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Schwere Organisationsprobleme
Gewalt und Chaos bei Parlamentswahl in Afghanistan

Wählerin
Eine Frau wirft in Bamyan ihren Stimmzettel für die Parlamentswahlen in eine Wahlurne. Foto: Noor Arya/XinHua
Über drei Jahre ist die Parlamentswahl in Afghanistan immer wieder verschoben worden. Nun ist zwar abgestimmt worden - doch vielerorts herrscht Chaos und Gewalt, es gibt viele Tote. Was hat das für Auswirkungen?

Kabul (dpa) - Die Parlamentswahl in Afghanistan ist von einem Organisationschaos und schweren Anschlägen mit zahlreichen Toten überschattet worden.

Nach Angaben von Innenminister Wais Barmak kamen am Wochenende bei Angriffen etwa der radikalislamischen Taliban mindestens 28 Menschen im Zusammenhang mit der Abstimmung ums Leben, darunter elf Sicherheitskräfte. Mehr als 100 Menschen seien verletzt worden. Vielerorts mussten Wähler am Samstag unverrichteter Dinge wieder nach Hause gehen, weil ihre Wahllokale auch Stunden nach eigentlichem Beginn nicht öffneten. Die Wahlkommission verlängerte die Abstimmung in mehr als 400 Stimmlokalen daher um einen Tag.

Doch auch am Sonntag hielten die massiven organisatorischen Probleme an. 148 Stimmabgabezentren seien wegen Sicherheitsproblemen komplett geschlossen geblieben, sagte die Sprecherin der Unabhängigen Wahlkommission, Schaima Surusch. Eigentlich hätten am zweiten Wahltag 401 Stimmlokale öffnen sollen - ein regulärer Ablauf der Wahl war in diesen Einrichtungen bereits am Samstag unmöglich gewesen. In vielen Fällen fehlten nach Angaben von Beobachtern die nötigen Wahlmaterialien, teils tauchte das Personal nicht auf, teils ließen technische Probleme die Abhaltung der Wahl nicht zu. Welche Möglichkeiten es nun für die Wähler jener Wahllokale gibt, die ihre Stimmen auch am Sonntag nicht abgeben konnten, blieb zunächst unklar.

Am Samstag hätten insgesamt mehr als drei Millionen Wähler in 32 Provinzen ihre Stimmen abgegeben, sagte der Chef der Unabhängigen Wahlkommission, Abdul Badi Sajad. Zahlen weiterer Wahllokale stehen noch aus. In zwei Provinzen wird erst später gewählt.

Tausende Wähler mussten am ersten Wahltag über viele Stunden vor den Wahllokalen warten, da beispielsweise für die Abstimmung nötige Materialien fehlten oder die kurz vor der Wahl eingeführten biometrischen Geräte zur Wählererfassung nicht funktionierten. Viele Wählerlisten waren zudem nicht komplett, vielerorts kam das Wahlpersonal zu spät oder erschien gar nicht. Etliche Wähler gingen enttäuscht und unverrichteter Dinge wieder nach Hause, andere hielten Demonstrationen ab. Sie hielten der Regierung Inkompetenz vor, dort werde nicht ernst genommen, dass viele Menschen angesichts der latenten Anschlagsgefahr ihr Leben für die Stimmabgabe riskierten, hieß es. Kritik musste auch die Unabhängige Wahlkommission einstecken.

Die mit mehr als drei Jahren Verspätung durchgeführte Abstimmung gilt als wichtiger Testlauf für die im April 2019 anstehende Präsidentschaftswahl. Doch die Hoffnung, die Wahl könne zur Stabilisierung des Landes beitragen und die demokratischen Institutionen stärken, wurde auch durch Anschläge getrübt. Die Taliban hatten bereits im Vorfeld zum Boykott aufgerufen und mit Anschlägen gedroht. Sie machten ihre Drohungen wahr und griffen in mindestens zehn Provinzen Wahleinrichtungen an. Sie feuerten Raketen und Mörsergranaten auf Wahlstationen und platzierten Bomben. Auch in der Hauptstadt Kabul gab es mehrere Explosionen.

In der Provinz Balch wurden am Samstag vier Wahlbeobachter getötet. Sie seien in einen Hinterhalt der Taliban geraten, sagte der Sprecher des Gouverneurs, Minir Farhad. Die Taliban bestritten eine Involvierung in diesen Vorfall.

Insgesamt bewerben sich mehr als 2500 Kandidaten für 250 Sitze in der Wolesi Dschirga (Haus des Volkes). Erste vorläufige Ergebnisse sollen am 10. November veröffentlicht werden.