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Experte sieht «Taktik»
Juden in der AfD wollen eigene Vereinigung gründen

Dimitri Schulz
Dimitri Schulz will gemeinsam mit anderen AfD-Politikern eine bundesweite Vereinigung der jüdischen Mitglieder gründen. Foto: Schulz/AfD Foto: dpanitf3
Wie viele jüdische Mitglieder die AfD hat, weiß niemand. Denn die Religionszugehörigkeit von Neumitgliedern wird in der Partei nicht abgefragt. Nun soll eine Vereinigung gegründet werden. Was manch einen irritieren könnte, ist einem Experten zufolge reine Taktik.

Berlin (dpa) - Judenfeindlichkeit? Gibt es in der AfD nicht, erklärte Baden-Württembergs AfD-Chef Ralf Özkara unlängst der «Stuttgarter Zeitung» und den «Stuttgarter Nachrichten». «Wir haben einige Juden in der Partei - wären wir so ein antisemitischer Haufen, wie es uns nachgesagt wird, dann wären die nicht bei uns.»

Wie viele Juden es genau sind, weiß die Parteiführung zwar nicht. Eines ist seit Kurzem aber bekannt: Anfang Oktober wollen sie im Rhein-Main-Gebiet eine bundesweite Vereinigung gründen.

«Die AfD ist die einzige Partei der Bundesrepublik, die (...) muslimischen Judenhass thematisiert, ohne diesen zu verharmlosen», schrieb Gründungsmitglied Dimitri Schulz am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur.

AfD-Bundesvorstandsmitglied Joachim Kuhs meint, er könne die Sorge jüdischer Mitbürger vor einer «muslimischen Einwanderung» verstehen. Viele dieser Zuwanderer verträten antisemitische Positionen, sagte er der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Kuhs ist einer der Vorsitzenden der «Christen in der AfD».

Zuerst hatte die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» (FAZ, Samstag) über die Pläne berichtet. Die Gründungsversammlung werde am 7. Oktober stattfinden, teilte Schulz mit. Räume in Offenbach seien angefragt, aber noch nicht bestätigt. Über den endgültigen Namen werde noch entschieden, vorläufig nenne man sich «JAfD».

Zur Gründung kommen Schulz zufolge - neben 20 Gründungsmitgliedern - AfD-Bundesvorstandsmitglied Beatrix von Storch und der hessische AfD-Sprecher Robert Lambrou. Die ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete Erika Steinbach werde ein Grußwort sprechen.

Jüdisch und AfD-Mitglied zu sein, das sei kein Widerspruch, findet Schulz. «Dass sich in den Reihen der AfD einzelne tatsächliche Antisemiten (...) finden, leugnen wir nicht; nur wird in der öffentlichen Wahrnehmung der Einfluss dieser einzelnen Mitglieder maßlos überschätzt.»

Karin Prien (CDU), Bildungsministerin in Schleswig-Holstein, sieht das anders. «Die AfD mit ungeklärtem Verhältnis zu Geschichtsrevisionismus und Antisemitismus kann kein guter Ort für Menschen jüdischen Hintergrundes sein», sagte Prien. Sie ist zugleich auch Sprecherin des Jüdischen Forums in der Union. «Am Ende sind Antisemitismus und Islamfeindlichkeit zwei Seiten der gleichen Medaille.»

Auch das ehemalige Zentralratsmitglied Michel Friedman ist überzeugt, «dass für Bürger jüdischen Glaubens die AfD die falsche Partei ist». Es handle sich um eine Partei, «in der Judenhass und die Relativierung des Holocaust in Teilen der Führung ein Zuhause hat», sagte der Frankfurter Publizist der «FAZ» (Dienstag). «Sie ist autoritär und antidemokratisch. Deswegen ist diese Partei nicht nur für Juden, sondern für jeden Demokraten der falsche Ort.»

Was hat die jüdischen AfD-Mitglieder nun aber zu diesem Schritt getrieben? Für den Rechtspopulismus-Forscher Matthias Quent ist die geplante Vereinsgründung vor allem ein taktisches Kalkül. Sie sei Teil einer «janusköpfigen Strategie», sagte der Direktor des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft in Jena dem «Handelsblatt».

Einerseits würden antisemitische Karikaturen, Stereotype und Verschwörungstheorien von AfD-Funktionären verbreitet, andererseits werde das Verhältnis zu Juden instrumentalisiert. Dabei hätten Studien gezeigt, dass Antisemitismus in der Wählerschaft der AfD «signifikant weiter verbreitet ist, als bei den anderen Parteien und im Bevölkerungsdurchschnitt».

Dlf-Interview mit Fuhl