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Entscheidung nach Monaten
Puigdemonts Auslieferung steht bevor

Schleswig-Holsteins Oberlandesgericht sagt Ja zur Auslieferung des katalanischen Separatistenführers Carles Puigdemont. Doch vorerst bleibt er weiter in Deutschland - und prüft weitere Schritte.

Schleswig (dpa) - Nach monatelangem juristischen Gerangel soll der katalanische Separatistenführer Carles Puigdemont an Spanien ausgeliefert werden.

Das schleswig-holsteinische Oberlandesgericht (OLG) erklärte eine Auslieferung des Politikers wegen des Vorwurfs der Veruntreuung für zulässig, nicht jedoch wegen Rebellion, dem Hauptvorwurf der spanischen Justiz. Damit darf Puigdemont in Spanien nur wegen Veruntreuung belangt werden.

«Der Senat geht davon aus, dass die spanischen Gerichte diesen Grundsatz beachten und nicht etwa den Verfolgten Puigdemont nach der Auslieferung wegen des Vorwurfs der Korruption auch noch wegen Rebellion verfolgen werden», erklärte das Schleswiger Gericht.

Puigdemonts Anwälte kündigten an, beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe Einspruch gegen den Auslieferungsbeschluss einlegen zu wollen. Das sagte Anwalt Jaume García-Cuevillas dem katalanischen Fernsehsender TV3. Man werde vorbringen, dass es in Spanien «keine Garantien für einen fairen Prozess» gebe. Außerdem werde man «Widersprüche» in der Anklage der spanischen Justiz wegen Veruntreuung geltend machen.

Hintergrund der seit Monaten laufenden juristischen Auseinandersetzung um den katalanischen Politiker ist das Unabhängigkeitsreferendum vom Oktober 2017. Puigdemont ließ es abhalten, obwohl die Zentralregierung und Gerichte es als verfassungswidrig eingestuft hatten. Es kam damals zu gewalttätigen Ausschreitungen gegen spanische Polizisten. Für das Referendum wurden laut spanischer Justiz 1,6 Millionen Euro ausgegeben. Sie wirft Puigdemont Rebellion und Veruntreuung öffentlicher Mittel vor. Er bestreitet beide Vorwürfe.

Der katalanische Separatistenführer war Ende März in Schleswig-Holstein festgenommen worden, nachdem er von Dänemark aus eingereist war. Nach seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft in Neumünster am 6. April unter Auflagen war der Politiker zunächst nach Berlin gezogen. Sein aktueller Aufenthaltsort ist dem Gericht bekannt, der Öffentlichkeit jedoch nicht.

Schleswig-Holsteins Generalstaatsanwalt will bereits in den kommenden Tagen die Auslieferung bewilligen - der letzte juristische Schritt, in diesem konkreten Fall nur noch eine Formsache. Die Sprecherin der Generalstaatsanwaltschaft, Wiebke Hoffelner, sagte der Deutschen Presse-Agentur, «wir werden zeitnah die Auslieferung in dem für zulässig erklärten Umfang bewilligen». Laut Hoffelner werden nun die spanischen Behörden informiert. «Wir werden dann das Organisatorische der eigentlichen Auslieferung klären.»

Eine Auslieferung wegen des Vorwurfs der Rebellion lehnte das Gericht in Schleswig ab, weil die Vorwürfe gegen Puigdemont «weder den deutschen Straftatbestand des Hochverrats (Paragraf 81 Strafgesetzbuch) noch den des Landfriedensbruchs (§ 125 Strafgesetzbuch)» erfüllten. Ein Ausmaß der Gewalt, wie es die Vorschrift des Hochverrats vorsehe, sei durch die Auseinandersetzungen in Spanien nicht erreicht worden. Eine Strafbarkeit wegen Landfriedensbruchs scheide aus, weil es Puigdemont lediglich um die Durchführung des Referendums gegangen sei. Er sei kein «geistiger Anführer» von Gewalttätigkeiten gewesen.

Puigdemonts Anwalt García-Cuevillas sagte auf die Frage, ob es vorstellbar wäre, dass sich Puigdemont in Spanien nur wegen Untreue vor Gericht verantworten müsse und andere rangniedrigere separatistische Politiker wegen Rebellion prozessiert würden, Spanien würde sich damit «international der Lächerlichkeit preisgeben». Es wäre «absurd», wenn die spanische Justiz den Vorwurf der Rebellion gegen die anderen Angeklagten - von denen viele in Spanien in Untersuchungshaft sitzen - aufrecht erhielte, fügte er an.

Die Generalstaatsanwaltschaft hatte am 1. Juni auch erneut beantragt, den Auslieferungshaftbefehl gegen Puigdemont wieder in Vollzug zu setzen. Sie begründete dies mit anhaltender Fluchtgefahr. Das OLG entschied dagegen nun, dass der 55-Jährige weiter auf freiem Fuß bleibt. Zur Begründung hieß es, Puigdemont sei seinen Haftauflagen stets nachgekommen.

Puigdemont zeigte sich zufrieden mit der Entscheidung der deutschen Justiz. «Damit ist die Hauptlüge des Staates ausgelöscht. Die deutsche Justiz bestreitet, dass es sich beim Unabhängigkeitsreferendum am 1. Oktober um Rebellion gehandelt hat», twitterte der 55-Jährige.

Der katalanische Regionalpräsident Quim Torra begrüßte die Justizentscheidung in Deutschland ebenfalls: «Ich freue mich sehr für Präsident Puigdemont, weil dies einmal mehr die Irrtümer und Lügen eines juristischen Verfahrens aufzeigt, das es überhaupt niemals hätte geben dürfen», schrieb Torra am Donnerstag auf Twitter.

Mitteilung der Generalstaatsanwaltschaft Schleswig-Holstein