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Handwerk wirbt um Flüchtlinge
Zahl der neuen Auszubildenden wächst erstmals seit Jahren

Über Jahre hatten sich immer weniger Jugendliche für eine Lehre entschieden - auch, weil vielen ein Studium attraktiver erscheint. Nun könnten Zuwanderer für eine Trendwende sorgen.

Wiesbaden (dpa) - Erstmals seit 2012 haben vergangenes Jahr wieder mehr junge Menschen eine Ausbildung in Deutschland begonnen. 2017 schlossen rund 514.900 junge Menschen einen neuen Lehrvertrag ab, wie das Statistisches Bundesamt mitteilte.

Auf Basis der vorläufigen Zahlen sei das ein kleines Plus von 1,0 Prozent gemessen am Jahr 2016. Damit endet ein jahrelanger Abwärtstrend, der in vielen Branchen die Sorge vor Fachkräftemangel verstärkt hatte.

2016 hatte die Zahl der neuen Auszubildenden mit 510.900 noch ein historisches Tief erreicht. Als Grund galten das hohe Interesse an einem Studium und die tendenziell schrumpfenden Jahrgänge im Zuge des demografischen Wandels. Als Ursache für die Wende vermuten die Statistiker nun die zunehmende Ausbildung von Flüchtlingen. Belegen lasse sich dies aber noch nicht, betonen sie.

Derzeit absolvieren im Handwerk laut Branchenverbrand ZDH gut 11.000 Flüchtlinge eine Ausbildung. Auch in Industrie- und Handelsberufen kommen viele in einer Lehre unter. Dort sind es dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) zufolge rund 9300. Jedoch haben viele Flüchtlinge schlechte Deutsch-Kenntnisse. Die Wirtschaft fordert daher mehr Sprachangebote.

Auch Zahlen der Bundesagentur für Arbeit (BA) hatten jüngst belegt, dass immer mehr Flüchtlinge hierzulande eine Ausbildung machen. Im vergangenen September absolvierten demnach fast 27.700 junge Leute aus den wichtigsten acht Asylherkunftsländern eine duale Ausbildung, etwa im Fahrzeugbau oder der Körperpflegebranche. Das waren 15.400 mehr als ein Jahr zuvor und gut 21.000 mehr als im Herbst 2015.

«Viele merken, dass sie mit einer dualen Ausbildung in der Zukunft viel mehr Möglichkeiten haben als mit einer kurzfristigen Beschäftigung», sagte ein BA-Sprecher. Umgekehrt sähen immer mehr Firmen in Flüchtlingen Potenzial, die Fachkräftelücke zu verkleinern.

Der Arbeitgeberverband BDA betonte nun, die Betriebe hätten 2017 trotz sinkender Zahlen von Schulabsolventen über 10.000 Ausbildungsplätze mehr bereitgestellt. Zum zehnten Mal in Folge habe es mehr unbesetzte Plätze als unversorgte Bewerber gegeben. Die Chancen junger Menschen auf eine Lehrstelle seien gut und bei Flexibilität bei Beruf und Arbeitsort «sogar hervorragend.»

Dennoch konnten demnach 2017 fast 50.000 Ausbildungsplätze nicht besetzt werden. «Das sind fehlende Fachkräfte von morgen», beklagten die Arbeitgeber. Berufliche Bildung und realitätsnahe Berufsorientierung, auch an Gymnasien, müssten ausgebaut werden. Die Debatte um eine Mindestvergütung in der Ausbildung sei aber falsch, da sie die unterschiedliche Wettbewerbslage der Betriebe verkenne.

Bei den neuen Zahlen aus Wiesbaden gibt es bei traditionellen Geschlechtervorlieben indes kaum Bewegung: Vor allem Männer interessieren sich für eine Lehre. 2017 stieg die Zahl der neuen männlichen Azubis um 3,7 Prozent, während sich bei den Frauen der rückläufige Trend der Vorjahre fortsetzte (minus 3,3 Prozent).

Im Branchenvergleich gab es den stärksten Zuwachs bei neuen Ausbildungsverträgen im öffentlichen Dienst (plus 6,5 Prozent) und im Handwerk (plus 2,8 Prozent). In Industrie und Handel, dem größten Ausbildungsbereich, sowie der Landwirtschaft gab es kaum Anstiege. Rückgänge wurden bei freien Berufen verzeichnet (minus 0,5 Prozent). Insgesamt stieg die Zahl der neuen Azubis in den neuen Bundesländern inklusive Berlin mit plus 1,5 Prozent stärker als im Westen (0,9).

Eine duale Ausbildung, die zuletzt rund 1,3 Millionen Jugendliche bundesweit absolvierten, dauert in der Regel drei Jahre und enthält neben der betrieblichen Arbeit auch Unterricht in der Berufsschule.