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«Überprüfung» gefordert
Deutsche Rüstungsexporte nach Khashoggi-Drama am Pranger

Erst vor kurzem setzte Außenminister Heiko Maas auf Entspannung im Verhältnis zu Saudi-Arabien. Nach dem Drama um die Tötung des Journalisten Khashoggi will die SPD nun eine härtere Gangart - und die Grünen machen Druck, alle Rüstungsexporte zu stoppen.

Berlin (dpa) - Nach der Tötung des regimekritischen Journalisten Jamal Khashoggi im Konsulat Saudi-Arabiens in Istanbul gerät die Bundesregierung wegen der umfangreichen Rüstungsexporte unter Druck.

«Nach so einem unfassbaren Vorgang gehört das deutsche Verhältnis zu Saudi-Arabien auf den Prüfstand», sagte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. «Dazu gehören auch Rüstungsexporte.» Es gebe die klare Verabredung in der großen Koalition, Exportrichtlinien viel restriktiver zu gestalten. Das müsse Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) dringend angehen.

Allerdings hatte SPD-Außenminister Heiko Maas zuletzt einen kritischeren Kurs seines Vorgängers Sigmar Gabriel (SPD) gegenüber Saudi-Arabien korrigiert. Gabriel hatte der Führung des ölreichen Wüstenstaats vor knapp einem Jahr «Abenteurertum» im Nahen Osten vorgeworfen, woraufhin Riad seinen Botschafter aus Berlin abzog. Dieser kehrte erst vor wenigen Tagen zurück, nachdem Gabriels Nachfolger Maas Bedauern über «Missverständnisse» geäußert hatte.

Saudi-Arabien ist in diesem Jahr bisher der zweitgrößte Kunde der deutschen Rüstungsindustrie: Bis zum 30. September erteilte die Regierung Exportgenehmigungen im Wert von 416,4 Millionen Euro. Nur nach Algerien wurde mit einem Volumen von 741,3 Millionen Euro mehr genehmigt.

Die Bundesregierung müsse «die strategische Partnerschaft mit Riad beenden und die Rüstungsexporte einstellen», sagte der außenpolitische Sprecher der Grünen, Omid Nouripour. «Es ist kaum auszuhalten, für wie dumm das saudische Königshaus die Weltöffentlichkeit hält», sagte er mit Blick auf die offiziellen Angaben, Khashoggi sei bei einem Faustkampf im Istanbuler Konsulat ums Leben gekommen.

Der im US-Exil lebende Khashoggi hatte am 2. Oktober das saudische Konsulat betreten, um Papiere für seine Hochzeit mit einer Türkin abzuholen. Türkische Regierungs- und Geheimdienstkreise streuten die These, Khashoggi sei im Konsulat gefoltert und zerstückelt worden.

Der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Jürgen Hardt nannte die Tötung «eine nicht hinnehmbare Menschenrechtsverletzung». Das Eingeständnis der saudischen Regierung sei aber ein erster wichtiger Schritt hin zur Aufklärung der Tat. «Saudi-Arabien ist und bleibt ein Schlüsselstaat in der Region des Nahen und Mittleren Ostens. Deutschland bleibt dem Ziel von langfristiger Stabilität und Frieden in der Region verpflichtet.»

Der frühere Außenminister Gabriel mahnte eine Überprüfung an. «Ich weiß nicht, ob wir alle Beziehungen auf Eis legen müssen, aber in jedem Fall, glaube ich, muss es weiterhin so sein, dass wir bei Rüstungsexporten zu Saudi-Arabien außerordentlich kritisch sind», sagte Gabriel dem Deutschlandfunk. Zur «Missverständnis»-Aussage von Maas gegenüber Riad meinte der von der neuen SPD-Spitze um Andrea Nahles abservierte Gabriel, es sei vielmehr ein Missverständnis zu glauben, Partner in der Wirtschaft dürften sich nicht kritisieren.

Es sei angemessen, das den Saudis klar zu sagen. «Und das erwarte ich ehrlich gesagt von westlichen Regierungen», sagte er mit Blick auf Maas.

Gabriel monierte, heute werde bei Rüstungsexporten auch dazugezählt, was nach seinem Verständnis keine Waffe sei. Das erkläre die hohen Exportzahlen ein Stück weit. Als Beispiele nannte er gepanzerte Fahrzeuge zum Schutz der Königsfamilie und Patrouillenboote zum Grenzschutz. Das Gefährlichste aber seien Kleinwaffen.

«Die Zahl der Kleinwaffen haben wir drastisch reduziert, und zumindest die jetzige Koalition hat beschlossen - ich hoffe, sie hält sich auch dran -, dass Kleinwaffen überhaupt nicht mehr in solche Länder exportiert werden dürfen.» Solche Geschäfte dürfe es nicht geben. «Übrigens nicht wegen eines einzelnen Mordes - der ist schlimm genug -, sondern weil Saudi-Arabien in einen ziemlich finsteren Krieg im Jemen verwickelt ist.» Dort gebe es eine humanitäre Katastrophe.

Der FDP-Politiker Alexander Graf Lambsdorff forderte ein Einbestellen der saudischen Botschafter in allen westlichen Staaten. «In einem Konsulat soll den Menschen geholfen und geschützt werden», sagte der Außenpolitiker der Deutschen Presse-Agentur. «Das ist ein schwerer Angriff auf die Integrität der diplomatischen Arbeit.»

Die Grundsätze des Wiener Übereinkommens müssten geachtet werden. Zudem forderte Lambsdorff einen Boykott deutscher Unternehmen der Investorenkonferenz nächste Woche in Riad. «Siemens ist einer der Hauptsponsoren», sagte er. Vorstandschef Joe Kaeser steht massiv in der Kritik, weil er anderes als etwa IWF-Chefin Christine Lagarde die Teilnahme bisher nicht abgesagt hat. Die Journalisten-Organisation «Reporter ohne Grenzen» forderte Kaeser in den Zeitungen der Funke Mediengruppe zum Verzicht auf die Teilnahme auf.

Gabriel im DLF

Auswärtiges Amt zu Saudi-Arabien

Wirtschaftsministerium zur Rüstungsexportkontrolle