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Energieversorgung
Nur russisches Öl: Was wird aus der Raffinerie in Schwedt?

PCK-Raffinerie
Anlagen auf dem Industriegelände der PCK-Raffinerie GmbH. Foto: Patrick Pleul
Deutschland sucht nach Wegen, unabhängig von russischem Öl zu werden. Dabei rückt die Raffinerie in Schwedt immer weiter in den Fokus. Das sorgt für Unruhe bei Stadt und Gewerkschaft.

Schwedt. In der Diskussion um weniger Abhängigkeit von russischem Öl gerät auch die Zukunft der Raffinerie PCK Schwedt in der Uckermark immer mehr in den Blick.

Die Gewerkschaft IG BCE Berlin-Brandenburg hat sich klar hinter die Beschäftigten gestellt. «Wenn sich irgendetwas ergibt, was sich auf die Beschäftigten auswirkt, steht ihre Gewerkschaft selbstverständlich dicht an ihrer Seite», sagte Bezirksleiter Rolf Erler der Deutschen Presse-Agentur.

PCK verarbeitet ausschließlich russisches Erdöl. Eigentümer ist mehrheitlich der russische Staatskonzern Rosneft. Die Raffinerie PCK bekommt das Öl über die Pipeline «Druschba» (Freundschaft). 1200 Mitarbeitende sind direkt im Werk beschäftigt. Darüber hinaus gibt es Hunderte Mitarbeiter, die bei Zulieferern und Dienstleistern auf dem Werks-Gelände arbeiten. Zudem werden zahlreiche Firmen der Region vom PCK mit Benzin, Diesel, Kerosin und Heizöl beliefert.

Berlin und Brandenburg werden fast komplett von PCK versorgt

PCK hat eine Schlüsselrolle für die Versorgung im Osten Deutschlands. 90 Prozent der Versorgung mit Benzin, Kerosin, Diesel und Heizöl in Berlin und Brandenburg wird von PCK sichergestellt. Das bedeutet auch - neun von zehn Autos fahren mit Kraftstoff aus Schwedt.

Die derzeitige öffentliche Berichterstattung über die Zukunft des Werks sieht die Gewerkschaft IG BCE kritisch. «Ich gehe davon aus, dass es für die Beschäftigten sehr herausfordernd ist, dass jeden Tag über ihre Zukunft spekuliert wird», so Bezirksleiter Erler.

Auch in der 30.000-Einwohner-Stadt Schwedt, die mit Errichtung des Erdölverarbeitungswerks in den 1960er Jahren entstand - ist die Verunsicherung weiter groß. Auch sie selbst habe im Moment mehr Fragen als Antworten zu dem, «was da auf uns zukommen wird», sagte Bürgermeisterin Annekathrin Hoppe (parteilos). In einem Brief an Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) fordern sie und die Stadtverordneten, dass in Berlin mit Bedacht und Weitsicht gehandelt wird. «Vom Bundeswirtschaftsministerium fühlen wir uns derzeit zu wenig mitgenommen», kritisierte Hoppe.

Natürlich müsse die Energiepolitik neu ausgerichtet werden. Aber das schaffe man nicht innerhalb weniger Tage. «Das ist ein Prozess, der mehrere Jahre in Anspruch nehmen wird und der, wie der Kohleausstieg in der Lausitz, politisch begleitet und finanziell abgepuffert werden muss.» Die Stadt stehe aktuell im engen Austausch mit dem PCK, dem brandenburgischen Ministerpräsidenten und dem Wirtschaftsministerium, sagte Hoppe. Im Moment gingen alle Bemühungen dahin, keinen Arbeitsplatz zu verlieren.

Ministerium: Beschäftigte vor Embargo-Folgen schützen

Das Bundeswirtschaftsministerium will indessen negative Folgen eines Öl-Embargos für die PCG-Beschäftigten vermeiden. «Die Lichter gehen hier nicht sofort aus», sagte der Parlamentarische Wirtschaftsstaatssekretär Michael Kellner (Grüne) am Montag bei einem Besuch in Schwedt/Oder. Es gebe strategische Rohölreserven, damit Menschen, Beschäftigte und Unternehmen weiter arbeiten könnten. «Wir als Bundesministerium werden alles für die Beschäftigten und Verbraucher tun.»

Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) zeigte sich mit Blick auf die Raffinerie zurückhaltend zu der Möglichkeit einer Enteignung als letztes Mittel, was über eine Novelle des Energiesicherungsgesetzes geregelt werden könnte. «Wir müssen abwarten, wie das Gesetz formuliert wird», sagte Steinbach. «Für jedes Szenario gibt es Konsequenzen.» Steinbach hatte in der vergangenen Woche deutlich gemacht, dass ein mögliches Ende der russischen Öllieferungen die Raffinerie und Brandenburg vor besondere Herausforderungen stellen würde.

Am Freitag war im Bundestag erstmals eine Novelle des Energiesicherungsgesetzes beraten worden. Sie sieht vor, dass die Bundesregierung in einem Energie-Krisenfall in den Markt eingreifen darf und Unternehmen zur Not auch enteignen kann.

Shell führt Gespräche mit Bund und Brandenburg

Derweil führt das Energieunternehmen Shell Deutschland Gespräche mit Vertretern aus der Politik über eine mögliche Unterstützung von PCK nach einem möglichen Öl-Embargo gegen Russland. Minister Steinbach sagte am Montag bei einem Besuch in Schwedt, Shell habe zugesichert, Öl für PCK einzukaufen. Damit könnten 50 bis 60 Prozent der Kapazitäten gesichert werden. Shell Deutschland ist Miteigentümer der Raffinerie.

«Die Äußerungen des brandenburgischen Wirtschaftsministers, dass Shell die PCK in Schwedt auch unter Inkaufnahme wirtschaftlicher Verluste unterstützen werde, um die Versorgung der Region aufrecht zu erhalten, haben wir zur Kenntnis genommen», teilte Shell Deutschland der Deutschen Presse-Agentur mit. «Tatsache ist, dass aktuell intensive Gespräche zwischen Wirtschaftsvertretern, Bund und Land geführt werden.»

© dpa-infocom, dpa:220502-99-125804/5