz, den Standesbeamten während ihrer Arbeit von sich geben. Auch Manfred Neumann, der Vorsitzende des Fachverbands der Standesbeamtinnen und Standesbeamten in Baden-Württemberg, kann diesen Satz quasi im Schlaf. Trauungen sind das, was die Bevölkerung von der Arbeit eines Standesbeamten mitbekommt. Schade, findet Neumann: „Unsere Arbeit wird oft reduziert auf Eheschließungen.“ Doch im Standesamt fällt auch „viel Juristerei“ an, ein Aspekt, der bei den Bürgern nicht so präsent sei. Dennoch: Die Standesbeamten müssen sich auf den Gebieten auskennen und begegnen neuen Herausforderungen – ausgelöst zum Beispiel durch die Flüchtlingswelle oder die gleichgeschlechtliche Ehe.

Zu aktuellen Themen organisiert der Fachverband alle zwei Jahre eine Fachtagung, zu der die Standesbeamten aus ganz Baden-Württemberg zusammenkommen. Vor zwei Jahren waren die Beamten in Friedrichshafen, jetzt ist Ludwigsburg an der Reihe. „Auf Kreisebene werden die Standesbeamten zweimal im Jahr geschult“, sagt Neumann. Bei der Fachtagung gehe es jedoch auch darum, über den Tellerrand hinauszuschauen. „Der Erfahrungsaustausch ist sehr wertvoll“, sagt der pensionierte Standesbeamte. Gerade in kleinen Kommunen seien die Kollegen auf sich alleine gestellt und froh über die Möglichkeit, gemeinsam mit anderen Standesbeamten zu einem Ergebnis zu kommen.

1400 Standesbeamte aus ganz Baden-Württemberg haben gestern den Weg nach Ludwigsburg gefunden. Der Theatersaal im Forum am Schlosspark ist bis auf den letzten Platz besetzt. „Wir mussten sogar noch ein paar Stühle dazustellen“, so Verena Rathgeb-Stein, eine der beiden Stellvertreterinnen von Neumann. Das Interesse an den Themen auf dem Programm scheint groß, fleißig notieren sich die Zuhörer wichtige Punkte.

Das Spezialgebiet von Tobias Helms, Professor an der Universität Marburg, ist das Abstammungsrecht. Kurzweilig erklärt er in seinem Vortrag, was sich in Zukunft ändern wird. Das nicht nur, weil in Deutschland seit 2017 auch gleichgeschlechtliche Paare getraut werden dürfen. Auch zum Beispiel Samenspenden machen die Frage nach der Abstammung nicht unbedingt einfacher. „Wenn eine Frau mit einer anderen Frau verheiratet ist und ein Kind bekommt, wird dann die Ehefrau der Mutter automatisch zur Mit-Mutter?“ Das seien Fragen, denen sich Standesbeamte derzeit gegenübersehen. Derzeit befasst sich auch ein Arbeitskreis des Justizministeriums mit dem Abstammungsrecht.

Die Standesämter werden immer internationaler, denn es gebe immer mehr Fälle mit Auslandsbezug. Schon länger ist es nichts Ungewöhnliches, dass Bürger einen Übersetzer mit aufs Amt bringen, um sich verständigen zu können. „Wenn wir etwas beurkunden sollen, brauchen wir aber einen beeidigten Dolmetscher“, so Anke Heim, stellvertretende Vorsitzende des Fachverbands und Standesbeamtin in Karlsruhe. Flüchtlingswellen habe es immer wieder gegeben, doch vor 2015 habe es vor allem Großstädte betroffen. „Nun wohnen auch in den kleinsten Orten Flüchtlinge, die heiraten, Kinder kriegen und sterben“, so Heim. Jeder Standesbeamte müsse sich also mit dem Thema auseinandersetzen. Das ist gar nicht so einfach, denn bei manchen Flüchtlingen ist die Identität ungeklärt, weil sie ohne Papiere oder mit einem gefälschten Pass nach Europa gekommen sind. „Dann ist es die Aufgabe der Standesbeamten, die Identität festzustellen“, erklärt Neumann. Am heutigen zweiten Tag der Veranstaltung wird es deshalb auch besonders um Falschidentitäten und wie diese festzustellen sind gehen. Ein Dozent vom Landeskriminalamt wird erläutern, wie man mit Urkundenfälschungen umgeht.

Denn wenn die Identität nicht geklärt wird, kann keine Urkunde ausgestellt werden. Eheschließungen werden dann oft abgelehnt, so Anke Heim. Geburten und Todesfälle dagegen müssen beurkundet werden. „Die Frage ist ja nicht, ob die Frau ein Kind geboren hat, sondern eher wie die Frau heißt“, sagt Heim. Seit kurzem sei es möglich, einen einschränkenden Vermerk in der Urkunde einzutragen, dass die Identität der Mutter nicht bekannt ist. „Davor versuchen wir aber – oft über Monate hinweg – die Identität der Person festzustellen“, fasst Anke Heim zusammen, was für ein Aufwand hinter manchen Urkunden steckt.