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Flüchtlingspolitik in Europa
EU-Kommissar Oettinger warnt vor Eskalation im Asylstreit

Günther Oettinger
Günther Oettinger ist Haushaltskommissar der EU. Foto: Monika Skolimowska
Brüssel (dpa) - EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger will kurzfristig gemeinsam mit den Mitgliedsstaaten Milliardenbeträge zur Versorgung von Flüchtlingen in Afrika mobilisieren.

Wenn man vor Ort einen Vertragspartner finde, würde die EU in eine Unterbringung der Menschen in einem «abgeschlossenen Dorf» mit guten Bedingungen investieren, sagte Oettinger am Montag in Brüssel.

Als Partner kämen eine Regierung, eine Region oder eine örtliche Verwaltung in nordafrikanischen Staaten wie Libyen oder Tunesien in Frage. Sie sollten auf Zeit die Unterbringung von Flüchtlingen «in Menschenwürde» finanziert bekommen, also «Wasser, Abwasser, Kälte, Wärme, Obdach, Sicherheit, Kleidung, Nahrung und Bildung für ihre Kinder».

Die EU-Kommission würde in den Haushalten 2018 und 2019 «durch Umschichtungen freimachen, was geht», sagte Oettinger. Zudem würde er die Mitgliedstaaten um ergänzende Mittel bitten. Oettinger verwies auf Hilfen von insgesamt sechs Milliarden Euro zur Versorgung von Flüchtlingen in der Türkei. Eine vergleichbare Finanzierung für Menschen in Afrika sei sehr naheliegend.

Zugleich rief Oettinger zur Zusammenarbeit im Asylstreit auf. Europa brauche «handlungsfähige Regierungen», sagte er in Brüssel. «Und deswegen halten wir es für unabdingbar für die Handlungsfähigkeit Europas, dass Deutschland jetzt keine Regierungskrise bekommt, sondern dass sich CDU und CSU und SPD konstruktiv und bereit zeigen, eine Krise und eine Eskalation zu vermeiden.»

Fortschritte beim Thema Migration auf europäischer Ebene seien notwendig, «und die werden auch kommen», sagte Oettinger. «Der gute Wille ist, glaube ich, da. Aber da kann man nicht mit Fristsetzung sagen: In zwei Wochen, am 1. Juli, muss, muss, muss, muss, muss. Und wenn nicht, dann kommt es zum Bruch.»

Die CSU erwartet von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Vereinbarungen mit anderen EU-Staaten zur Rücknahme von Migranten, die von dort nach Deutschland weitergereist sind. Andernfalls will Innenminister Horst Seehofer (CSU) ab Juli Ankömmlinge zurückweisen, die schon in einem anderen EU-Staat registriert sind.

Libyen lehnt Aufnahmelager für Flüchtlinge auf seinem Boden kategorisch ab. Solche Lager verstießen gegen die Gesetze des Landes, sagte der Vize-Chef des libyschen Präsidentschaftsrates, Ahmed Maitik, in der Hauptstadt Tripolis nach einem Treffen mit dem italienischen Innenminister Matteo Salvini. Libyen sei aber bereit, mit der Europäischen Union in der Frage der illegalen Migration zusammenzuarbeiten.

Salvini schlug bei seinem ersten Besuch in Libyen Flüchtlings-Auffanglager an der südlichen Grenze des Bürgerkriegslandes vor. So solle verhindert werden, dass «auch Tripolis ein Trichter» für Migranten werde wie Italien, erklärte Salvini am Montag auf Twitter. Libyen nannte er ein «befreundetes Land». Ziel des Besuchs sei es, gegen die illegale Einwanderung vorzugehen und das Land in wirtschaftlichen, technischen und kulturellen Bereichen zu unterstützen.

Von Libyen legen die meisten Boote mit Migranten in Richtung Europa ab. Die Küstenwache des Landes teilte am Montag mit, sie habe erneut 167 Flüchtlinge im Mittelmeer aufgenommen. Erst am Sonntag hatte die Küstenwache ebenfalls Hunderte Flüchtlinge abgefangen.

«Libyen ist kein Problem sondern eine große Chance», sagte Salvini weiter. Er lobte die «exzellente Arbeit» der libyschen Küstenwache und der Behörden vor Ort bei der «Rettung» von Migranten. Menschenrechtsorganisationen prangern immer wieder Folterungen, Vergewaltigungen und Versklavung von Flüchtlingen in Libyen an.

Der Besuch in Tripolis war Salvinis erster offizieller Auslandsbesuch als Innenminister und Vize-Ministerpräsident. Der Chef der fremdenfeindlichen Lega fährt seit Amtsbeginn vor rund einem Monat einen harten Kurs gegen Migranten.