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Sommer
Eine Radliebe rostet nicht

Mit zwölf Jahren bekam ich das coolste Bike, das ich jemals gefahren habe: das alte, klapprige Damenrad meiner Oma. Es war dunkellila und quietschte, wenn man zu heftig in die Pedale trat. Und das musste man oft, denn es gab nur drei Gänge – und nicht einmal einen Rückwärtsgang. Hach, es war einfach das schönste aller Räder!
Ludwigsburg. Der rostige Drahtesel wurde mein bester Weggefährte. Am liebsten fuhr ich lässig freihändig in der Gegend herum. Irgendwie hatte ich zu der Zeit zu oft Titanic geschaut und wollte wie Kate Winslet schweben. Auf einer Strecke bergab breitete ich also die Arme aus und schloss die Augen. Was war das für ein Gefühl, wie roch der Wind nach Freiheit. Doch plötzlich wurde es holprig, ich riss die Augen auf, aber es war zu spät. Das Rad rollte gerade in den Acker. Ich konnte nicht mehr bremsen. Und schwups – landete ich im Dreck. Voll Matsch und mit wunden Knien kam ich heim. Aber ich war glücklich. Mein Rad und ich gingen einfach durch jeden Dreck. Bis es mir geklaut wurde. Es war einfach weg. Mein rostiges Rad! Ich war so traurig, dass ich kein neues wollte – bis heute.