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Verstoß gegen EU-Recht
EuGH: Abholzaktion im polnischen Urwald war illegal

Bialowieza-Urwald
Stämme von gefällten Bäumen liegen im Bialowieza-Urwald nahe dem Dorf Skupowo. Foto: Artur Reszko, PAP
Protest in Berlin
Mitglieder der Umweltorganisation «Robin Wood» protestieren in Berlin gegen die Abholzung des polnischen Urwalds Bialowieza (Archiv). Foto: Paul Zinken
Polen fühlt sich von der EU ohnehin oft gegängelt. Nun verpasst der Europäische Gerichtshof der Regierung in Warschau im Streit über EU-Naturschutzrecht noch einmal einen deutlichen Dämpfer.

Luxemburg (dpa) - Polen hat mit dem Abholzen Zehntausender Bäume im Naturschutzgebiet Bialowieza gegen EU-Recht verstoßen. Dies entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg und gab damit der EU-Kommission Recht.

Umweltkommissar Karmenu Vella äußerte sich danach zufrieden. Umweltschützer jubelten. Polen kündigte an, sich an das Urteil zu halten.

Bialowieza gilt als einer der letzten intakten Urwälder Europas mit einzigartiger Artenvielfalt. Der Naturraum erstreckt sich von Polen weit nach Weißrussland und ist auch als Unesco-Weltnaturerbe anerkannt. Zudem ist ein Teil davon auf polnischer Seite als Natura-2000-Gebiet nach EU-Recht besonders geschützt.

Trotz strenger Auflagen für die Forstwirtschaft erlaubte die polnische Regierung 2016, in dem Urwald fast drei Mal so viel Holz einzuschlagen wie vorher. Sie begründete dies mit der Ausbreitung des Borkenkäfers. Außerdem wurde das Einholen von Bäumen zum Schutz der «öffentlichen Sicherheit» genehmigt, also etwa zur Abwehr von Brandrisiken. 2017 wurden nach offiziellen Angaben 150.000 Bäume gefällt. Betroffen war mehr als die Hälfte des gesamten Schutzgebiets.

Die EU-Kommission klagte gegen Polen wegen Verletzung von EU-Naturschutzrecht, nämlich der Habitat- und der Vogelschutzrichtlinie, die in dem Natura-2000-Gebiet gelten. Der EuGH gab der Brüsseler Behörde Recht.

Polen habe nicht wie vorgeschrieben ausreichend vorab geprüft, welche negativen Auswirkungen die Abholzpläne haben könnten, erklärten die Richter. Zudem hätten die Behörden die Maßnahmen nicht beschränkt. Die Begründung, den Borkenkäfer einzudämmen, lässt das Gericht ebenfalls nicht gelten.

Die polnischen Maßnahmen führten insgesamt zu einer Zerstörung eines Teils des Naturschutzgebiets. Folglich könne es sich nicht um Maßnahmen zur Erhaltung des Gebiets handeln, befand das Gericht. Konkret bemängeln die Richter die Beschädigung von Fortpflanzungsstätten einiger streng geschützter Käfer und die mögliche Zerstörung von Vogelnistplätzen. (Rechtssache C-441/17).

Der polnische Umweltminister Henryk Kowalczyk beteuerte auch nach dem Urteil, dass alle Maßnahmen nur dem Erhalt des Urwalds gedient hätten. Doch bekräftigte Kowalczyk auch: «Wie ich bereits vorher deklariert habe, wird Polen das verkündete Urteil respektieren». Man werde sich nun detailliert mit der Entscheidung vertraut machen.

Sein Vorgänger Jan Szyszko war nach der Klage der EU-Kommission 2017 zunächst auf Konfrontationskurs geblieben. Erst als der EuGH in einer vorläufigen Entscheidung im Dezember ein Zwangsgeld von 100.000 Euro pro Tag androhte, wurden die Baumfällarbeiten gestoppt.

Umweltorganisationen sowie Grüne und Sozialdemokraten im Europaparlament begrüßten die EuGH-Entscheidung. «Das ist ein großer Sieg für alle Polinnen und Polen, denen das polnische Naturerbe am Herzen liegt», kommentierte Greenpeace Polska. Aktivisten der Organisation zum Schutz des Bialowieza Urwalds freuten sich über den Sieg, warnten aber vor neuen Abholzungsplänen.