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Kosten und Zeitplan korrigiert
Stuttgart 21 könnte bis zu 8,2 Milliarden Euro kosten

Dass die Kosten für das Bahnprojekt Stuttgart 21 ein weiteres Mal steigen würden, war klar. Nun hat der Aufsichtsrat die jüngsten Kalkulationen gebilligt und einen üppigen Risikopuffer eingebaut.

Berlin/Stuttgart (dpa) - Das Bahnprojekt Stuttgart 21 verschlingt immer mehr Geld und wird noch später fertig. Bis zu 8,2 Milliarden Euro soll es nun kosten.

Zudem wird der unterirdische Durchgangsbahnhof erst Ende 2025 betriebsbereit sein, vier Jahre später als zuletzt offiziell festgelegt. Der Konzern-Aufsichtsrat stimmte in einer Sondersitzung in Berlin einem entsprechenden Beschlussvorschlag des Vorstands zu. Grundlage dafür war ein externes Gutachten.

Als neue Kostenprognose nannte die Bahn 7,705 Milliarden Euro. Hinzu kommt ein Risikopuffer von 495 Millionen Euro für «unvorhergesehene Ereignisse», so dass sich ein Finanzierungsrahmen von 8,2 Milliarden Euro ergibt. Diesen erachteten die Gutachter aus Wirtschaftsprüfern von PwC und Ingenieuren von Emch+Berger für notwendig, hieß es vom Aufsichtsrat.

Von den Gutachtern bestätigt, habe der Vorstand «glaubhaft dargelegt, dass die Fortführung des Projekts Stuttgart 21 wirtschaftlicher ist als ein Abbruch». Der Kostenrahmen, jeweils mit Puffer, lag 2009 bei 4,526 Milliarden Euro, 2013 waren es dann 6,526 Milliarden.

Außerdem wurde der Zeitplan am Freitag nochmals korrigiert: Der neue Hauptbahnhof mit seinen Anschlusstrecken soll nun Ende 2025 betriebsbereit sein. Trotz Zweifeln hatte die Bahn bis zuletzt offiziell Ende 2021 als Eröffnungstermin genannt. An der Station wird seit Februar 2010 gebaut.

Auch die mit Stuttgart 21 zusammenhängende Neubaustrecke Wendlingen-Ulm wird teurer. Die neue Kostenprognose sieht 3,7 Milliarden statt bisher 3,26 Milliarden Euro vor. Die Fertigstellung verschiebt sich um ein Jahr auf Ende 2022.

Für dieses Vorhaben gilt ein anderes Finanzierungsmodell: Das Land Baden-Württemberg hat 950 Millionen Euro als festen Baukostenzuschuss zur Verfügung gestellt. Von einem kleinen Eigenanteil der Bahn abgesehen, soll der Bund den Löwenanteil von rund 2,7 Milliarden übernehmen. Ein Teil davon soll von der EU wieder an die Bundeskasse zurückfließen.

Die Gründe der höheren Kalkulation für Stuttgart 21 liegen laut Aufsichtsrat in gestiegenen Baupreisen sowie «deutlich aufwendigeren Verfahren beim Tunnelbau» durch das aufquellende Mineral Anhydrit, umfangreichen Genehmigungsverfahren und schließlich in der späteren Inbetriebnahme.

Wer für die Mehrausgaben aufkommt, ist nicht geklärt. Die Bahn, der Bund, die EU, das Land Baden-Württemberg, die Stadt Stuttgart und der örtliche Flughafen hatten 2009 vereinbart, die Kosten aufzuteilen. Die Bauherrin Deutsche Bahn wurde mit 1,7 Milliarden Euro der größte Finanzier. Für den 2013 festgelegten Aufschlag um 2 Milliarden Euro wollte die Bahn die übrigen Projektbeteiligten in die Pflicht nehmen. Doch die lehnen das ab.

Der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) sagte: «Ich muss mit Erschrecken feststellen, dass alle Befürchtungen der Kritiker sich bewahrheiten. Dieses Projekt ist und bleibt eine kapitale und folgenschwere Fehlentscheidung, die leider nicht durch Volksentscheid korrigiert wurde.» Hermann lehnte wie Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) eine Beteiligung an den Mehrkosten erneut ab. «Die Bahn baut Stuttgart 21, nicht die Stadt.» Kuhn verwies zugleich darauf, dass die weitere Bauverzögerung auch Folgen für die Entwicklung der Kommune habe. Auf dem frei werdenden Gleisareal sollen unter anderem einmal 7500 Wohnungen entstehen.

Wegen der Verzögerungen und Kostensteigerungen wird Stuttgart 21 oft in einem Atemzug mit der Elbphilharmonie und dem Flughafen Berlin Brandenburg (BER) genannt. Das Hamburger Konzerthaus wurde vor einem Jahr mit sieben Jahren Verzögerung eröffnet, die Kosten hatten sich auf 789 Millionen verzehnfacht. Der BER soll nun 2020 in Betrieb gehen - mit neun Jahren Verspätung und für 6,5 Milliarden Euro statt der ursprünglich vorgesehenen 2 Milliarden Euro.

Der Grünen-Verkehrspolitiker Matthias Gastel verlangte abermals ein strenges Kostenmanagement. «Die Finanzierung durch den Bund darf kein Tabu mehr sein», fügte er hinzu. Die Bundesregierung müsse ihre Rolle als Bahn-Eigentümerin «endlich ernst nehmen und Lösungsvorschläge für die aus dem Ruder laufenden Kosten auf den Tisch legen.»

Die Bahnexpertin der Linken-Fraktion im Bundestag, Sabine Leidig, nannte Stuttgart 21 «gänzlich unwirtschaftlich». Aufsichtsräte, die auf dieser Basis das Projekt einfach fortführten, «stehen mit einem Bein im Gefängnis, weil sie verpflichtet sind, wirtschaftlichen Schaden vom Unternehmen abzuwenden. Der Eigentümer Bund muss die Notbremse ziehen.»